Hamburg. Der 18 Jahre alte HSV-Neuzugang über Frühreife, Mamas Küche, Putz-Taktiken und den Tag, als ganz Holland auf Hamburg schaute.

Rick van Drongelen ist früh dran. In seiner Karriere, aber auch beim Interviewtermin. Weil der Niederländer nach dem Training Deutsch-Unterricht hat, schlug der gerade einmal 18 Jahre alte Teenager vor, sich bereits um 8.15 Uhr zum Abendblatt-Gespräch zu treffen. Und die erste Frage ist schon vor dem Interviewstart beantwortet: Hat der Jung-Profi überhaupt einen Führerschein? Hat er: Seinen kleinen Golf parkt er genau neben dem etwas größeren Luxus-Bentley von Dennis Diekmeier.

Hamburger Abendblatt: Herr van Drongelen, dürfen wir ganz unverschämt zu Anfang fragen, mit wie viel Jahren Sie Ihr erstes Bier getrunken haben?

Rick van Drongelen: Sie dürfen. Das war vor einem guten Jahr, als wir mit Sparta Rotterdam die Meisterschaft in der Eerste Divisie gefeiert haben und nach sieben Jahren in der Zweiten Liga endlich wieder aufgestiegen sind. Der perfekte Moment für das erste Bier.

Hintergrund der Frage ist, dass Sie gerade erst 18 Jahre alt sind, Ihr Profidebüt bereits mit 16 Jahren feierten. Sind Sie frühreif?

Fußballerisch gesehen kann man vielleicht wirklich sagen, dass ich ein wenig frühreif bin. Aber außerhalb des Platzes fühle ich mich genauso alt wie ich bin. Ich mag die Sachen, die man so als 18-Jähriger mag und ich mache Sachen, die man so als 18-Jähriger macht.

Das können wir gar nicht glauben. Hatten Sie nie das Gefühl, irgendetwas in Ihrer Jugend verpasst zu haben?

Naja, es stimmt schon, dass ich nicht alles machen kann, was meine Freunde machen. Wenn eine Party am Tag vor dem Spiel ist, dann kann ich da natürlich nicht hingehen. Insofern habe ich schon ein anderes Leben als meine Freunde. Sie gehen morgens zur Schule oder zur Arbeit, ich gehe zum Training. Aber ich habe trotzdem nicht das Gefühl, irgendetwas verpasst zu haben. Ich habe es mir ja so ausgesucht. Und meine Freunde verstehen es natürlich auch, dass ich nicht jede Party mitnehme.

Das erste Mal: van Drongelens Premieren

Sie stammen aus Terneuzen, das anderthalb Autostunden von Rotterdam entfernt liegt. Sind Sie mit 13 Jahren nach Rotterdam gezogen oder haben Sie sich jeden Tag zum Training fahren lassen?

In den ersten Jahren wurden wir immer kutschiert. Wir waren fünf Jungs aus der Gegend von Terneuzen und sind dann jeden Tag mit einem Kleinbus nach Rotterdam gefahren. Unsere Eltern haben sich der Reihe nach abgewechselt. Mit 17 Jahren bin ich dann nach Den Haag bei Rotterdam gezogen und habe dort mit einem Mitspieler zusammengewohnt.

War es hart, Ihr Zuhause zu verlassen?

Eigentlich nicht. Ich bin zwar ein Familienmensch, aber die Distanz war ja nicht wirklich groß. Und jedes Wochenende sind meine Eltern zu unseren Spielen gekommen – anschließend durfte ich mit ihnen nach Hause fahren.

"Meine Mutter hatte ambivalente Gefühle"

Küsschen für die Mama: HSV-Neuzugang Rick van Drongelen ist ein Familienmensch
Küsschen für die Mama: HSV-Neuzugang Rick van Drongelen ist ein Familienmensch © Witters

Nun wohnen Sie mehr als 600 Kilometer von Ihrer Familie entfernt. Was hat Ihre Mutter gesagt, als Sie ihr vom HSV-Angebot berichteten?

Sie hatte ambivalente Gefühle. Natürlich war sie auf der einen Seite happy für mich, auf der anderen Seite war sie traurig, dass ihr Junge nun weit weg ist.

Rick van Drongelen menschlich gesehen

Und Sie? Schon Heimweh?

So lange bin ich ja noch gar nicht hier. Aber im Ernst: Ich fühle mich total wohl in Hamburg, habe jetzt auch ein schönes Apartment in der Nähe des Stadtparks gefunden. Natürlich vermisse ich meine Freunde aus Rotterdam, aber ein paar Kumpel sind auch in andere Städte gewechselt. So ist nun mal das Business.

"Putzen? Ich habe eine eigene Taktik..."

Und man muss sich auch keine Sorgen machen, dass Sie ohne Mama verhungern...

(lacht) Keine Angst, ich komme über die Runden. Das Essen von meiner Mutter fehlt mir zwar schon, aber es gibt ja in Hamburg auch gute Restaurants. Ein bisschen kochen kann ich auch – und es wird besser und besser.

Putzen Sie auch?

Puh. Ich habe eine ganz gute Taktik entwickelt: Ich mache einfach nichts dreckig (lacht). Naja, wenn meine Freundin demnächst nachzieht, dann müssen wir mal besprechen, wie wir das Aufräumen eigentlich regeln wollen.

Gegen Augsburg haben Sie mit Kyriakos Papadopoulos in der Abwehr aufgeräumt. Er hatte sein Profidebüt sogar schon mit 15 Jahren. Muss es im Profifußball immer schneller, immer jünger werden?

Gute Frage. Grundsätzlich scheint es ja so zu sein, dass man vor allem in kleineren Ligen als junger Spieler Einsatzzeiten bekommt. In Deutschland dürfte das schon schwieriger sein. Aber die Niederlande haben ja den Ruf, junge Talente zu fördern. Mittlerweile kommen sogar junge Spieler aus Deutschland, um in Holland zu spielen. Leipzigs Jeffrey Chabot ist gerade nach Rotterdam gewechselt, Dortmunds Alexander Leukart nach Enschede.

HSV-Sportdirektor Bernhard Peters hatte im Abendblatt unlängst die Entwicklung kritisiert, dass Fußballer immer früher Profi werden, weil sie oft psychisch noch gar nicht so weit seien. Haben Sie darüber schon jemals nachgedacht?

Nicht wirklich. Wie hat er das gemeint?

Als junger Spieler ist man vielen Verlockungen ausgesetzt: schlechte Berater, falsche Freunde, viel Geld und natürlich auch die zahlreichen Groupies...

Da passt meine Freundin schon auf (lacht). Aber ganz im Ernst: Ich habe einen Berater, dem ich vertraue. Und ich habe gute Freunde, denen ich vertraue. Natürlich weiß ich, dass man verantwortungsvoll mit all dem plötzlichen Geld oder auch den sozialen Medien umgehen muss. Aber bei mir muss sich eigentlich niemand Sorgen machen.

"Da hat ganz Holland auf Hamburg geschaut"

Sie haben ja mittlerweile bestimmt mitbekommen, dass es eine Holländer-Historie beim HSV gibt. Als Rafael van der Vaart, der übrigens mit 17 Jahren sein Profidebüt feierte, zum HSV wechselte, waren Sie sechs Jahre alt. Können Sie sich noch erinnern?

Ich war tatsächlich noch sehr jung, deswegen erinnere ich nicht den Tag, an dem Rafa beim HSV unterschrieb. Aber ich kann mich sehr wohl daran erinnern, dass es eine riesen Nummer in den Niederlanden war, als er in die Bundesliga wechselte. Rafa war der Kapitän von Ajax Amsterdam und ein Aushängeschild der Nationalmannschaft. Natürlich hat dann ganz Holland nach Hamburg geschaut.

Ein anderes Aushängeschild aus den Niederlanden war Nico-Jan Hoogma. Nach Ihrem Wechsel haben Sie verraten, dass Sie sich bei ihm über den HSV erkundigt haben. Wie muss man sich das vorstellen?

Das war eine ganz lustige Geschichte. Ich habe in einer Zeitung einen Artikel gelesen, in dem Nico-Jan Hoogma mich sehr gelobt und mir sinngemäß zum Wechsel nach Hamburg gratuliert hat. Weil ich mit seinem Sohn Justin, mit dem ich in der U19-Nationalmannschaft zusammen spiele, befreundet bin, habe ich mir über ihn dann seine Nummer besorgt. Ich habe ihn dann angerufen, mich bedankt und ihn gefragt, ob er mir ein paar Tipps zum HSV geben kann.

Und?

Er konnte.