Rotenburg. HSV-Coach Markus Gisdol steht im Trainingslager des HSV nur ein Innenverteidiger uneingeschränkt zur Verfügung.
Vorstellen muss sich Markus Gisdol im Landhaus Wachtelhof nicht mehr. Zum dritten Mal innerhalb von zwei Monaten hat der HSV-Trainer mit seiner Mannschaft das Wellness-Hotel in Rotenburg an der Wümme bezogen. Doch die Vorzeichen sind diesmal ganz andere. Im Mai suchten die Hamburger hier den Geist von Rotenburg vor richtungsweisenden Heimspielen im Abstiegskampf gegen Mainz und Wolfsburg. Diesmal will der HSV den Grundstein im athletischen und körperlichen Bereich für eine Saison legen, in der die Rettung nach Möglichkeit nicht erst wieder in der letzten Sekunde gelingen soll.
„Wir fühlen uns hier gut aufgehoben und haben positive Erfahrungen mit Rotenburg gemacht“, schwärmt Sportchef Jens Todt von den Bedingungen vor Ort. Ganz so optimal waren diese dann aber doch nicht. Pünktlich zum Start der ersten Einheit auf dem Platz des fünftägigen Trainingslagers erreichte das Hamburger Schietwetter auch die niedersächsische Kreisstadt. „Hamburger Sommer“, scherzte Markus Gisdol beim Betreten des Stadions in der Ahe.
Papadopoulos mit muskulären Problemen
Wie die Mannschaft ließ sich auch Todt bei strömendem Regen nicht von einer Fitness-Einheit abhalten. Die knapp 70 Zuschauer staunten nicht schlecht, als der 47-Jährige mit besten Haltungsnoten Liegestütze auf dem Platz absolvierte. Aus nächster Nähe beobachten konnte ihn dabei Kyriakos Papadopoulos. Der Grieche stieg früher als erwartet ins Mannschaftstraining ein.
HSV-Trainingslager in Rotenburg – Tag zwei:
Vor der Abreise ins Trainingslager hatte Gisdol noch prognostiziert, dass der Abwehrspieler in Rotenburg ausschließlich individuell trainieren werde. Nach 30 Minuten machten sich Papadopoulos’ muskuläre Probleme allerdings wieder bemerkbar, und er ging vorzeitig in die Kabine. Die lädierte Wade zwickt noch gelegentlich und lässt aktuell kein vollständiges Mannschaftstraining zu. Auch bei den Steigerungsläufen am Nachmittag fehlte der Abwehrrecke. Beim HSV gibt man sich aber noch entspannt. Es habe sich um eine reine Vorsichtsmaßnahme gehandelt, sagte Todt. „Wir wollen ihn langsam wieder heranführen. Wenn wir übermorgen ein Spiel hätten, würde er auflaufen.“
Ganz so entspannt ist die Lage für den HSV durch die anhaltenden Verletzungssorgen um Papadopoulos aber nicht. Neben dem bedingt belastungsfähigen 6,5-Millionen-Neuzugang steht Gisdol in Bjarne Thoelke nur ein weiterer Innenverteidiger zur Verfügung (Mergim Mavraj steigt am 15. Juli ein).
Doch der 25-Jährige ist eigentlich nur als Innenverteidiger Nummer vier eingeplant und soll an der Seite etablierter Verteidiger zum Bundesligaspieler reifen. „Er hat einen kleinen Rückstand gegenüber den Kollegen, das haben wir ihm auch so mitgeteilt“, so Todt.
Kader soll ausgedünnt werden
Thoelke, der unter Felix Magath in seiner Wolfsburger Zeit schon Erstligaluft schnupperte, wurde vor der abgelaufenen Saison zum Abwehrchef beim Karlsruher SC erklärt. Diesen Ansprüchen konnte er aber nur selten gerecht werden. Als Ex-HSV-Trainer Mirko Slomka den späteren Zweitliga-Absteiger in der Rückrunde übernahm, wurde Thoelke sogar zwischenzeitlich in die zweite Mannschaft strafversetzt. „Er hatte ein schwieriges Jahr in Karlsruhe“, sagte Todt über den 1,91-Meter-Schlaks, den er im Sommer 2015 schon einmal als damaliger KSC-Sportchef von einem Wechsel überzeugte. „Ich traue ihm einiges zu. Er verteidigt konsequent, schont keinen und ist genau der Mentalitätsspieler, den wir brauchen.“
HSV-Trainingslager in Rotenburg:
HSV-Trainingslager in Rotenburg
Unabhängig von Thoelkes sportlicher Entwicklung will der HSV noch einen Spieler für das Abwehrzentrum verpflichten (plus einen Linksverteidiger). „Wir werden auf dieser Position auf jeden Fall aktiv werden, schließen aber nicht aus, dass es noch etwas dauern wird“, so Todt. Gleichzeitig soll der Kader zwar ausgedünnt werden, ein Transfer sei aber nicht von einem Verkauf eines Topverdieners abhängig. So soll das vom Aufsichtsrat ausgegebene Ziel, den Gehaltsetat von 56 Millionen Euro auf 48 Millionen Euro zu reduzieren, laut „Bild“ inzwischen auf 55 Millionen Euro korrigiert worden sein.
Angehobenes Budget
Möglich wird das angehobene Budget erneut durch Investor Klaus-Michael Kühne. Dennoch hofft der HSV weiterhin, durch eigenes Wirtschaften finanziellen Spielraum für Neuzugänge zu schaffen. „Ich halte die Wahrscheinlichkeit für hoch, dass wir noch einen Spieler abgeben“, meint Todt, ohne konkrete Namen zu nennen. Denn der einzige Profi, dem momentan ein Angebot vorliegt, ist der von Wolfsburg umworbene Nicolai Müller, der unter keinen Umständen verkauft werden soll. „Ladenhüter“ wie Pierre-Michel Lasogga, Aaron Hunt und Lewis Holtby ziehen weiter keine Interessenten an sich.
Welche Strategie fährt der HSV also, wenn am Ende doch kein Spieler mehr abgegeben würde? „Wenn der Kader so groß bleibt, können zwei bis drei Spieler in der zweiten Mannschaft spielen“, so Todt, der eine solche Entscheidung allerdings nicht als Strafe, sondern vielmehr als „normalen Vorgang“ bewertet. Doch so weit soll es nach seiner Ansicht ohnehin gar nicht erst kommen. Der Sportchef spekuliert darauf, dass der Markt in England im August so richtig ins Rollen kommt, was auch für die Bundesliga Folgen haben könnte. „Das wird viele Dinge in Bewegung setzen und dadurch kann auch bei uns noch einiges passieren.“