Hamburg. Gisdols Wunschspieler spricht über seine Beweggründe, nach Hamburg zurückzukehren. Trainer stellt für ihn sogar sein System um.
Die Sonne lachte am Sonntagmorgen über dem Volkspark, als sich rund 500 Trainingskiebitze versammelten, um die HSV-Profis bei ihrer ersten öffentlichen Einheit nach der Sommerpause zu beobachten. Neben dem neuen Heimtrikot zog vor allem Neuzugang André Hahn die Blicke auf sich. Kann der neue Mann beim HSV wieder für mehr Torgefahr sorgen, nach einem Jahr, in dem nur Absteiger Darmstadt 98 weniger Treffer erzielte, wollten viele wissen.
Um 10.50 Uhr sah es bereits danach aus, als könnte Hahn den Anwesenden zeigen, warum Markus Gisdol ihn unbedingt verpflichten wollte. Sven Schipplock legte quer auf den 26-Jährigen, der nur noch Torhüter Tom Mickel vor sich hatte, aber rechts vorbeizielte. Ein Raunen tönte durch die Zuschauer. Vier Minuten später eine ähnliche Szene: Aaron Hunt steckte durch auf Hahn. Ein Heber. „Jetzt aber“, rief ein HSV-Fan hoffnungsvoll am Spielfeldrand. Doch Mickel vereitelte die Großchance. Eine weitere Möglichkeit bot sich ihm nicht mehr. Hahn sollte beim torlosen Abschlussspiel leer ausgehen – genauso wie seine Mitspieler.
Das erste öffentliche Training – die Bilder
Müssen sich die nicht unbedingt mit Hurra-Fußball verwöhnten Fans also wieder auf eine torarme Saison einstellen? Hahn ist zumindest davon überzeugt, dass er das Zeug hat, das HSV-Spiel in der Offensive schwerer ausrechenbar zu gestalten. „Ich werde meine Stärken hier einbringen. Von meiner Art, Fußball zu spielen, passe ich hier sehr gut zum HSV.“ Besonders das von Gisdol praktizierte laufintensive Gegenpressing kommt Hahns Spielweise entgegen. „Ich laufe und arbeite sehr viel, bin extrem ehrgeizig und gebe immer Vollgas“, verspricht der schnelle Angreifer und räumt zugleich ein: „Ich bin nicht der Techniker, der zehn Übersteiger macht.“
Auch Gisdol setzt darauf, dass Hahn mit seiner Mentalität der Mannschaft wichtige Impulse geben kann. Mit seiner Spielidee konnte der Coach Hahn von einem Wechsel nach Hamburg überzeugen und die Konkurrenz um Hertha, Frankfurt und Augsburg ausstechen. „Der Trainer war mit sehr viel Energie und sehr viel Feuer dabei, das hat mich überzeugt“, beschreibt Hahn, der sich vor seinem Transfer auch bei anderen Spielern über Gisdol erkundigte, die Gespräche mit seinem neuen Chef.
Beim HSV schaffte er den Durchbruch nicht
Dabei hätte Hahn mit Europa-League-Teilnehmer Hertha auch international spielen können. Doch ihm waren andere Argumente wichtiger. So habe er vor allem Wert auf die ihm aufgezeigte Perspektive gelegt, die in Hamburg am größten sein soll.
Vor acht Jahren war daran nicht zu denken. Unter dem damaligen Nachwuchschef und jetzigen Sportchef Jens Todt wurde Hahn nach dem Ende seiner A-Jugend-Zeit der Durchbruch bei den Profis nicht zugetraut. Ein Jahr später, im Sommer 2010, wurde er schließlich aussortiert. Einen Groll gegen seinen alten und neuen Verein hegt Hahn dennoch nicht. Vielmehr blickt er selbstkritisch auf seine erste Zeit beim HSV zurück. „Ich hatte früher nicht das Leistungspotenzial, um es beim HSV zu schaffen.“
Vom Küken zum Hahn: die Karriere des HSV-Rückkehrers in Bildern
Vom Küken zum Hahn: die Karriere des neuen HSV-Stars
Über den Umweg Vierte Liga arbeite sich Hahn doch noch hoch in die Bundesliga. Und so erkannte der HSV in diesem Sommer mit reichlich Verspätung Hahns Potenzial. Sechs Millionen Euro überwiesen die Hanseaten an Borussia Mönchengladbach, um Hahn für vier Jahre zu binden. Mit ihm soll es nun endlich gelingen, eine ruhige Saison ohne ermüdenden Abstiegskampf zu spielen.
Daran glaubt auch Hahn, obwohl der HSV trotz eines weiteren Neustarts und neuer Finanzspritzen von Investor Klaus-Michael Kühne auch in der abgelaufenen Saison um die Existenz bangen musste. „Der HSV hatte auch in den vergangenen Jahren viel Potenzial, die Mannschaft konnte es nur nicht auf den Platz bringen“, sagt Hahn.
Als Rückschritt will er seinen Wechsel deshalb nicht bewerten. Daran ändert auch ein weiterer Rückblick in seiner Karriere nichts, als er im Dezember noch im Camp Nou gegen den FC Barcelona um Superstar Lionel Messi in der Champions League spielte. „Der HSV ist der nächste sportliche Schritt und Teil meiner Weiterentwicklung. Ich möchte regelmäßig spielen und ein wichtiger Baustein in der Mannschaft werden“, erhofft sich der Angreifer, der in seiner letzten Saison in Gladbach einige Male auf der Bank wiederfand, weil das Sturmduo Lars Stindl und Raffael so prächtig harmonierte.
Gisdol kündigt Systemänderung an
Gisdol sieht Hahn als Außenstürmer für beide Seiten oder als hängende Spitze. Um ihn neben dem gesetzten Bobby Wood stürmen zu lassen, kündigte der Trainer sogar eine Systemänderung auf ein 4-4-2 an. „Ich bin froh, dass ich so flexibel bin. Das macht mich wertvoll“, weiß Hahn, der sich auf jeder Position in der Offensive wohlfühlt.
Natürlich wird Hahn als Angreifer auch an Toren gemessen. Eine Zielvorgabe, wie häufig er den Ball im Netz unterbringen will, setzt er sich dennoch nicht. „Das wäre der falsche Ansatz, sonst setzt man sich zu sehr unter Druck, und es funktioniert erst recht nicht“, sagt Hahn. „Wenn der Lauf kommt, kommen auch die Tore und die Vorlagen.“ Ein Satz, der den HSV-Fans Hoffnung auf eine ruhige Saison ohne Abstiegskampf machen soll.