Hamburg. Am Sonnabend trifft der HSV auf Fast-Absteiger Darmstadt – und den verliehenen Sven Schipplock.

Am trainingsfreien Dienstag hatte Sven Schipplock endlich mal wieder einen echten Anlass zum feiern: Opa Herbert hatte runden Geburtstag. Sein 80. Ehrentag – und die ganze Familie wurde in Hanau erwartet.

Auf dem Fußballplatz gab es für Schipplock dagegen zuletzt nur wenige Feiertage. Zwar konnte Darmstadt 98 nach zuvor vier Niederlagen in Folge durch das überraschende 2:1 am Osterwochenende gegen Schalke eine Art Wiederauferstehung feiern und den Abstieg vorerst abwenden.

Der HSV hat kein Glück mit seinen Leihprofis

Doch aufgeschoben ist in diesem Fall nicht aufgehoben. Bereits am kommenden Sonnabend könnte der Abstieg der Lilien endgültig besiegelt werden – ausgerechnet bei Schipplocks Rückkehr ins Volksparkstadion. „Unabhängig von der Tabellensituation freue ich mich auf das Spiel in Hamburg. Ich hege ja in keiner Weise einen Groll gegen den HSV, ganz im Gegenteil“, sagt der für eine Saison verliehene Stürmer, der noch immer viele Freunde in Hamburg hat: „Besonders mit Pierre (Lasogga, die Red.), Nicolai (Müller), Johan (Djourou) und Michael (Gregoritsch) habe ich noch immer einen sehr regelmäßigen Kontakt.“

Ein echtes Gespräch gab es noch nicht

Geht es nach Schipplock, dann könnte der regelmäßige Kontakt ab Sommer auch wieder zum Dauerkontakt werden. „Ich würde mich freuen, wenn ich nach der Saison wieder nach Hamburg kommen könnte und man mir signalisiert, dass man mit mir plant.“

Das Problem: ein Signal, geschweige denn ein echtes Gespräch gibt oder gab es bislang noch nicht. Noch bis zum Sommer ist der Schwabe nach Darmstadt verliehen – und scheint zuletzt in Hamburg ein wenig in Vergessenheit geraten zu sein. „Wir werden in Kürze mit Sven sprechen“, sagt Sportchef Jens Todt, der ansonsten im Ungefähren bleibt: „So lange unsere Ligazugehörigkeit noch nicht gesichert ist, können wir auch keine definitiven Aussagen machen. Aber wir gehen schon davon aus, dass Sven vorerst im Sommer zurückkommen wird. Stand jetzt.“

Kein gewöhnlicher Fußballprofi

Zwei Wörter: Stand jetzt. Es sind zwei Wörter, die Schipplock nur allzu gut kennt – und mit denen der mittlerweile 28 Jahre alte Stürmer trotzdem nur bedingt etwas anfangen kann: „Die Ungewissheit ist das, was mich am meisten im Fußballbusiness stört.“ So habe er seine Wohnung in Frankfurt bereits zum Saisonende gekündigt, aber noch keine Anstrengungen unternommen, sich tatsächlich eine neue Bleibe wieder in Hamburg zu suchen. Zudem habe Freundin Maureen gerade ihr Studium beendet. „Aber natürlich kann sie sich jetzt noch nirgendwo bewerben, weil wir ja gar nicht wissen, ob wir wieder nach Hamburg zurückkommen oder sonst wo unsere Zelte aufschlagen“, sagt Schipplock.

Der gebürtige Reutlinger ist kein gewöhnlicher Fußballprofi. Schipplock macht sich Gedanken – und das alleine reicht schon aus, ein ungewöhnlicher Profi zu sein. Sagen die einen. Genau das sei sein Problem. Sagen die anderen.

Der Tabellenrechner beim "Kicker"

Beim HSV wurde Schipplock im Sommer aussortiert, weil ihm in der vergangenen Saison kein einziges Tor gelingen wollte. „Der Sven ist vor allem ein guter Anläufer“, hatte Ex-Trainer Bruno Labbadia gesagt, als er noch von Schipplocks Qualitäten überzeugt war. Doch nur anlaufen ohne ein einziges Tor ist für ein Stürmer auf Dauer zu wenig. Beim HSV. Und auch in Darmstadt, wo Schipplock in dieser Saison ebenfalls noch kein einziges Tor erzielen konnte.

„Ich würde lügen, wenn ich behaupten würde, dass mich diese Torlosigkeit nicht beschäftigt hätte“, sagt der glücklose Angreifer. „Besonders in der vergangenen Saison litt mein Selbstvertrauen zunehmend unter der Statistik.“ Doch Schipplock holte sich professionelle Hilfe, ging zum Mentaltrainer und lernte, dass es selbst für einen Torjäger mehr als nur Tore gibt. „Selbstverständlich möchte ich auch gerne wieder Tore erzielen. Aber ich habe gelernt, dass ich mir auch Selbstvertrauen daraus ziehen kann, wenn der Trainer mit meiner Spielleistung für die Mannschaft auch ohne Torerfolg zufrieden ist.“

Bilder vom Nordderby:

HSV bricht ein und verliert Nordderby bei Werder Bremen

Aushilfs-Innenverteidiger Gideon Jung (r.) hatte Max Kruse (hier beim Ausgleichstor) zu keiner Zeit im Griff. Gegen Darmstadt rückt er wohl wieder auf die Sechs – und verdrängt damit den ebenfalls schwachen Walace aus der Startelf
Aushilfs-Innenverteidiger Gideon Jung (r.) hatte Max Kruse (hier beim Ausgleichstor) zu keiner Zeit im Griff. Gegen Darmstadt rückt er wohl wieder auf die Sechs – und verdrängt damit den ebenfalls schwachen Walace aus der Startelf © WITTERS | ValeriaWitters
Als Kind schlief er noch in HSV-Bettwäsche, jetzt jubelt er im Werder-Dress über ein Tor gegen die Hamburger
Als Kind schlief er noch in HSV-Bettwäsche, jetzt jubelt er im Werder-Dress über ein Tor gegen die Hamburger © imago/Ulmer
Florian Kainz machte Werder zum Derbysieger und düpierte HSV-Torhüter Mathenia in der kurzen Ecke. Die Vorlage kam – na klar – von Kruse
Florian Kainz machte Werder zum Derbysieger und düpierte HSV-Torhüter Mathenia in der kurzen Ecke. Die Vorlage kam – na klar – von Kruse © imago/Nordphoto
Mathenia bewahrte den HSV nach 35 Sekunden mit einer Weltklasse-Parade gegen Kruse vor einem Gegentor, sah dann aber beim 1:2 schlecht aus
Mathenia bewahrte den HSV nach 35 Sekunden mit einer Weltklasse-Parade gegen Kruse vor einem Gegentor, sah dann aber beim 1:2 schlecht aus © imago/Nordphoto
Hängende Köpfe beim HSV nach einer dürftigen zweiten Halbzeit in Bremen
Hängende Köpfe beim HSV nach einer dürftigen zweiten Halbzeit in Bremen © Bongarts/Getty Images | Martin Rose
Alexander Nouri und Werder Bremen bleiben hingegen die Mannschaft der Stunde in der Bundesliga und dürfen nun sogar von Europa träumen
Alexander Nouri und Werder Bremen bleiben hingegen die Mannschaft der Stunde in der Bundesliga und dürfen nun sogar von Europa träumen © Bongarts/Getty Images | Martin Rose
Wie schon im Hinspiel erzielte Gregoritsch das 1:0 für den HSV gegen Werder
Wie schon im Hinspiel erzielte Gregoritsch das 1:0 für den HSV gegen Werder © dpa | Carmen Jaspersen
Damit erzielte Gregoritsch vier seiner zehn Bundesligatore gegen Bremen
Damit erzielte Gregoritsch vier seiner zehn Bundesligatore gegen Bremen © Bongarts/Getty Images | Martin Rose
Dennis Diekmeier jubelt über die Führung im Nordderby
Dennis Diekmeier jubelt über die Führung im Nordderby © WITTERS | FrankPeters
Filip Kostic hatte noch in der Anfangphase die Chance, auf 2:0 für den HSV zu stellen, doch der Serbe scheiterte alleine vor Werder-Keeper Felix Wiedwald
Filip Kostic hatte noch in der Anfangphase die Chance, auf 2:0 für den HSV zu stellen, doch der Serbe scheiterte alleine vor Werder-Keeper Felix Wiedwald © imago/Nordphoto
Werder-Kapitän Zlatko Junuzovic setzt zum Freistoß an...
Werder-Kapitän Zlatko Junuzovic setzt zum Freistoß an... © imago/Nordphoto
... Und zirkelt die Kugel an den Pfosten!
... Und zirkelt die Kugel an den Pfosten! © imago/Nordphoto
Lewis Holtby bot beim Nordderby eine ungewohnt schlechte Vorstellung
Lewis Holtby bot beim Nordderby eine ungewohnt schlechte Vorstellung © Valeria Witters | Witters
Kapitäne unter sich: Bremens Zlatko Junuzovic (l.) und Gotoko Sakai lenken das Spiel ihrer Mannschaften
Kapitäne unter sich: Bremens Zlatko Junuzovic (l.) und Gotoko Sakai lenken das Spiel ihrer Mannschaften © dpa | Carmen Jaspersen
Aaron Hunt zeigte sich sehr spielfreudig bei seiner alten Liebe
Aaron Hunt zeigte sich sehr spielfreudig bei seiner alten Liebe © dpa | Carmen Jaspersen
Vor dem Nordderby wurde der HSV-Bus von Bremer Fans mit Farbe und Flaschen attackiert
Vor dem Nordderby wurde der HSV-Bus von Bremer Fans mit Farbe und Flaschen attackiert © Bongarts/Getty Images | Martin Rose
Die Polizei sichert das Nordderby mit 750 Einsatzkräften ab und stuft die Partie als
Die Polizei sichert das Nordderby mit 750 Einsatzkräften ab und stuft die Partie als "Hochsicherheitsspiel" ein © WITTERS | FrankPeters
Es geht auch friedlich. Ein HSV- und ein Bremer Fan besuchen die Partie gemeinsam....
Es geht auch friedlich. Ein HSV- und ein Bremer Fan besuchen die Partie gemeinsam.... © WITTERS | ValeriaWitters
... die beiden waren nicht das einzige kuriose Fan-Duo
... die beiden waren nicht das einzige kuriose Fan-Duo © WITTERS | ValeriaWitters
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Auf dieses Feedback musste Schipplock in Darmstadt zunächst lange warten. Trainer Norbert Meier, der Schipplock nach Hessen lockte, musste bereits im Dezember gehen, genauso wie Sportchef Holger Fach. Für drei Spiele (und drei Niederlagen) kam Interimscoach Ramon Berndroth, dann folgte Nachfolger Torsten Frings. „Drei Trainer in einer Saison, das kennt man ja sonst nur vom HSV“, witzelt Schipplock, der die ganze Situation in Darmstadt aber alles andere als witzig empfunden hat. „Natürlich hatte ich andere Erwartungen, als ich gewechselt bin. Es gab verschiedene Gründe, warum es nicht so hingehauen hat. Aber am Ende muss man so ehrlich sein, dass sich der Wechsel nicht ausgezahlt hat.“

Unter Frings spielte Schipplock zunächst überhaupt keine Rolle mehr, wurde zuletzt aber dreimal ein- und dreimal ausgewechselt. „Man kann nicht sagen, dass sich der Trainerwechsel für mich positiv ausgewirkt hat. Aber Torsten Frings und ich haben ein normales Spieler-Trainer-Verhältnis.“

Matz ab nach Niederlage im Nordderby:

Matz ab nach der Niederlage im Nordderby bei Werder

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    Besser als ein „normales Spieler-Trainer-Verhältnis“ sei seine Beziehung zu HSV-Coach Markus Gisdol. „Es ist ja kein Geheimnis, dass ich die beste Zeit meiner Karriere in Hoffenheim unter Gisdol hatte“, sagt Schipplock, der vor allem mit den beiden Co-Trainern Frank Fröhling und Frank Kaspari im regen Kontakt stehe. „Beide ermuntern mich, nicht aufzugeben, hart an mir zu arbeiten und meine Chance zu suchen.“

    Mit Gisdol habe Schipplock zuletzt noch nicht gesprochen – würde das aber gerne zeitnahe nachholen. „Ich bin offen für alles. Mir ist nur wichtig, dass man mir ehrlich sagt, was man mit mir vorhat“, sagt der Bald-wieder-Hamburger. Mutmaßlich utopische Ansprüche wolle er nicht stellen: „Ich möchte ein wichtiger Teil vom Team sein – ganz gleich in welcher Konstellation. Doch wenn der Trainer andere Vorstellungen hat, dann ist das auch in Ordnung. Dann würde ich es nur ehrlich finden, wenn man mir das auch genauso sagt.“

    Ehrlichkeit ist eine Tugend, selbst im harten Geschäft Profifußball. Glaubt der überzeugte Christ Schipplock. Und glaubt ganz sicher auch Opa Herbert.