So verarbeitet der HSV sein persönliches Kruse-Trauma. Dessen früherer Lieblingsverein ist inzwischen sein Lieblingsgegner.

Hamburg/Bremen. Als Kind wuchs er in Hamburg auf und schlief in HSV-Bettwäsche. Irgendwann mal zu seinem einstigen Lieblingsverein zu wechseln, schloss Max Kruse daher nie aus. Doch momentan geht der 29-Jährige für den Nordrivalen Werder Bremen auf Torejagd. Zu welchen Leistungen der Ex-Nationalspieler immer noch imstande ist, mussten die Hamburger am Ostersonntag schmerzhaft erfahren.

Kruse war bei der 1:2-Derbypleite des HSV bester Mann auf dem Platz und von Aushilfsverteidiger Gideon Jung zu keiner Zeit in den Griff zu kriegen. Er war an sieben von 13 Torschüssen seiner Mannschaft beteiligt.

HSV ist Kruses Lieblingsgegner

Dass Kruse gegen den HSV zur Höchstform aufläuft, ist nichts Neues. Denn inzwischen ist sein früherer Lieblingsclub sein Lieblingsgegner. Zwölf Spiele bestritt er in seiner Karriere gegen den HSV – nicht einmal ging die exzentrische Nummer 10 als Verlierer vom Platz. Das gelang Kruse gegen keine andere Mannschaft, insofern er mindestens fünfmal gegen sie spielte.

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Um seine Bilanz aufzubessern, erzielte Kruse ein Tor selbst und bereitete den entscheidenden Treffer zum 2:1 durch Florian Kainz vor. Es war bereits das 14. Gegentor durch einen Einwechselspieler für den HSV in dieser Saison – ein Negativrekord in der Bundesliga.

Mathenia bewahrte den HSV nach 35 Sekunden mit einer Weltklasse-Parade gegen Kruse vor einem Gegentor, sah dann aber beim 1:2 schlecht aus. Gegen Darmstadt wird er erneut den verletzten Adler vertreten
Mathenia bewahrte den HSV nach 35 Sekunden mit einer Weltklasse-Parade gegen Kruse vor einem Gegentor, sah dann aber beim 1:2 schlecht aus. Gegen Darmstadt wird er erneut den verletzten Adler vertreten © imago/Nordphoto

HSV ist der Meister des Aufstehens

Am Tag nach der Derbypleite versuchte HSV-Trainer Markus Gisdol, das Kruse-Trauma abzuhaken. „Wir haben das Spiel aufgearbeitet und unsere Fehler klar angesprochen“, so der Coach, der den Blick nach vorne richtet. „Bisher haben wir oftmals schnell wieder eine gute Reaktion gezeigt.“

Tatsächlich erholte sich der HSV in der Rückrunde in Rekordzeit von Niederlagen und stand nach Rückschlägen stets wieder auf. Auf ein 1:3 in Ingolstadt folgte ein 1:0 gegen Leverkusen. Nach dem 0:8-Debakel in München spielten die Hamburger am darauffolgenden Spieltag wie ausgewechselt gegen Hertha BSC (1:0) und auch nach dem 0:3 in Dortmund fand der Dino vier Tage später beim 2:1 gegen Hoffenheim zurück in die Erfolgsspur.

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    Auf eine ähnliche Reaktion hofft Gisdol nun auch gegen Darmstadt und will dabei wie schon in den vergangenen Wochen von der eigenen Heimstärke profitieren. Doch Gisdol setzt nicht nur auf den Rückhalt der Fans, er will auch einige Wechsel in der Startelf vornehmen und kündigte bereits unmittelbar nach der Niederlage im 106. Nordderby „etwas anderes Personal“ gegen die fast abgestiegenen und auswärts noch punktlosen Darmstädter an.

    Gisdol klagt über zu viele Ausfälle

    „Wir hatten gegen Werder einen Engpass, der ein bisschen zu heftig ausfiel. Es war die ultimativ schwierigste Personalsituation, die wir bislang hatten“, so Gisdol, der gegen die Lilien wieder auf den in Bremen Gelb-gesperrten Kyriakos Papadopoulos zurückgreifen kann. Außerdem soll Top-Stürmer Bobby Wood (Einblutung im Knie), der am Sonntag immerhin schon wieder individuell auf dem Platz trainierte, rechtzeitig fit werden. Selbst für Johan Djourou (Bauchmuskulatur) könnte es reichen.

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    Am Mittwoch soll Wood wieder mit der Mannschaft trainieren. „Wie planen, dass er Samstag einsatzfähig ist, wenn die Woche normal verläuft“, sagte Gisdol, der den US-Nationalspieler in Bremen schmerzlich vermisste. Sein Vertreter Michael Gregoritsch traf zwar zur frühen Führung in der 6. Spielminute. Seine übrigen zwölf Zweikämpfe sollte der Österreicher aber allesamt verlieren.

    Gegen Darmstadt will Gisdol wieder mehr Biss in den Zweikämpfen sehen. „Jeder muss sich bewusst sein, dass es Samstag keine leichte Aufgabe wird. Der Gegner kann befreit aufspielen, wir müssen daher alles abrufen.“

    Gisdol analysiert die HSV-Pleite im Nordderby

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      Sakai schreibt offenen Brief an HSV-Fans

      An Einsatz mangelte es Kapitän Gotoku Sakai nicht. Der Japaner wehrte sich fast im Alleingang und ging auch nach dem Spiel voran. Über Instagram wandte er sich mit einem offenen Brief an die Fans. Es tue ihm leid, dass der HSV im Nordderby „nicht gut gespielt und als Mannschaft nicht gut funktioniert“ habe. Trotz der Niederlage fand er die Reaktion der Fans überragend, teilte Sakai mit.

      Es sei ihm egal, ob er in falschem Deutsch schreibe, betonte der Japaner und hatte für seinen Mut zahlreiche Sympathien in den sozialen Netzwerken geerntet. Für die fünf ausstehenden Saisonspiele versprach der Kapitän: „Wir wollen unbedingt antworten ... und niemals aufgeben bis zum Ende!!!“

      Schon ein Sieg gegen Darmstadt könnte dem HSV (33 Punkte) wieder etwas Luft im Abstiegskampf verschaffen, da die direkten Konkurrenten Wolfsburg (33 Punkte/ in Berlin), Mainz (32/ in München) und Augsburg (32/ in Frankfurt) vor schweren Hürden stehen.