Hamburg. Adler spukte Blut, Ekdal droht das Saison-Aus, Djourou sorgt für Wirbel: Die Liste der HSV-Sorgenkinder wird immer länger.
Lange hat Jens Todt nicht geschlafen. „Aber gut“, sagt der Sportchef des HSV am Morgen nach der Pleite gegen Dortmund. Anders als die Mannschaft, die noch in der Nacht mit dem Bus zurück nach Hamburg reiste, blieb Todt im Pott, um sich am Mittwochabend die Zweitligapartie zwischen dem VfL Bochum und dem 1. FC Kaiserslautern anzuschauen. „Bochum ist ja nur einen Katzensprung von Dortmund entfernt. Und ich kenn mich noch recht gut hier aus. Ein schönes Hotel habe ich jedenfalls gefunden“, witzelt Todt, der einst beim VfL als Sportdirektor arbeitete und so die Möglichkeit nutzte, sich im Ruhrstadion von dem 0:3 vom Vorabend ablenken zu lassen. „Das Ergebnis klingt deutlich, aber mit unserem Spiel bin ich eigentlich zufrieden.“
Alles andere als zufrieden waren Todt und Trainer Markus Gisdol mit den Begleitumständen der Partie. So übertraf die medizinische Abteilung am Tag nach dem 0:3 die befürchtete Diagnose im Fall von Albin Ekdal sogar noch: Muskelbündelriss im Oberschenkel, mindestens vier bis sechs Wochen Pause. Im schlimmsten Fall drohe sogar wie bei Nicolai Müller (Innenbandriss im Knie) das Saisonaus.
Leichte Entwarnung bei Adler
Eine leichte Entwarnung gab es dagegen bei René Adler, der direkt nach der Partie in ein Dortmunder Krankenhaus gebracht werden musste. „Nachts hatte ich bereits mit den Ärzten telefoniert. Da wurde mir schon gesagt, dass glücklicherweise nichts mit der Lunge ist“, sagt Todt. Ob aber Adler, der eine Brustkorbprellung beim Zusammenprall mit Dortmunds Pierre-Emerick Aubameyang erlitten hatte, am Wochenende gegen Hoffenheim spielen kann, bleibt fraglich.
Und während die Rückkehr von Innenverteidiger Nummer drei (Gideon Jung) wegen seiner muskulären Probleme nahezu ausgeschlossen scheint, gab immerhin Innenverteidiger Nummer eins (Kyriakos Papadopoulos) grünes Licht. Der Grieche, der das Spiel beim BVB wegen muskulärer Probleme verpasst hatte, joggte am Vormittag danach bereits wieder beschwerdefrei durch den Volkspark. Sein Einsatz am Sonnabend gegen Hoffenheim soll wahrscheinlich sein.
Die Bilder des BVB-Spiels:
HSV verliert unglücklich hoch in Dortmund
Papadopoulos gegen Hoffenheim dabei
Schwer verletzt, angeschlagen, verletzt, leicht angeschlagen. Mit dieser Krankenakte müssen Todt und Gisdol im Hinblick auf das Heimspiel gegen Hoffenheim am kommenden Sonnabend leben. Weniger leben können die Verantwortlichen des HSV dagegen mit einem Patienten, der in Dortmund gar nicht dabei war: Johan Djourou. Das medizinische Bulletin des Schweizers hörte sich von Gesprächspartner zu Gesprächspartner in den vergangenen Tagen unterschiedlich an: muskuläre Wehwehchen, Leistenschmerzen oder auch Probleme mit der tieferen Bauchmuskulatur im Schambeinbereich.
Gisdol gab am Dienstagabend einsilbig zu Protokoll: „Hat Schmerzen, kann nicht mit, hat er gesagt.“ Ob es nach dem Abschlusstraining absehbar gewesen sei, wurde der Coach gefragt. „Eigentlich nicht“, so die kurze Antwort, zu der Sportchef Todt auch am Morgen danach nichts mehr hinzufügen wollte: „Ich bedauere, dass Johan in Dortmund nicht helfen konnte.“ Punkt. Mehr wolle er in dieser Angelegenheit nicht sagen.
Gisdol Video PK nach BVB:
Hinter den Kulissen gab es in dieser Angelegenheit allerdings sehr wohl sehr viel mehr zu bereden. Djourou habe die Mannschaft hängen lassen, hieß es. Nicht zum ersten Mal, sondern bereits zum dritten Mal in diesem Jahr. Der Schweizer sei über seine Reservistenrolle beleidigt, verhalte sich extrem unprofessionell. Sogar die Möglichkeit, dass der frühere Kapitän nie wieder für den HSV spiele, soll diskutiert worden sein.
Die von der einen Seite hinter vorgehaltener Hand kolportierte Geschichte wurde – zunächst ebenfalls nur hinter vorgehaltener Hand – von der anderen Seite vehement bestritten. Der gebürtige Ivorer habe schon oft trotz Schmerzen für den HSV gespielt und habe bereits beim Abschlusstraining am Montag Probleme gehabt, diese auch den Physiotherapeuten angezeigt. Über Nacht sei die Verletzung, die er auch schon während der Länderspielpause beim Nationalteam behandeln lassen musste, dann schlimmer geworden.
Djourou schreibt offenen Brief
Vor Gericht würde man wohl von Aussage gegen Aussage sprechen. Nun waren die Parteien zum einen nicht vor Gericht. Und zum anderen gab es überhaupt keine offiziellen Aussagen. Bis zum Abend. Dann wurde Djourou deutlich – ganz ohne vorgehaltener Hand.
„Liebe Fans“, begann der Defensivspieler ganz offensiv seinen offenen Brief bei Instagram, der mit einem Foto aus der erfolgreichen Relegation gegen Karlsruhe garniert war. „Betroffen habe ich von den haltlosen Unterstellungen gegen meine Person erfahren. Lasst mich dazu glasklar und abschließend Stellung beziehen.“
Und Djourou bezog Stellung: „Ich habe immer alles für den HSV gegeben und mich mit dem Club den schwersten Situationen gestellt. Ich bin selbst mit dem Pfeifferischen Drüsenfieber für diesen Club mehrfach aufgelaufen“, schrieb der Nationalspieler, der sich im weiteren Verlauf des Briefes besonders gegen den Vorwurf der mangelnden Professionalität wehrte. „Ich hätte sehr gerne gespielt“, schrieb er.
Es darf wohl als Kuriosität des Fußballs abgetan werden, dass die Zweckgemeinschaft Gisdol/Djourou ein erstes Mal vor genau einer Halbserie und unzähligen Postings bei Instagram, Snapchat, Facebook und Twitter auf eine harte Probe gestellt wurde. Ausgerechnet nach dem Hinspiel gegen Dortmund gab es erstmals öffentliche Differenzen zwischen dem Trainer und dem zu diesem Zeitpunkt Noch-Kapitän.
Hat sich Djourou für sein Interview überhaupt entschuldigt?
Djourou soll den Coach und dessen Taktik nach dem 2:5 kritisiert haben, der reagierte und nahm dem Schweizer die Binde weg. „Wenn ein Trainer denkt, ein Wechsel sei aus bestimmten Gründen nötig, dann habe ich Verständnis dafür. Kein Verständnis habe ich, wenn es um Dinge geht, die jemand – also in diesem Fall ich – gemacht haben soll“, hatte Djourou die ganze Episode vor Kurzem in der „Aargauer Zeitung“ Revue passieren lassen – und damit erneut die Verantwortlichen auf den Plan gebracht.
Es folgte eine offizielle Entschuldigung, die offenbar keine war – und die (nicht ganz so) stille Post rund um das Dortmund-Spiel. Offen bleibt nur, wie die Telenovela ausgeht. „Nun ist das Wichtigste, dass Ruhe einkehrt“, schrieb Djourou zum Ende seines offenen Briefes. Noch ein paar nette Worte, dann die persönliche Verabschiedung: „Ich danke Euch! Grüße, Djo“