Hamburg. Lewis Holtby trifft in der Nachspielzeit zum 2:1-Sieg gegen Köln. Doch die Freude wird von der Verletzung Nicolai Müllers getrübt.

Der HSV hat den 1. FC Köln mit einem Last-Minute-Sieg vorerst ausgebremst und sich aus der Abstiegsregion der Bundesliga gekämpft. Die Hamburger knüpften beim 2:1 (1:1) an ihre starke Form der Vorwochen an und fuhren den sechsten Dreier aus den vergangenen sieben Heimspielen ein. Lewis Holtby (90.+1) traf mit seinem ersten Saisontor zum umjubelten Sieg. Damit verlässt der HSV erstmals seit der 0:8-Klatsche von München wieder die Abstiegsränge und ist vorerst Tabellen-13.

"Wir haben es heute erzwungen", sagte Siegtorschütze Holtby später, "dieser Sieg tut gut und war sehr wichtig." Das fand auch HSV-Sportchef Jens Todt, mahnte aber, die Freude zu zügeln: Schon am Dienstag (20 Uhr) ist der HSV in der englischen Woche bei Borussia Dortmund gefordert.

Der HSV in der Einzelkritik.

Eine Überraschung hatte es bei der Startaufstellung gegeben: Trainer Markus Gisdol ließ Kapitän Gotoku Sakai auf der Ersatzbank. "Er und auch Albin Ekdal haben lange Flüge fürs Nationalteam hinter sich und wirkten beide etwas müde", begründete Gisdol die Maßnahme im Sky-Interview. Für Sakai rutschte Dennis Diekmeier in die Startelf. In Gedenken an den verstorbenen Merchandising-Leiter Timo Kraus lief der HSV mit Trauerflor auf.

Im Hinspiel scheiterte der HSV an Modeste

HSV gegen Köln – da war doch was? Richtig: in der Bundesliga-Hinrunde ging der HSV in Köln mit 0:3 unter, Anthony Modeste brauchte damals nur 25 Minuten, um die Hamburger mit seinem ersten Bundesliga-Hattrick in den Tabellenkeller zu schießen. Einen vierten Treffer vergab der Franzose vom Elfmeterpunkt. Es war der neunte Spieltag, und der HSV hatte ganze zwei Punkte gesammelt.

Fünf Monate später stellte sich die Situation wesentlich freundlicher dar: Seit der 2:5-Niederlage gegen Dortmund sechs Tage nach dem Köln-Debakel hatte der HSV in der Bundesliga kein Heimspiel verloren, fünf der letzten sechs sogar gewonnen.

"Wir haben in den vergangenen Wochen richtig Druck auf die anderen Teams gemacht. Aus dieser Position der aufsteigenden Tendenz heraus wollen wir mit viel Stärke unsere Punkte machen", sagte Trainer Markus Gisdol, der während der Länderspielpause seinen Vertrag bis 2019 verlängert hat. Verzichten musste er gegen die Kölner auf den wieder erstarkten Aaron Hunt, der beim 0:0 in Frankfurt einen Anbruch des Schienbeinköpfchens erlitten hatte.

Die Bilder des Spiels:

HSV gegen Köln – die Bilder des Spiels

Lewis Holtby haute nach seinem Siegtor in der Fankurve auf die Pauke
Lewis Holtby haute nach seinem Siegtor in der Fankurve auf die Pauke © imago/Michael Schwarz | imago sportfotodienst
Zuvor wurde er von seinen Teamkollegen vor Jubel fast erdrückt. Erst von Dennis Diekmeier (M.) ...
Zuvor wurde er von seinen Teamkollegen vor Jubel fast erdrückt. Erst von Dennis Diekmeier (M.) ... © Bongarts/Getty Images | Stuart Franklin
... und dann von Torwart René Adler
... und dann von Torwart René Adler © Bongarts/Getty Images | Stuart Franklin
Mit Kyriakos Papadopoulos legte Lewis Holtby eine Jubelchoreografie hin, die eher nicht nach griechischem Volkstanz aussah
Mit Kyriakos Papadopoulos legte Lewis Holtby eine Jubelchoreografie hin, die eher nicht nach griechischem Volkstanz aussah © Bongarts/Getty Images | Stuart Franklin
Torwarttrainer Stefan Wächter, Sportchef Jens Todt und Chefcoach Markus Gisdol (v. l. n. r.) versetzte der späte Siegtreffer schier in Ekstase
Torwarttrainer Stefan Wächter, Sportchef Jens Todt und Chefcoach Markus Gisdol (v. l. n. r.) versetzte der späte Siegtreffer schier in Ekstase © imago/Michael Schwarz | imago sportfotodienst
Und da war es passiert: Kölns Torwart Timo Horn sah nicht nur unglücklich aus, als er dem Ball auf dem Weg ins Tor nachschaute
Und da war es passiert: Kölns Torwart Timo Horn sah nicht nur unglücklich aus, als er dem Ball auf dem Weg ins Tor nachschaute © WITTERS | TimGroothuis
Lewis Holtby drehte währenddessen jubelnd ab
Lewis Holtby drehte währenddessen jubelnd ab © Witters
Ersatztorwart Christian Mathenia (l.) und Trainer Markus Gisdol feierten mit
Ersatztorwart Christian Mathenia (l.) und Trainer Markus Gisdol feierten mit © Witters
"Papa" musste sich derweil so einiges gefallen lassen © Witters
Athletiktrainer Daniel Müssig (v.l.), Gisdol und CO-Trainer Frank Fröhling beobachten Matchwinner Holtby
Athletiktrainer Daniel Müssig (v.l.), Gisdol und CO-Trainer Frank Fröhling beobachten Matchwinner Holtby © dpa
Dieser genoss das Bad in der Fan-Menge in vollen Zügen
Dieser genoss das Bad in der Fan-Menge in vollen Zügen © Witters
Sogar eine La Ola leierte Holtby an
Sogar eine La Ola leierte Holtby an © Witters
Das ganze Spiel über hatte sich Lewis Holtby richtig reingehängt – so wie hier im Kopfballduell mit Pawel Olkowski (r.)
Das ganze Spiel über hatte sich Lewis Holtby richtig reingehängt – so wie hier im Kopfballduell mit Pawel Olkowski (r.) © WITTERS | ValeriaWitters
Nicolai Müller jubelt über sein frühes Führungstor ...
Nicolai Müller jubelt über sein frühes Führungstor ... © WITTERS | ValeriaWitters
... und die HSV-Fans mit ihm. Das Spiel war mit 57.000 Zuschauern ausverkauft
... und die HSV-Fans mit ihm. Das Spiel war mit 57.000 Zuschauern ausverkauft © WITTERS | ValeriaWitters
René Adler freut sich über das 1:0. Um den HSV-Torwart ranken sich Wechselgerüchte
René Adler freut sich über das 1:0. Um den HSV-Torwart ranken sich Wechselgerüchte © WITTERS | TimGroothuis
Später muss Nicolai Müller, gestützt auf HSV-Mannschaftsarzt Götz Welsch, verletzt vom Feld
Später muss Nicolai Müller, gestützt auf HSV-Mannschaftsarzt Götz Welsch, verletzt vom Feld © WITTERS | TimGroothuis
Milos Jojic (2. v. r.) köpft den Ausgleich
Milos Jojic (2. v. r.) köpft den Ausgleich © imago/Revierfoto | imago sportfotodienst
Milos Jojic (l.) lässt Gideon Jung über die Klinge springen. Für diese Aktion sieht der Kölner zu Recht Gelb
Milos Jojic (l.) lässt Gideon Jung über die Klinge springen. Für diese Aktion sieht der Kölner zu Recht Gelb © Bongarts/Getty Images | Stuart Franklin
Bobby Wood behauptet den Ball gegen Pawel Olkowski
Bobby Wood behauptet den Ball gegen Pawel Olkowski © WITTERS | TimGroothuis
Gideon Jung (l.) versucht Kölns Toptorjäger Anthony Modeste an der Ballkontrolle zu hindern. Im Pokal hatte das gut geklappt
Gideon Jung (l.) versucht Kölns Toptorjäger Anthony Modeste an der Ballkontrolle zu hindern. Im Pokal hatte das gut geklappt © WITTERS | TimGroothuis
Allerdings hätte Modeste in der ersten Minute beinahe per Fallrückzieher getroffen
Allerdings hätte Modeste in der ersten Minute beinahe per Fallrückzieher getroffen © WITTERS | ValeriaWitters
Kyriakos Papadopoulos (l.) war sein Trainingsunfall noch anzusehen. Der HSV-Verteidiger hatte vergangene Woche eine Platzwunde über dem Auge erlitten
Kyriakos Papadopoulos (l.) war sein Trainingsunfall noch anzusehen. Der HSV-Verteidiger hatte vergangene Woche eine Platzwunde über dem Auge erlitten © WITTERS | TimGroothuis
Seiner Kopfballstärke tat die Verletzung keinen Abbruch
Seiner Kopfballstärke tat die Verletzung keinen Abbruch © WITTERS | ValeriaWitters
HSV-Trainer Markus Gisdol (l.) und Sportchef Jens Todt konnten zuletzt mit den Leistungen zufrieden sein
HSV-Trainer Markus Gisdol (l.) und Sportchef Jens Todt konnten zuletzt mit den Leistungen zufrieden sein © WITTERS | TimGroothuis
Die Auswechselspieler Michael Gregoritsch, Gotoku Sakai, Pierre-Michel Lasogga und Albin Ekdal haben auf der Bank ihren Spaß
Die Auswechselspieler Michael Gregoritsch, Gotoku Sakai, Pierre-Michel Lasogga und Albin Ekdal haben auf der Bank ihren Spaß © WITTERS | TimGroothuis
Kölns Trainer Peter Stöger hat trotz angespannter Personallage gut lachen
Kölns Trainer Peter Stöger hat trotz angespannter Personallage gut lachen © WITTERS | TimGroothuis
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Köln mit Personalsorgen

Die Kölner hatten da weit größere Personalsorgen. FC-Trainer Peter Stöger muss den gesperrten Matthias Lehmann sowie die verletzten Leonardo Bittencourt, Marcel Risse, Yuya Osako sowie Ex-HSVer Artjoms Rudnevs ersetzen. Zudem zeigte der Trend beim "Effzeh" eher nach unten: nur eine seiner letzten sechs Ligapartien gewonnen (4:2 gegen Hertha am 18. März) und nur eins der letzten acht Pflichtspiele in der Fremde (6:1 in Darmstadt am 27. Januar).

Im DFB-Pokal hatte der HSV gezeigt, wie es geht: Mit 2:0 besiegten die Hamburger den FC Anfang Februar im Achtelfinale. Und Modeste durfte ganze zwei Schüsse abgeben, keiner ging aufs Tor. Einen Heimsieg gegen die Kölner in beiden nationalen Wettbewerben innerhalb einer Saison hat der HSV vor 42 Jahren schon einmal geschafft: 4:0 in der Liga, 2:1 im Pokal.

Müller trifft früh

Diesmal aber kam der HSV schwer in die Gänge. Doch dann traf in der 13. Spielminute Nicolai Müller aus kurzer Distanz zur Führung – es war der 2900. Bundesligatreffer des HSV. Vor dem Linksschuss hatte sich Stürmer Bobby Wood geschickt durchgetankt und damit den Weg zum Treffer bereitet.

Die Rheinländer reagierten mit Härte, die schnell zwei Gelbe Karten nach sich zog, und wütenden Angriffen auf den Rückstand. Einer führte nach Christian Clemens' feiner Vorarbeit zum zu diesem Zeitpunkt überraschenden Ausgleich. Jojic konnte nahezu ungestört einköpfen. Bis zur Pause war dann zwar fast nur der HSV am Drücker. Doch zwei sehenswerte Kopfbälle des Griechen Kyriakos Papadopoulos (33./34.) und ein Drehschluss von Müller (39.) fanden nicht den Weg ins Tor.

Torschütze muss verletzt raus

Nach dem Wechsel ließ das Niveau, auch bedingt durch mehrere Auswechslungen, auf beiden Seiten deutlich nach. Die Kölner, bei denen Toptorjäger Modeste von der Hamburger Innenverteidigung um den Ex-Kölner Mergim Mavraj und Papadopoulos meist gut abgeschirmt wurde, agierten etwas defensiver, was Hamburgs Offensive Probleme bereitete. Außer einem Schuss des erneut auffälligen Wood, der von der Strafraumgrenze knapp vorbei zielte (49.), war lange Zeit nicht viel zu sehen.

Was auch daran lag, dass Nicolai Müller kurt nach dem Wechsel nach einem heftigen Zusammenprall mit Marco Höger rausmusste (52.), Michael Gregoritsch kam rein. Zu befürchten ist eine Bänderverletzung im linken Knie. Eine Prognose zur Ausfallzeit des Torschützen sei "schwierig", sagte Trainer Markus Gisdol kurz nach dem Abpfiff: "Es sah nicht gut aus. Das ist heute der Wermutstropfen." Nun gelte es, die genauen Untersuchungsergebnisse abzuwarten. Sie sollen am Sonntag folgen.

Holtby trifft in seinem Jubiläumsspiel

Und auch mit verändertem Personal meldete der HSV weiterhin seinen Anspruch auf drei Punkte an, agierte aber meist nicht präzise genug in der gegnerischen Hälfte. Köln zog sich zeitweise zurück und lauerte auf seine Chance per schnellem Umschaltspiel.

In der Schlussphase zog der HSV das Tempo noch einmal an, den Aktionen fehlte es aber an Präzision. Köln verlegte sich auf die Verteidigung des Teilerfolgs, was auch beinahe geglückt wäre. Doch in der Nachspielzeit staubte Holtby in seinem 300. Pflichtspiel als Profi zum kaum noch erwarteten Heimsieg des HSV ab. "Ich habe nur gehofft, dass der Ball zu mir kommt", erzählte Holtby später, "und dann dachte ich: Knall drauf!" Der Rest war ausgelassener Jubel, ganz so als sei der Klassenerhalt schon geschafft.

Nur die Bayern holten in der Rückrunde mehr Punkte

"Was ein emotionales Ende! Man hatte das Gefühl, da brechen alle Dämme", sagte Gisdol später und gestand: "Ich wäre auch mit dem 1:1 zufrieden gewesen." So war er es umso mehr. In der Rückrunde hat seine Mannschaft nun schon 17 Punkte gesammelt, genauso viele wie Leipzig und Dortmund. Nur die Bayern waren in der Zeit erfolgreicher (23).

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Adler zum FC Bayern – nur ein Aprilscherz?

Bliebe noch ein Gerücht, das die "Welt" in selbige gesetzt hatte: Wird Torwart René Adler ("Das war ein glücklicher Sieg") Ersatzmann von Nationaltorwart Manuel Neuer beim FC Bayern?

Zwei Argumente dafür gibt es. Erstens: Adler konnte sich mit dem HSV bislang nicht auf einen neuen Vertrag einigen. Offensichtlich sind beide Seiten uneins über das Gehalt. In München bräuchte Adler auch als Bankdrücker keine finanziellen Einbußen hinzunehmen. Zweitens: Neuers Ersatzmann Sven Ulreich hat zu verstehen gegeben, dass er gern wieder häufiger spielen würde. Er bestreitet an diesem Sonnabend sein erstes Saisonspiel in der Bundesliga.

"Bisher hat sich bei uns niemand gemeldet", sagte HSV-Sportchef Jens Todt im Sky-Interview. Einen Wechsel Adlers wollte er aber nicht ausschließen: "Die Bayern haben immer wieder mal einen erfahrenen Torhüter als zweiten Mann geholt." Adler selbst hatte für das Thema nur ein müdes Lächeln übrig: "Entweder ist es ein Gerücht oder ein Aprilscherz."