Hamburg. Nicht nur Lotto King Karl lobt den neuen Aufsichtsratschef über den grünen Klee. Jetzt muss Peters direkt eine heikle Affäre beackern.
Am Tag, nachdem der HSV erstmals in seiner Geschichte gegen ein früheres Vorstandsmitglied Strafanzeige gestellt hatte, hat Andreas Peters ganz andere Sorgen. Der Aufsichtsratschef muss seine Bahn bekommen. Zu Joachim Hilke, den der HSV in der vergangenen Woche fristlos entlassen hatte und gegen den er am Montag Strafanzeige gestellt hat, will Peters nichts sagen. Fast nichts. Er wolle nur klarstellen, dass es in den Pflichtenbereich des Aufsichtsrates falle, die strafrechtliche Relevanz der der außerordentlichen Kündigung zugrundeliegenden Umstände durch die zuständigen Stellen klären zu lassen. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Wer den gerade erst neu gewählten HSV-Kontrollchef kennt, den dürfte dessen zurückhaltende Aussage wenig überraschen. Es kennt ihn nur kaum jemand. „Es gibt im HSV viele Leute, die sagen: ,Es geht nicht um mich, es geht um den HSV‘. Normalerweise ist das leider immer genau umgekehrt“, sagt einer, der Peters so gut kennt wie kaum ein anderer. „Im Fall von Andreas trifft diese Aussage dagegen voll zu.“
„Ein sehr rationeller, ganz schlauer Mensch“
Engelbert Wichelhausen (70) sitzt im FCA Motor Village an der Automeile Nedderfeld. Es riecht nach Neuwagen. Von 8 bis 19 Uhr werden hier Autos verkauft. Doch an diesem regnerischen Tag wird hier etwas ganz anderes verkauft. „Andreas und ich arbeiten seit zehn Jahren zusammen“, sagt Autoverkäufer Wichelhausen, der auch großer HSV-Fan ist. Mehr noch: Er ist Mitglied und sogar Ehrenrat. „Andreas ist ein sehr rationeller, ganz schlauer, sachbezogener Mensch.“
Wichelhausen schaut den nickenden Kai Esselsgroth (57) an, der mit überschlagenen Beinen mit am Schreibtisch sitzt. „Wenn Andreas was übernimmt, dann macht er das auch richtig.“ Esselsgroth nickt erneut. „Andreas redet niemandem nach dem Mund. Er ist ein unheimlicher Teamplayer“, sagt der Vorsitzende des HSV-Ehrenrats. „Andreas hat eine natürliche Autorität.“
Peters sagt nichts – fast nichts
Andreas Peters also. Ein knappes Stündchen lobpreisen Wichelhausen und Esselsgroth ihren Ehrenratskollegen, der erst vor Kurzem HSV-Kontrolleur wurde, wie einen neuen Geländewagen mit Turbobeschleunigung und gleichzeitigem umweltbewussten Verbrauch. „Andreas ist genial in seiner Ausgeglichenheit“, sagt Wichelhausen, ein Arbeitstier, sagt Esselsgroth. Und je länger man zuhört, desto mehr fragt man sich, warum jener Hochgelobte nicht schon eher Aufsichtsrat wurde.
Gerne würde man diese Frage dem Wirtschaftsanwalt auch ganz direkt stellen, der Mitte Februar für den zurückgetretenen Peter Nogly in den HSV-Aufsichtsrat berufen und nur wenige Tage später direkt zum Kontrollchef gewählt wurde. Von null auf hundert in wenigen Sekunden, würde Autoverkäufer Wichelhausen wohl sagen. Nur Andreas Peters, der sagt öffentlich nichts. Oder besser: fast nichts.
Peters als HSV-untypischer Chefkontrolleur
Aufsichtsratschefs hat es beim HSV zuletzt viele gegeben. Den polternden Karl Gernandt, den polarisierenden Manfred Ertel. Einen umtriebigen Jens Meier. Die gegensätzlichen Ottos (Rieckhoff und Alexander), den nüchternen Horst Becker und natürlich den Grandseigneur Udo Bandow. Doch keiner von ihnen hielt sich derart im Hintergrund auf wie Andreas Peters.
„Für mich war Andreas immer nur der kleine Møf“, sagt einer, der sich so gar nicht im Hintergrund aufhält. Lotto King Karl lacht. Der Stadionsprecher des HSV ging mit Peters und dessen älterem Bruder Matthias zusammen auf das Johanneum in Winterhude. „Matthias’ Spitzname war Møf“, sagt Lotto. „Und nachdem Matthias öfter seinen kleinen Bruder Andreas mitbrachte, war der dann irgendwann der kleine Møf.“
Peters kickte in der Jugend für den HSV
Allzu viele Berührungspunkte gab es zwischen Lotto und dem kleinen Møf nicht, aber natürlich würde er sich an den smarten Kerl, der immer ein bisschen schlauer als die anderen war, noch gut erinnern. „Andreas war kein Partytyp und keine Sportskanone. Er war einfach ein guter Typ“, sagt Lotto. „Er hat sich nie in den Vordergrund gedrängt. Vielleicht tut Andreas dem HSV als Aufsichtsratschef auch deswegen ganz gut.“
Peters’ HSV-Karriere startete früh. Von der F- bis zur C-Jugend spielte der gebürtige Hamburger beim HSV in Norderstedt, seit 2001 ist er Mitglied, seit 2007 Ehrenrat. Esselsgroth und Peters fingen damals gemeinsam im Ehrenrat an. „Nach den ersten drei Monaten haben wir damals sofort gesagt: Andreas ist der Richtige“, erinnert sich Esselsgroth an die schnelle Wahl Peters’ zum Ehrenratsvorsitzenden. „Seitdem hat keiner mehr an seinem Stuhl gekratzt.“
Bruchhagen überlässt Fall Hilke dem Rat
Im Aufsichtsrat ging es nun noch schneller für Peters. Und so schnell, wie der Partner einer renommierten Kanzlei zum Kontrollchef wurde, so schnell musste er sich in neuer Funktion mit einem der vielleicht größten HSV-Skandale beschäftigen: der Hilke-Affäre.
Wann immer man HSV-Chef Heribert Bruchhagen über die Gründe für die fristlose Kündigung des früheren Marketingvorstands und dessen angeblich anrüchige Verbindung zum HSV-Dienstleister Match IQ befragt, betont dieser: „Das ist Aufsichtsratssache.“ Und damit Andreas-Peters-Sache.
Der Volljurist mit Doktortitel hat eine Studie zur Haftung und Regulierung von Rating-Agenturen publiziert, über das Versicherungsvertragsgesetz geschrieben und ein Buch über Stolpersteine beim Unternehmenskauf veröffentlicht. Doch beim HSV muss er sich derzeit vor allem um den Stolperstein Hilke kümmern – darf, will und soll dazu aber öffentlich nichts sagen. Das ist insofern ungewöhnlich, als dass derartige Vorgänge im einstigen Gerüchte-Klatsch-und-Tratsch-Gremium Aufsichtsrat, seinerzeit auch Club der Ahnungslosen, kurz CdA, genannt, früher ganz anders behandelt wurden.
Staatsanwaltschaft bestätigt Eingang der Hilke-Anzeige
„Andreas Peters steht für hohe Professionalität und Ausgeglichenheit“, lobt Vorvorvorvorgänger Alexander Otto, der früher selbst viele Aufsichtsratsschlachten zu schlagen hatte. „Durch seine souveräne Leitung bei den oft turbulenten Mitgliederversammlungen dürfte er bestens erprobt sein für die schwierige Situation im Aufsichtsrat.“
Die schwierige Situation am Dienstagmorgen, an dem die Staatsanwaltschaft die eingehende Strafanzeige bestätigte, hat Peters im Übrigen überstanden: Telefonieren, nichts sagen und dabei auch noch die Bahn erwischen.