Hamburg. Der US-Stürmer begeistert derzeit alle – inklusive seinen neuen Agenten Volker Struth. Das Beraterbeben und seine Folgen.
Die Nachricht, die durchaus Explosionskraft hatte, kam am Montagnachmittag ganz unscheinbar daher. „Welcome to #SportsTotal, @BobbyS_Wood! Wir freuen uns, an Deiner Seite zu sein“, ließ die Berateragentur SportsTotal via Kurznachrichtendienst Twitter kurz nach dem Mittagessen verbreiten. Ein Nachtisch in 140 Zeichen, mehr brauchte die größte, wichtigste und mächtigste Agentur Deutschlands nicht, um die Verpflichtung von Hamburgs derzeit größtem, wichtigsten und wohl auch besten Stürmer Bobby Wood zu verkünden.
Wood wechselt also – aus Hamburger Sicht aber glücklicherweise nur den Spielerberater. Zumindest vorerst. Denn Chef von SportsTotal ist kein Geringerer als Volker Struth, der bis vor Kurzem auch HSV-Investor Klaus-Michael Kühne beriet. Woods Vorgängerberater Robert Schneider, der noch am Vormittag mit dem Abendblatt über die Perspektiven seines Nicht-mehr-Mandanten sprach, wollte sich auf Nachfrage am Nachmittag nicht zu dem Wechsel äußern. Dabei wurde der Beraterwechsel bereits seit Wochen verhandelt, seit vergangenem Donnerstag steht er fest.
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Wood wechselt. Bleibt die bange Frage, ob der US-Amerikaner tatsächlich nur den Berater wechselt? Klar ist, dass Woods herausragende Leistungen in der Rückrunde nicht nur bei Beratern Begehrlichkeiten geweckt haben. Sportchef Jens Todt hatte bereits wenige Minuten nach Woods Siegtreffer gegen Mönchengladbach am Sonntagabend verraten, dass es schon seit Wochen auf der Tribüne nur so von Scouts wimmeln würde.
„Für uns ist das kein Problem, sondern eine Auszeichnung“, sagte Todt, der im Sommer allerdings durchaus ein Problem bekommen könnte. Denn nach Abendblatt-Informationen soll der begehrte Angreifer, der ohnehin nur im Falle des Klassenerhalts zu halten wäre, trotz laufenden Vertrags bis 2020 auf eine Anpassung seines bisherigen Low-Budget-Vertrags hoffen.
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Verkauf eines Leistungsträgers?
„Wenn man mit einem Verein eine Entwicklung machen will, dann ist es unabdingbar, dass Leistungsträger für diese Entwicklung gehalten werden“, sagt Trainer Markus Gisdol am Vormittag, als er noch nichts von dem Beraterwechsel wusste. „Es darf nach kurzer Zeit nicht schon wieder eine Lücke gerissen werden“, sagt der Trainer, der derzeit seine eigene Vertragsverlängerung verhandelt und auf keinen Fall das erleben möchte, was den meisten seiner Vorgänger beim HSV widerfuhr: der Verkauf eines Leistungsträgers.
2015 war es Jonathan Tah, den Gisdol-Vorgänger Bruno Labbadia entgegen seinem Willen für 7,5 Millionen Euro nach Leverkusen ziehen lassen musste. Ein Jahr zuvor war es Hakan Calhanoglu, den Gisdol-Vor-vor-vor-Vorgänger Mirko Slomka für 14,5 Millionen Euro aus seinen Planungen streichen musste. Ebenfalls nach Leverkusen. Und ein Jahr und ein paar Trainer zuvor war es Heung-Min Son, der für das Schmerzensgeld von rund zehn Millionen Euro den HSV verließ. Wohin? Natürlich. Nach Leverkusen.
„Bobby hat sich unglaublich gut entwickelt“
Nun ist es also Wood, der zwar noch nicht in Leverkusen unterschrieb, sehr wohl aber mit seinem Doppelpass zwischen Spielfeld und Verhandlungstisch für Aufsehen sorgt. „Bobby hat sich unglaublich gut entwickelt“, sagt Trainer Gisdol, der zumindest für die Leistungsexplosion auf dem Spielfeld eine simple Erklärung parat hat: „Beim Bobby hat es einfach klick gemacht.“
Die lange Version geht so: „In der Winterpause hatten wir ein sehr eindringliches Gespräch, in dem wir Bobby sehr deutlich gesagt haben, was wir von ihm erwarten“, berichtet Gisdol, der nun, ganz der Fußballlehrer, von Laufarbeit, Pressing und dem Spiel gegen den Ball spricht. „Wir haben Bobby klargemacht, was er machen muss, wenn er als Spieler das nächste Level erreichen will.“ So sei er in der Hinrunde ein „normaler Balleroberer“ gewesen. Und jetzt? „Jetzt ist er richtig gut.“
„Vorne mit unser bester Balljäger“
Derzeit sei er „vorne mit unser bester Balljäger“, schwärmt Gisdol, der sich Einzelkritik und Schwärmereien nur selten erlaubt. „Ich will gar nicht zu lange über den Bobby sprechen“, sagt der Trainer, der sich dann aber doch wieder hinreißen lässt: „Bobby leitet viele Aktionen, die später zu Torchancen werden, selber ein. Er setzt den Gegner permanent unter Druck. So kommt er immer öfter zu Torchancen. Offensiv hat er es vorher schon gut gemacht. Jetzt hat er das Defensive noch obendrauf gepackt.“ Und dann noch ein Satz, der als unmittelbare Forderung auf und auch abseits des Spielfelds verstanden werden darf: „Ich hoffe, dass er demütig bleibt.“
In Internetforen wird Wood, dessen transfermarkt.de-Wert von 3,5 Millionen Euro laut Experten mindestens mal vier genommen werden müsste, bereits als „bester HSV-Stürmer seit Mladen Petric“ gefeiert. „Er ist ja auch gut“, sagt Petric, der echte. Er habe die Partie des HSV gegen Gladbach in seiner Wahlheimat Griechenland im TV verfolgt, berichtet der Kroate. „Es war ja kein Geheimnis, dass Bobby großes Potenzial hat. Aber es ist schon erstaunlich, wie schnell er den Übergang zwischen Zweiter und Erster Liga geschafft hat“, lobt Petric. „Mit seinen schnellen Laufwegen sorgt er ständig für Unruhe, und er hat eine richtig gute Technik.“
Petric galt als Zauberer auf dem Platz
Mit Abstrichen in Sachen Schnelligkeit hat man all das auch Petric nachgesagt, der 38 Tore in 99 HSV-Spielen erzielte. Petric, Spitzname Magier, galt als Zauberer auf dem Platz – und als harter Verhandlungspartner abseits des Rasens. Vier Jahre blieb der Stürmer, der mit seiner Familie in Athen wohnt und derzeit seinen Trainerschein macht, beim HSV – und glaubt man den Verantwortlichen von einst, sollen auch die damaligen Vertragsgespräche ähnlich lange gedauert haben. Vertreten wurde Petric seinerzeit übrigens von: SportsTotal und Wood-Berater Struth.
Der Kreis schließt sich. Oder wie es am Nachmittag auf der Homepage von SportsTotal hieß: „Mit Bobby Wood schließt sich einer der herausragenden Angreifer der Bundesliga der Beratungsagentur mit Sitz in Köln an.“