Knackpunkt war eine Großchance von Ex-HSVer Drmic, die Adler exzellent vereitelte. Drei Hamburger Tore wegen Abseits aberkannt.
Hamburg. Markus Gisdol riss die Arme hoch und schrie seine Erleichterung heraus, auf den Rängen lagen sich die Fans in den Armen: Der HSV bleibt auch im siebten Bundesliga-Heimspiel in Folge ungeschlagen und bezwingt Borussia Mönchengladbach nach großem Kampf mit 2:1 (1:1). Es ist der erste Sieg nach einem Rückstand in dieser Saison – und dazu noch ein ganz wichtiger. In einer intensiv geführten Partie, bei dem das Schiedsrichtergespann um Deniz Aytekin drei HSV-Treffer korrekterweise wegen Abseits aberkannte, drehte Bobby Wood (80.) das Spiel für die Hamburger. Zuvor brachte Andreas Christensen (22.) die Gäste in Führung, ehe Filip Kostic (36.), der für Nicolai Müller (Grippe) in die Startelf rückte, ausglich.
"Wir müssen den Lauf, den wir haben, weiter nutzen", forderte Torhüter René Adler, der die viertbeste Rückrunden-Mannschaft der Liga durch zwei starke Paraden im Spiel hielt, unmittelbar nach der Partie. Seine Kollegen wollten zunächst einmal den Erfolg genießen und hoben Matchwinner Wood, der sich vor Glückwünschen kaum retten konnte, hervor. "Bobby ist eine Granate", sagte Dennis Diekmeier. Kapitän Gotoku Sakai ergänzte: "Krass, wie er da vorne macht." Sportchef Jens Todt freute sich über die positive Mentalität des Teams. "Es ist erfreulich, dass wir so zurückgekommen sind. Ein toller Fight."
HSV gegen Gladbach – die besten Bilder
Durch den Sieg bleibt der HSV zwar auf dem Relegationsplatz, stellt aber den Kontakt zu den Nichtabstiegsplätzen wieder her. Nur noch die schlechtere Tordifferenz trennt die Hamburger (-22) vom rettenden Ufer, wo sich Werder Bremen (-13) als Tabellen-15. befindet. "Das war unser bestes Pressing-Spiel seit meiner Zeit hier", lobte Trainer Gisdol, der mit seinem Team erst vor zwölf Tagen am selben Ort gegen Gladbach (1:2) im Viertelfinale des DFB-Pokals ausgeschieden war.
Sakai-Fehlpass leitet Rückstand ein
Die erste Überraschung gab es schon vor dem Anpfiff: Mavraj-Vertreter Johan Djourou fand sich wider Erwarten auf der Ersatzbank wieder. Obwohl der Schweizer wieder fit war, vertraute Gisdol Aushilfsverteidiger Gideon Jung im Abwehrzentrum an der Seite von Kyriakos Papadopoulos. Dennis Diekmeier und Matthias Ostrzolek komplettierten die Viererkette, Sakai rückte ins Mittelfeld und bildete gemeinsam mit Albin Ekdal die Doppel-Sechs. Der brasilianische 9,2-Millionen-Neuzugang Walace saß 90 Minuten nur auf der Ersatzbank.
Vor 52.501 Zuschauern vergab Papadopoulos (9.) die erste Chance des Spiels, als er nach einer Ecke von Hunt völlig frei zum Abschluss kam, aber rechts am Tor vorbeischoss. Gideon Jung rauschte zudem am zweiten Pfosten haarscharf vorbei. Der HSV suchte ohne großes Risiko sein Heil in der Offensive, doch in Führung gingen die Gäste durch Christensen (22.). Der Däne setzte sich nach einem Freistoß von Linksverteidiger Oscar Wendt im Kopfballduell gegen Gideon Jung durch und nickte den Ball platziert links unten in die Maschen zur Führung für die Gäste. Vorausgegangen war ein haarsträubender Fehlpass von Sakai, wodurch Papadopoulos zu einem taktischen Foul im Halbfeld gezwungen wurde.
Wood- und Holtby-Tor aberkannt
Kurz darauf erzielte Bobby Wood (28.) den vermeintlichen Ausgleich für die Hamburger. Schiedsrichter Aytekin hatte den Treffer zunächst gegeben, ließ sich dann aber doch noch von seinem Linienrichter, der die Fahne nicht gehoben hatte, wegen einer Abseitsstellung von Albin Ekdal nach einem Pass von Lewis Holtby umstimmen. Eine korrekte Entscheidung, die naturgemäß von einem gellenden Pfeifkonzert im Volksparkstadion begleitet wurde. Auch Markus Gisdol winkte an der Seitenlinie nur enttäuscht ab.
Einzelkritik: Adler verdient sich eine Eins mit Sternchen
Knackpunkt des Spiels war wohl der direkte Gegenzug: Ex-HSV-Profi Josip Drmic (29.), der eine Bewährungschance in der Sturmspitze erhielt, hätte den zweiten Gladbacher Treffer erzielen müssen. Exzellent bedient von Mahmoud Dahoud scheiterte der Schweizer aus kurzer Distanz am glänzend reagierenden René Adler. So aber blieb der HSV im Spiel – und am Drücker. Lewis Holtby (35.) überwand Gäste-Keeper Yann Sommer durch einen traumhaften Heber, doch der Spielmacher stand beim Zuspiel von Hunt im Abseits, weshalb der Treffer nicht zählte.
Wenige Sekunden später schlug der Ball erneut hinter Sommer im Netz ein – und diesmal zählte der Treffer von Kostic (36.). Der Serbe übersprang seinen Gegenspieler Nico Elvedi deutlich und traf mithilfe des Innenpfostens per Kopf nach einer butterweichen Flanke von Dennis Diekmeier. Es war seine erste Vorlage nach 62 Ligaspielen ohne Torbeteiligung.
Adler bewahrt HSV vor erneutem Rückstand
Kurz vor der Pause konnte sich der HSV erneut bei René Adler bedanken, dass die Gladbacher, denen die Ausfälle der beiden besten Offensivkräfte Lars Stindl (muskuläre Probleme) und Raffael (grippaler Infekt) anzumerken war, nicht erneut in Führung gingen. Herrmann (44.) lief nach Steilpass von Dahoud alleine auf Adler zu, der seine Mannschaft mit einem starken Reflex im Spiel hielt.
Kommentar: HSV braucht diesmal mehr als nur Glück im Abstiegskampf
Die Elf von Markus Gisdol spielte auch in der zweiten Halbzeit auf Sieg, während Gladbach die Müdigkeit von drei Spielen in acht Tagen anzumerken war. Das Drama um Abseitstore der Hamburger wurde dennoch durch ein weiteres Kapitel erweitert. Aaron Hunt führte eine Ecke kurz aus und erhielt den Ball umgehend von Sakai zurück, als er noch im Abseits stand. Seine punktgenaue Flanke auf den zweiten Pfosten, wo Papadopoulos nur noch einköpfen musste, blieb dadurch ohne Wert.
Unbeirrt vom dritten Abseitstor an diesem Abend drängte der HSV weiter auf das zweite Tor. Zunächst schraubte sich Ekdal nach einer Flanke des erneut sehr agilen Hunt (55.) hoch und köpfte knapp am Tor vorbei, dann scheiterte Sakai (75.) mit einem Flachschuss aus 18 Metern an Sommer. Dass sich der Volkspark doch noch in ein Tollhaus verwandelte, lag an Wood, der bei seinem Treffer seine ganze Klasse unter Beweis stellte. Kostic setzte sich exzellent im Strafraum durch und legte ab für den US-Stürmer, der den am Boden liegenden Jannik Vestergaard düpierte und den Ball überlegt ins Netz wuchtete.
In der Schlussphase hielt der HSV dem Druck der Gäste stand und feierte letztlich einen verdienten Sieg. Für die kommenden Wochen gab Gisdol die Strategie im Abstiegskampf vor. "Wir müssen demütig bleiben, dann schaffen wir es auch und holen die nötigen Punkte."
Die Aufstellungen
HSV: Adler - Diekmeier, Papadopoulos, Gideon Jung, Ostrzolek - Gotoku Sakai, Ekdal - Hunt (90. Lasogga), Holtby (70. Gregoritsch), Kostic (88. Santos) - Wood. - Trainer: Gisdol
Gladbach: Sommer - Elvedi (77. Jantschke), Christensen, Vestergaard, Wendt - Kramer, Strobl - Herrmann (67. Hahn), Dahoud, Hofmann (57. Johnson) - Drmic. - Trainer: Hecking
Schiedsrichter: Deniz Aytekin (Oberasbach)
Tore: 0:1 Christensen (23.), 1:1 Kostic (36.), 2:1 Wood (80.)
Zuschauer: 52.501
Gelbe Karten: Papadopoulos (4) - Strobl (6), Herrmann
Torschüsse: 17:7
Ecken: 8:4
Ballbesitz: 47:53 %