Hamburg. Die fußballerisch verschiedenen Hunt und Kostic kämpfen um einen Stammplatz im linken Mittelfeld. Gegen Gladbach könnten beide spielen.
Wer sich einmal davon überzeugen will, dass die Konkurrenten Filip Kostic und Aaron Hunt vortrefflich miteinander können, sollte ins Stadionrestaurant Die Raute gehen. Dort hängen für alle gut sichtbar hübsche Frontalaufnahmen der HSV-Profis hinter Glas. Und die Porträts der fußballerisch so verschiedenen Hunt (grinsend) und Kostic (lächelnd), die derzeit beide um einen Stammplatz im linken Mittelfeld kämpfen, finden sich ganz friedlich direkt nebeneinander. Vor dem Heimspiel des HSV gegen Borussia Mönchengladbach (So, 17.30 Uhr/Sky und im Liveticker bei abendblatt.de) stellt sich aber für Trainer Markus Gisdol die Entweder-oder-Frage. Hunt? Oder Kostic? Es kann nur einen geben. Zumindest in der Theorie.
„Für uns ist das immer so eine Abwägungssache“, antwortete Gisdol am Freitagmittag auf die Frage, ob im Hinblick auf das Spiel gegen die Mönchengladbacher eher die Form (Vorteil Hunt) oder eher der Matchplan (Vorteil Kostic) den Ausschlag in seinen Überlegungen geben werde.
Hunt und Kostic sind grundverschieden
„So arg unterschiedlich sind die Aufgaben für die Spieler ja nicht – insbesondere in der Arbeit gegen den Ball“, sagte der Fußballlehrer, der seine eigenen Worte mit dem nächsten Satz schon wieder relativierte: „Mit dem Ball hat Aaron natürlich ganz andere Qualitäten als Filip. Die beiden sind eben ganz unterschiedliche Typen.“
Unterschiedlich ist untertrieben. Hunt und Kostic könnten grundverschiedener nicht sein. Der eine (Kostic) ist mit 14 Millionen Euro der teuerste HSV-Neuzugang aller Zeiten und galt noch in der Winterpause als der größte Hoffnungsträger im Abstiegskampf. Der andere (Hunt) galt als Verkaufskandidat und sollte eigentlich lieber heute als morgen den Gehaltsetat entlasten. Der eine (Kostic) kam schwer aus der Winterpause, fiel in ein Formloch und fand sich Anfang März erstmals auf der Bank wieder. Der Gegner vor zehn Tagen im Pokal: Borussia Mönchengladbach. Der andere (Hunt) durfte nach guten Leistungen als Ergänzungsspieler gegen Gladbach überraschend von Anfang an ran, überzeugte und ist plötzlich nicht mehr wegzudenken aus der Startelf.
Natürlich ist es im Fußball das Normalste der Welt, dass sich zwei Spieler um nur einen Platz streiten. Das Besondere an dieser Konstellation ist aber, dass Kostic und Hunt auch in ihrem Profil nicht unterschiedlicher sein könnten. So ist der Serbe ein Spieler, den man vor ein paar Jahrzehnten als waschechten Außenläufer bezeichnet hätte, später als Flügelflitzer. Kein Bundesligaprofi flankt so häufig wie Kostic (86 Flanken/4,3 Flanken pro Spiel). Der 24 Jahre alte Fußballer ist ein mäßiger Passspieler (62,6 Prozent seiner Pässe kommen an), ein lausiger Zweikämpfer (40,9 Prozent gewonnene Duelle), dafür aber ein torgefährlicher Außenspieler: Pro Spiel schießt Kostic 1,5-mal selbst auf das Tor, bereitet zwei Torschüsse vor, hat insgesamt zwei Tore erzielt und zwei Treffer vorbereitet.
Sportchef Todt lobt Aaron Hunts Moral
Wenn man nun diesen ganzen Zahlensalat nimmt und ihn einmal gehörig auf den Kopf stellt, dann landet man bei Hunt. Will man dem Ex-Bremer Böses, dann bezeichnet man ihn als Standfußballer. Will man ihm Gutes, dann kann man hinzufügen, dass er vielleicht noch immer einer der besten Standfußballer der Liga ist. Der 30 Jahre alte Oldie kommt nur auf ein Zehntel der Flanken von Kostic (0,4 pro Spiel), hat dafür eine bessere Passquote (72,6) und viel bessere Zweikampfwerte (52 Prozent gewonnene Duelle). Hunt ist keine Laufmaschine, aber ein Ballverteiler der alten Schule. Sein Problem: Er ist komplett torungefährlich: 0,8 Torschüsse und 0,8 Torschussvorlagen pro Spiel, trotz insgesamt 99 Karrierescorerpunkten gelangen ihm in dieser Saison nur eine Vorlage und zwei Treffer.
„Aarons Spielleistung ist top“, lobte trotzdem kürzlich Sportchef Jens Todt, der besonders von Hunts Einstellung in der Rückrunde beeindruckt ist: „Aaron hat trotz seiner schwierigen Phase nie etwas Negatives ausgestrahlt.“ Dabei machte auch Todt nie einen Hehl daraus, dass der Club Hunt im vergangenen Winter liebend gerne abgegeben hätte, den Topverdiener sogar ohne Ablöse hätte ziehen lassen.
Müller könnte ausfallen
„Aaron ist ein gutes Beispiel dafür, wie schnell es manchmal im Fußball gehen kann“, sagt Gordon Stipic, Hunts Berater. Gerade einmal zwei Monate ist es her, dass Stipic mit dem türkischen Erstligaclub Trabzonspor über eine Ausleihe verhandelte, sich am Ende der Wechselperiode aber nicht auf ein Gehalt einigen konnte. Rund acht Wochen später sieht die Welt wieder ganz anders aus. „Ein Wechsel ist im Moment kein Thema. Fragen Sie mich noch einmal im April“, beantwortet Stipic die Frage nach Hunts mittelfristiger Perspektive.
Im Fußball kommt es aber meistens auf die kurzfristige Perspektive an. Und die könnte statt Hunt oder Kostic plötzlich Hunt und Kostic heißen. Der Grund: Nicolai Müller, der eigentlich auf der rechten Seite gesetzt ist, fehlte auch am Freitag wegen seines Magen-Darm-Infekts. „Bei Müller könnte es eng werden“, glaubt Gisdol, den der mögliche Ausfahl seines Leistungsträgers aber nicht wirklich aus dem Konzept bringt. Er habe ja Alternativen, sagte Gisdol: Zum Beispiel Kostic. Oder Hunt. Oder: Hunt und Kostic.
Es muss ja nicht nur einen geben.
Hamburger SV: Adler – Sakai, Papadopoulos, Djourou, Santos – Ekdal, Jung – Hunt, Holtby, Kostic – Wood. Mönchengladbach: Sommer – Jantschke, Christensen, Vestergaard, Wendt – Kramer, Dahoud – Herrmann, Hofmann – Stindl, Raffael.