Hamburg. Schon einmal hat eine Bayern-Klatsche den Hamburgern einen Knacks versetzt. Die Mannschaft tauchte erst einmal ab.
Für den Spott brauchte der HSV nach dem 0:8-Debakel bei den Bayern nicht zu sorgen. Das Netz quoll von Häme nur so über. Da wurde das vermeintliche neue HSV-Trikot präsentiert – Hauptsponsor After Eight. Die Frage aufgeworfen, wann der Adler endlich unter Artenschutz gestellt werde. Oder nach dem Unterschied zwischen Karstadt und dem HSV gefragt: „Beide total am Ende, aber Karstadt hat die bessere Sportabteilung.“ Als wäre das Spiel nicht Strafe genug gewesen.
Mannschaft geht auf Tauchstation
Der HSV tat das, was man in solchen Fällen wohl am besten tut: Er ging auf Tauchstation. Nichts hören, nichts sehen, nichts sagen. Der größte Teil der Mannschaft zeigte sich erst gar nicht am Sonntagvormittag. Trainiert wurde im Kraftraum im Stadioninneren, um nicht Fans und Journalisten Rede und Antwort stehen zu müssen. Nur eine kleine Gruppe lief weit entfernt von den wenigen Zuschauern. Selbst die Verantwortlichen, die sich sonst am Tag nach Spielen den Fragen der Medien stellen, erschienen diesmal nicht.
Immerhin, es gab auch Trost für den leidgeprüften Rekordverlierer. „Lieber einmal 0:8 als achtmal 0:1“, twitterte Hans Sarpei, der frühere Bundesliga- und jetzige Social-Media-Profi. Ja natürlich. Auf diese Erkenntnis zielte ja auch HSV-Sportchef Jens Todt ab, als er sagte: „Auch in diesem Spiel werden ja nur drei Punkte vergeben.“ So weit, so gut.
Aber einmal abgesehen davon, dass die nun desaströse Tordifferenz von minus 24 – nur Schlusslicht Darmstadt (minus 28) steht noch schlechter da – am Ende so schwer wiegen könnte wie ein verlorener Punkt: Es ist zu befürchten, dass die Niederlage nicht nur in den Windungen des Internets, sondern auch in den Köpfen der Spieler Spuren hinterlässt.
Schon vor zwei Jahren ging der HSV bei den Bayern mit 0:8 unter
Das legt zumindest die jüngere Erfahrung nahe. Schon vor zwei Jahren ging der HSV bei den Bayern mit 0:8 unter. Auch damals war der HSV nach zwei Siegen (gegen Paderborn und Hannover) hoffnungsvoll nach München gereist – und kehrte schwer angeknockt zurück. Der Demütigung folgte damals eine Serie von acht Spielen ohne Sieg bei nur einem einzigen Punktgewinn. Am Saisonende rettete sich der HSV erst am letzten Spieltag in die Relegation – mit dem bekannten glücklichen Ausgang.
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Kommt nach der Klatsche also wieder der Knacks? Nach dem 0:8 ein zweites 0:8 – null Siege, acht Enttäuschungen? Markus Gisdol wollte diesen Gedanken erst gar nicht aufkommen lassen: „Wir müssen schnell einen dicken Strich unter dieses Spiel machen.“ Der Trainer ist jetzt vor allem als Psychologe gefordert. Schon am Mittwoch geht es ja weiter, wenn auch nicht um Punkte, aber vielleicht sogar um mehr: Um 18.30 Uhr (Sky und Abendblatt-Liveticker) spielt der HSV im heimischen Volksparkstadion gegen Borussia Mönchengladbach um den Einzug ins Halbfinale des DFB-Pokals. Die Gladbacher, die am Sonntag mit ihrem Sieg in Ingolstadt den Absturz des HSV auf einen direkten Abstiegsplatz verhinderten, waren schon 2015 der erste Gegner nach der Schmach, damals konnte der HSV immerhin einen Punkt mitnehmen, bevor es sieben Niederlagen setzte.
Ein Erfolg wäre der größte seit Jahren, und er würde sich wie Balsam auf die Wunden legen, die die Bayern ihrem Lieblingsgegner am Sonnabend zugefügt haben. Die Blamage bekäme den Anschein eines Betriebsunfalls. Denn der HSV hatte sich ja zuletzt sehen lassen können. Da war ja nicht nur der 3:0-Sieg beim Tabellenzweiten Leipzig. Da waren auch ein 1:0 gegen Leverkusen und der überzeugende 2:0-Heimsieg im Pokal-Achtelfinale gegen Köln. Da waren Verstärkungen, die wirklich diesen Namen verdienten, allen voran Kyriakos Papadopoulos, dessen Tugenden der HSV in München schmerzlich vermisste.
Die höchsten Niederlagen des HSV
Einer wie er hätte wohl nicht nur staunend zugesehen, wie sich der Rekordmeister ein ums andere Mal in den Hamburger Strafraum kombinierte. Die Worte des dreifachen Torschützen Robert Lewandowski fühlten sich an wie eine Ohrfeige für die HSV-Abwehr: "In der Bundesliga ist es nicht so leicht, Tore zu schießen", sagte der Pole, "heute war es leicht."
„Wir haben mit dem Arsch eingerissen, was wir in den letzten Wochen aufgebaut haben“, schimpfte René Adler. Des Torwarts Jubiläum – es war sein 250. Bundesligaspiel – war eines zum Vergessen. In 16 Bundesligavergleichen mit den Bayern hat er jetzt 50 Tore kassiert und nicht einen Sieg feiern dürfen. Dabei stand beim ersten 0:8 gar nicht er, sondern Jaroslav Drobny im HSV-Tor. „So zu verlieren tut nicht nur weh“, sagte Adler, „es ist unerträglich.“
Todt: "Ein ganz schlimmer Tag"
Todt sprach von "einem schlimmen, einem ganz schlimmen Tag". Aber dann bemühte er sich um eine sachliche Einordnung: „Genauso wenig wie zuletzt alles toll war und wir schon durch waren, ist jetzt alles in Schutt und Asche“, sagte der Sportchef. Es sind eben nur drei Punkte, die zu gewinnen der HSV verpasst hat.
Einkalkuliert hatte sie ohnehin niemand, wo doch der HSV zuvor in München sechsmal verloren hatte, mit sechs anderen Trainern und einer Torbilanz von 3:36. Die bemitleidenswerten HSV-Fans, die das Spiel in der Allianz-Arena erleben mussten, widmeten sich schon früh dem nächsten Ziel. „Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin.“