Walace trifft bei Bundesliga-Debüt. HSV klettert durch den hochverdienten Sieg von den Abstiegsrängen und schafft Historisches.

Leipzig. Viele Fans reiben sich noch immer ihre Augen, aber es ist tatsächlich wahr: Der HSV gewinnt bei RB Leipzig mit 3:0 – in Worten: Drei zu Null! Kyriakos Papadopoulos erzielte die Führung für die Gäste durch einen Kopfball nach einer Ecke von Nicolai Müller (19.), Neuzugang Walace erhöhte wenig später bei seiner Bundesliga-Premiere (24.). Der zweite Treffer war eine Kopie des ersten Streiches. Wieder schlug Müller eine Ecke ins Zentrum, die diesmal der Brasilianer per Kopf zu verwerten wusste. Mit seinem ersten Ballkontakt machte Aaron Hunt kurz vor Schluss das Debakel für die besten Heimelf der Liga perfekt (90.+3).

Der HSV ließ beim hochverdienten Sieg die für ihren Hochgeschwindigkeits-Fußball bekannten Sachsen kaum zur Entfaltung kommen und vergab seinerseits mehrere gute Konterchancen, die sogar einen noch höheren Sieg ermöglicht hätten. "Der Trainer hat die Mannschaft perfekt auf den Gegner eingearbeitet – taktisch hat es heute genau gepasst", lobte Sportchef Jens Todt den Vater des Erfolgs, Markus Gisdol, der aus dem Dauergrinsen gar nicht mehr herauskam. "Die Mannschaft hat sich heute ein Lob verdient. Wir werden den Sieg aber nicht überbewerten", so der Traner.

Zum ersten Mal seit Oktober 2008 gewinnt der HSV wieder drei Pflichtspiele in Folge zu Null und fügt dem Aufsteiger zugleich die erste Heimniederlage in der Bundesliga zu. "Wir wollen in den nächsten Spielen nachlegen, um da unten rauszukommen und den Fans Erfolgserlebnisse zu liefern", sagte Torhüter René Adler und machte damit deutlich, dass die Hamburger den Abstiegskampf weiterhin realistisch einschätzen. "Top Woche, dreimal zu null, drei Siege, genau da machen wir weiter", unterstrich auch Müller, der erstmals in seiner Karriere drei Tore in einem Spiel vorbereitet hat.

Spieler des Spiels war erneut Papadopoulos, der sich in jeden Zweikampf warf und einen weiteren Beleg lieferte, warum ihm die Rückennummer 9 gebührt. "Ich wollte es unbedingt und dann hat es auch geklappt. Das Spiel hat richtig Spaß gemacht", sagte der neue Torjäger beim HSV. Beim Torjubel zeigte Grieche demonstrativ seinen Bizeps. In der Hinrunde war der Innenverteidiger noch an die Sachsen ausgeliehen, wo er sich nicht durchsetzen konnte. In Hamburg hat er sich innerhalb weniger Wochen unverzichtbar gemacht. Bereits im letzten Bundesligaspiel gegen seinen Hauptarbeitgeber Bayer Leverkusen war Papadopoulos der Siegtreffer gelungen.

Gisdol mit vier Änderungen

Vor 42.558 Zuschauern veränderte Gisdol seine Mannschaft im Vergleich zum Pokalerfolg gegen Köln (2:0) auf vier Positionen. Durch die Nominierung von Olympiasieger Walace und weil sich Gideon Jung im defensiven Mittelfeld festgespielt hat, musste Albin Ekdal auf der Ersatzbank Platz nehmen. Für den Schweden eine völlig neue Situation. Bislang war der Stratege immer gesetzt, wenn er fit war. In der Viererkette kehrten Papadopoulos und Matthias Ostrzolek, die unter der Woche im DFB-Pokal geschont wurden, zurück in die Mannschaft. Die laufstarken Nicolai Müller und Lewis Holtby rückten für den kranken Luca Waldschmidt und Aaron Hunt ins Team.

"Sie spielen in der letzten Reihe mit sehr viel Risiko. Wenn wir es schaffen, schnell umzuschalten, können wir sie bedrohen", gab Gisdol vor dem Spiel die Marschroute vor. Die erste Konterchance ergab sich bereits in der Anfangsphase. Nach einer Balleroberung lief Bobby Wood auf zwei RB-Verteidiger zu. Links und rechts schwärmten Nicolai Müller, Lewis Holtby und Filip Kostic aus, wodurch der US-Stürmer gleich drei Anspielstationen bei dieser vielversprechenden Überzahlsituation hatte. Doch sein Pass verunglückte komplett und landete in den Armen von Leipzigs Torwart Péter Gulácsi (8.).

Kostic und Wood vergeben Großchancen

Nach einer knappen Viertelstunde ließ auch die im Vorfeld so hochgejubelte Offensive der Gastgeber erstmals ihr Können aufblitzen. Ausgehend von einem Flüchtigkeitsfehler von Walace machte Emil Forsberg das Spiel schnell und schickte Timo Werner auf Linksaußen. Der HSV stand defensiv in dieser Szene nicht gut geordnet. Einzig Kapitän Gotoku Sakai stellte sich Werner in den Weg, der allerdings leicht verzog (15.).

Die Hamburger ließen sich davon nicht beeindrucken und hätten kurz darauf durch Wood bereits in Führung gehen können. Holtby steckte auf den Angreifer durch, der seinen Körper geschickt einsetzte, um den 18-jährigen Dayot Upamecano abzuschütteln, aber im Eins-gegen-Eins-Duell an Gulácsi scheiterte (18.). Nach dem Doppelschlag durch Papadopoulos und Walace vergab Kostic einen weiteren Tempogegenstoß leichtfertig, als er mehrere besser postierte Mitspieler übersah und es lieber selber machen wollte. Doch sein Schuss von der Strafraumkante zischte haarscharf am rechten Pfosten vorbei (25.).

Poulsen nur wenige Minuten auf dem Platz

Danach stabilisierte sich Leipzig wieder. Marcel Sabitzer leitete die Schlussoffensive der Gastgeber im ersten Durchgang mit einem Weitschuss ein, der knapp über den Querbalken streifte (27.). Trainer Ralph Hasenhüttl sah sich dennoch zu personellen Änderungen gezwungen und reagierte auf den frühen Rückstand. Innenverteidiger Upamecano wirkte bei seinem Startelfdebüt überfordert und musste in Yussuf Poulsen für einen weiteren Stürmer weichen (31.).

Der Däne setzte die Vorgaben seines Coaches auf Anhieb um und hatte mit einem Pfostenschuss aus 14 Metern den Anschlusstreffer auf dem Fuß (35.). Zuvor narrte er die komplette HSV-Defensive im Strafraum. Noch vor der Pause war Poulsens Arbeitstag allerdings schon wieder beendet. Ein Muskelbündelriss bremste den schnellen Angreifer, der sich vor seiner Einwechslung nur wenige Sekunden warm gemacht hatte, aus. Er wurde durch Davie Selke ersetzt, der wirkungslos blieb.

HSV auch nach dem Wechsel souverän

Nach der Pause machte der HSV da weiter, wo er zuvor aufgehört hatte. Vom Anstoß weg suchten die Hanseaten ihr Heil in der Offensive und spielten Holtby im Sechzehner frei, dessen Hereingabe vom glänzend reagierenden Gulácsi geblockt wurde.

Defensiv kompakt stehend brachten die Hamburger die beste Heimelf der Liga auch in den zweiten 45 Minuten zur Verzweiflung. Wenn man dem HSV einen Vorwurf machen konnte, dann, dass die Konter nicht mehr gut ausgespielt wurden. Einige Überzahlsituationen wurden leichtfertig vertändelt, weil die inzwischen sehr hochstehende RB-Verteidigung immer wieder erfolgreich auf Abseits stellte.

Der HSV siegt sensationell in Leipzig:

HSV siegt sensationell mit 3:0 bei RB Leipzig

Gruppenkuscheln beim HSV nach dem unerwarteten 3:0-Erfolg in Leipzig
Gruppenkuscheln beim HSV nach dem unerwarteten 3:0-Erfolg in Leipzig © dpa | Jan Woitas
Mentalitätsmonster Papadopoulos hat mal wieder zugeschlagen
Mentalitätsmonster Papadopoulos hat mal wieder zugeschlagen © dpa | Hendrik Schmidt
„So sehen Sieger aus, schalala“
„So sehen Sieger aus, schalala“ © Bongarts/Getty Images | Boris Streubel
Und noch ein Jubelfoto, weil es so schön ist
Und noch ein Jubelfoto, weil es so schön ist © dpa | Hendrik Schmidt
Auch Markus Gisdol feierte den Sieg ausgelassen
Auch Markus Gisdol feierte den Sieg ausgelassen © Bongarts/Getty Images | Boris Streubel
Papadopoulos zeigte nach seinem Tor gegen Leipzig, wo er in der Hinrunde keine Rolle gespielt hatte, demonstrativ seinen Bizeps
Papadopoulos zeigte nach seinem Tor gegen Leipzig, wo er in der Hinrunde keine Rolle gespielt hatte, demonstrativ seinen Bizeps © dpa | Jan Woitas
Der Grieche traf wie schon gegen Leverkusen per Kopf
Der Grieche traf wie schon gegen Leverkusen per Kopf © REUTERS | HANNIBAL HANSCHKE
Nach einer Müller-Ecke übersprang Papadopoulos Gegenspieler Halstenberg deutlich
Nach einer Müller-Ecke übersprang Papadopoulos Gegenspieler Halstenberg deutlich © Bongarts/Getty Images | Boris Streubel
Beim Jubeln schlug sich
Beim Jubeln schlug sich "Papa" erneut symbolisch auf die HSV-Raute auf seiner Brust © Bongarts/Getty Images | Boris Streubel
Walace feiert seinen Premieren-Treffer für den HSV mit Gideon Jung. Bei seinem ersten Bundesliga-Einsatz erzielte er das 2:0 gegen Leipzig
Walace feiert seinen Premieren-Treffer für den HSV mit Gideon Jung. Bei seinem ersten Bundesliga-Einsatz erzielte er das 2:0 gegen Leipzig © REUTERS | HANNIBAL HANSCHKE
Hamburgs Spieler können es kaum glauben
Hamburgs Spieler können es kaum glauben © dpa | Jan Woitas
Markus Gisdol ist der Vater des momentanen Höhenflugs beim HSV
Markus Gisdol ist der Vater des momentanen Höhenflugs beim HSV © dpa | Jan Woitas
Aber auch Leipzig hatte Chancen wie hier Sabitzer mit seinem Weitschuss
Aber auch Leipzig hatte Chancen wie hier Sabitzer mit seinem Weitschuss © REUTERS | HANNIBAL HANSCHKE
Der Leipziger Yussuf Poulsen verletzte sich kurz nach seiner Einwechslung in der ersten Hälfte
Der Leipziger Yussuf Poulsen verletzte sich kurz nach seiner Einwechslung in der ersten Hälfte © dpa | Jan Woitas
Der HSV lief die Leipzig vor allem in der Anfangsphase intensiv an (hier Matthias Ostrzolek gegen Bernardo)...
Der HSV lief die Leipzig vor allem in der Anfangsphase intensiv an (hier Matthias Ostrzolek gegen Bernardo)... © WITTERS | TimGroothuis
...Oder hier Filip Kostic gegen Bernardo
...Oder hier Filip Kostic gegen Bernardo © WITTERS | TimGroothuis
Papadopoulos warf sich wie gewohnt in jeden Zweikampf und ließ sich auch von Leipzigs Top-Scorer Emil Forsberg nicht düpieren
Papadopoulos warf sich wie gewohnt in jeden Zweikampf und ließ sich auch von Leipzigs Top-Scorer Emil Forsberg nicht düpieren © imago/Jan Huebner
Die Antwort der Leipziger Fans auf die Krawalle von Dortmund
Die Antwort der Leipziger Fans auf die Krawalle von Dortmund © Bongarts/Getty Images | Boris Streubel
Vor dem Anpfiff zündelten HSV-Fans Pyrotechnik im Gästeblock
Vor dem Anpfiff zündelten HSV-Fans Pyrotechnik im Gästeblock © imago/Contrast
Gotoku Sakai im Duell mit Ex-St.-Pauli-Profi Marcel Halstenberg
Gotoku Sakai im Duell mit Ex-St.-Pauli-Profi Marcel Halstenberg © dpa | Jan Woitas
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Diekmeier fast mit erstem Liga-Tor

Während Leipzig vergeblich anrannte und immer wieder an der griechischen Wand Papadopoulos abprallte, vergab Dennis Diekmeier die Vorentscheidung. Wood zog gleich zwei Abwehrspieler auf sich und legte überlegt quer auf den in der Schlussphase für Kostic eingewechselten Diekmeier. Der dienstälteste HSV-Profi hatte nur noch Gulácsi vor sich, zeigte aber Nerven und setzte den Ball an die Latte (86.).

Was Diekmeier, der auch in seinem 169. Bundesligaspiel weiterhin auf sein erstes Tor wartet, versäumte, holte wenig später der ebenfalls neu in die Partie gekommene Hunt nach. Leipzigs Defensive verdiente mittlerweile ihren Namen nicht mehr und hatte sich komplett aufgelöst. Müller konnte daher ohne Gegenwehr durchs Zentrum marschieren und auf Hunt querlegen, der mit seinem ersten Ballkontakt nur noch einschieben musste. "Wir haben gezeigt, dass mit diesem Team alles möglich ist", sagte ein bärenstarker Holtby, der jetzt auch jeden Grashalm in Leipzig kennt.

Leipzig-Fans setzen Zeichen gegen Gewalt

Bereits vor dem Anpfiff setzten die Leipziger Fans nach den Krawallen in Dortmund, bei denen auch Frauen und Kinder angegriffen worden waren, ihrerseits ein Zeichen gegen Gewalt und rollten viele Spruchbänder aus. „Neue Fankultur gegr. 2009“, „Bunt - das sind wir“, „Kampf nur auf dem Platz“, „Leipzig - die neue friedliche Fankultur“, „Im Glashaus wirft man keine Steine - wenn das Tradition ist, wollen wir keine“, „Lieber Freunde mit Kommerz als Krankenhaus und Schmerz“, „Fußball für alle, statt menschenverachtender Krawalle“, stand dort unter anderem zu lesen. Währenddessen zündeten die HSV-Anhänger bengalische Feuer im Gästeblock.

Die Antwort der Leipziger Fans auf die Krawalle von Dortmund
Die Antwort der Leipziger Fans auf die Krawalle von Dortmund © Bongarts/Getty Images | Boris Streubel

In der neunten Minute – entsprechend dem RBL-Gründungsjahr 2009 – sangen die Heim-Fans: „Wir sind Leipzig.“ Zudem hielten sie ein Plakat hoch: „Bei uns sind Gäste gern gesehen – egal, ob Stuttgart, Dortmund oder Bremen.“ Ob die Sachsen den HSV auch nach dem Spiel als gern gesehenen Gast bezeichnen, darf allerdings bezweifelt werden.

Durch den unerwarteten Sieg bei den Bullen klettert der HSV von den Abstiegsrängen und ist nun Tabellen-15 mit 19 Punkten. Das Polster auf den Relegationsplatz beträgt drei Zähler, da Bremen parallel gegen Gladbach (0:1) und Ingolstadt gegen Bayern (0:2) verloren. "Immer Erste Liga – HSV", hallte es deshalb aus dem HSV-Block.

Die Statistik

Leipzig: Gulacsi - Bernardo (71. Schmitz), Orban, Upamecano (31. Poulsen, 43. Selke), Halstenberg - Ilsanker, Demme - Keita, Forsberg - Sabitzer, Timo Werner. - Trainer: Hasenhüttl

HSV: Adler - Gotoku Sakai, Papadopoulos, Mavraj, Ostrzolek - Walace, Gideon Jung - Nicolai Müller, Holtby (90.+1 Ekdal), Kostic (83. Diekmeier) - Wood (90.+2 Hunt). - Trainer: Gisdol

Schiedsrichter: Sascha Stegemann (Niederkassel)

Tore: 0:1 Papadopoulos (18.), 0:2 Walace (24.), 0:3 Hunt (90.+3)

Zuschauer: 42.558 (ausverkauft)

Gelbe Karten: Timo Werner (4), Orban (5) - Papadopoulos (2), Gideon Jung (2)

Torschüsse: 15:11

Ecken: 3:6

Ballbesitz: 63:37 %