Dubai. Der neue HSV-Chef ordnet im fernen Dubai die Clubfinanzen. Diese könnten sich erst im Sommer entspannen – zu Lasten einiger Profis.
Heribert Bruchhagen hat sich schick gemacht. „Glauben Sie ja nicht, dass ich bei diesem Wetter hier jeden Tag im feinen Zwirn herumlaufe“, sagt der HSV-Chef, als er sich am frühen Mittwoch in dunkler Anzughose und blütenweißem Hemd bei 27 Grad im Schatten erstmals das HSV-Training vor Ort anschaut – und dabei am Rand des Platzes ähnlich schwitzt wie die Spieler auf dem Rasen.
Doch Bruchhagen, der nach der Mitgliederversammlung und dem Neujahrsempfang des Abendblatts erst am Vortag angereist war, hat direkt nach dem Training noch einen wichtigen Termin: ein ausführliches Kennenlerngespräch mit den Chefs von Hauptsponsor Emirates in dessen Firmenzentrale – da kommt man nicht in Badelatschen und kurzer Hose.
Als Urlaubsreise in den Süden, so viel steht bereits nach gut 24 Stunden am sonnigen Persischen Golf fest, kann man Bruchhagens Fünf-Tage-Trip ohnehin nicht bezeichnen. „Wir haben viel zu tun“, sagt der neue Vorstandsvorsitzende, der nicht einmal seit drei Wochen im Amt ist. Im fernen Dubai wollen er und Vorstandskollege Frank Wettstein, der bereits am Freitag wieder zurückreist, vor allem den finanziellen Rahmen für die laufende Wintertransferperiode mit Neu-Sportchef Jens Todt umreißen.
Bruchhagen schmeichelt Kühne
Und dabei macht Bruchhagen auch kein Hehl daraus, dass der HSV erneut auf die Hilfe von Investor Klaus-Michael Kühne angewiesen ist. „Was Herr Kühne bisher gemacht hat, ist ein Indiz dafür, dass er den HSV lebt“, sagt der frühere Kritiker Kühnes, der den Milliardär erstmals am Montagvormittag persönlich kennenlernte.
Nach einem kurzen Tête-à-Tête beim Abendblatt-Neujahrsempfang zogen sich Kühne und der HSV-Chef am Nachmittag vor Bruchhagens Flug nach Dubai noch einmal zum längeren Gedankenaustausch in die Firmenzentrale von Kühne & Nagel in der HafenCity zurück.
Bruchhagens Erkenntnis Nummer eins: Kühne habe ein „sehr eindrucksvolles Büro“ mit einem spektakulären Ausblick. Viel wichtiger aber Erkenntnis Nummer zwei: Kühne sei „erstaunlich exzellent über Fußballdetails“ informiert, so Bruchhagen, der ein positives Fazit des Gipfels zieht: „Es war ein sehr inhaltsreiches Gespräch.“
Weg vom Image des Sparfuchses
Bruchhagen wischt sich eine Schweißperle von der Stirn und lässt sich kurz vom Torschusstraining auf dem Rasen ablenken. Seit knapp 40 Jahren ist der 68 Jahre alte Herzblutfunktionär im Amt. Da ist es eine seiner leichtesten Übungen, keine großen Nachfragen aufkommen zu lassen, wenn der frühere Kühne-Kritiker plötzlich zum Kühne-Freund wird.
Doch Bruchhagen ist pragmatisch, deswegen hält er auch nicht viel vom immer wieder transportierten Image des Sparfuchses. Bei Eintracht Frankfurt achtete er stets darauf, dass das Eigenkapital des Vereins im Plusbereich bleibt. „Sparminister ist Blödsinn“, sagt der Vorstandschef, der im Winter nur zu gerne ein paar Kühne-Millionen für Neuzugänge freigeben würde: „Es ist doch selbstverständlich, dass man das Geld, das einem zur Verfügung steht, auch ausgibt. Man muss eben alles dafür tun, um eine spielstarke Mannschaft beisammen zu haben.“
Bruchhagen missfallen die Etats
Doch Bruchhagen wäre nicht Bruchhagen, wenn sich im Laufe des Gesprächs dann nicht doch der sparsame Westfale durchsetzen würde. „Wo sind wir denn gelandet, wenn man sich dafür entschuldigen muss, weil man keine Schulden machen will? Mutige Finanzinstrumente nennen das die Leute ja heute“, sagt er fast ein wenig empört.
So sei der Hamburger Gehaltsetat von mehr als 50 Millionen Euro unangemessen hoch, da gebe es gar kein Vertun. „Bei uns passt vieles nicht zum Tabellenplatz. Beim Lizenzspieleretat liegen wir auf Platz sieben oder acht, im sportlichen Ranking sind wir nur auf Position 16. Das passt nicht zusammen“, sagt Bruchhagen, dem auch der Gesamtetat in Höhe von 62 Millionen Euro deutlich zu hoch ist.
Spareffekt frühestens im Sommer
Sofortmaßnahmen sind allerdings nicht zu erwarten. Bruchhagen, der noch in Hamburg aus den Medien erfahren musste, dass Topverdiener Pierre-Michel Lasogga trotz fehlender Perspektive definitiv bleiben will, sind im Winter die Hände gebunden. Auch beim freigestellten Emir Spahic, der ein Großteil seines Restgehalts von rund einer Million Euro als Abfindung bekommen soll, wird es keinen Spareffekt geben.
Damit ist frühestens im Sommer zu rechnen, wenn eventuelle Vertragsverlängerungen anstehen. So soll sich Ex-Kapitän Johan Djourou einen neuen Club suchen, Torhüter René Adler und der zuletzt formstarke Matthias Ostrzolek müssen mit teilweise drastisch gekürzten Offerten rechnen.
HSV-Bilder aus Dubai:
Seltene Glücksgefühle für den HSV in Dubai
Bruchhagen vermeidet Gisdol-Zeitplan
Auf ein verbessertes Angebot darf beim HSV derzeit nur einer hoffen: Trainer Markus Gisdol, dessen Vertrag ebenfalls im Sommer ausläuft. Der Coach konnte die Tabula rasa der vergangenen Wochen nutzen, um die Mannschaft zu stabilisieren. Einerseits. Und Werbung in eigener Sache zu machen. Andererseits. „Den Trainer unterstütze ich“, sagte auch Milliardär Kühne am Montag. „Er hat klare Vorstellungen. Ich hoffe, dass das Management ihn lässt.“
Das Management lässt. „Wir sind sehr zufrieden mit dem Trainer“, beeilt sich Bruchhagen auch im fernen Dubai zu betonen. Einen Zeitplan für baldige Vertragsgespräche vermeidet der erfahrene Clubchef aber tunlichst. „Ich bin lange genug dabei, um zu wissen, wie das Geschäft läuft. Ich halte überhaupt nichts davon, jetzt zu sagen, wie toll der Trainer ist. Das sind doch alles nur Plattitüden.“
Spricht’s und verabschiedet sich zum Ende des Gesprächs dann doch mit einer Plattitüde: „Letztendlich“, sagt Bruchhagen, „reduziert sich doch sowieso alles nur darauf, dass Herr Gisdol in Ruhe mit seiner Mannschaft arbeiten kann.“