HSV-Vorstand erklärt Finanz-Desaster. Bruchhagen spricht über Transferphilosophie. Schatzmeister mit Spitze gegen die Elphi.
Hamburg. Heribert Bruchhagen wurde laut, er zeigte Herz und Leidenschaft – aber der neue Vorstandschef und Hoffnungsträger des angeschlagenen HSV schonte die Mitglieder des Clubs nicht. „Wir sind in jeder Hinsicht in einer prekären Situation“, sagte der 68-Jährige bei seiner Antrittsrede auf der Mitgliederversammlung am Sonntag – und schwor die Fans auf einen langen Existenzkampf bis zum Mai ein.
„Der Kampf um den Klassenerhalt wird intensiv“, sagte Bruchhagen in seiner ersten großen Rede als Nachfolger des geschassten Dietmar Beiersdorfer. Es werde schwierig, am Ende vor Vereinen wie Darmstadt, Ingolstadt oder Werder Bremen zu stehen.
HSV kalkuliert mit 10 Millionen an Mehreinnahmen
Wenig erfreuliches gab es nicht nur über die sportliche, sondern auch die finanzielle Situation zu berichten. In der Fußball-AG wurde 2015/16 ein Fehlbetrag von rund 200.000 Euro geschrieben. Im Vergleich zu den Vorjahren fiel das Defizit deutlich geringer aus. Grund ist die Bereinigung der Konzernstruktur. Ohne diese hätte der Verlust rund elf Millionen Euro betragen. Der Umsatz betrug 123 Millionen Euro. Die Verbindlichkeiten der HSV Fußball AG belaufen sich auf 75,1 Millionen Euro.
Das unbefriedigende Finanz-Ergebnis sei auf das „schlechte sportliche Abschneiden in den letzten fünf Spielzeiten“ zurückzuführen, sagte Wettstein. Dadurch seien die Hanseaten im TV-Ranking auf Rang 14 abgerutscht, was keinesfalls den hohen Kaderkosten entspreche. „Dieses Missverhältnis ist ein Dilemma und kostet den HSV pro Saison rund zehn Millionen Euro“, sagte der Finanzvorstand.
Auch geringere Transfererlöse hätten zu dem Verlust geführt. Wettstein stellte klar, dass der HSV dank des neuen TV-Vertrags sogar in die Gewinnzone käme, würde er auf Platz 10 landen. „Die finanzielle Konsolidierung stellt eine Herausforderung dar“, gab Wettstein zu. Im Falle eines Klassenerhalts erwarte der HSV in der kommenden Saison knapp 10 Millionen Euro Mehreinnahmen an TV-Erlösen. „Alle unsere Wettbewerber werden ihre Kaderkosten aufgrund des höher dotierten TV-Vertrags erhöhen“, ist sich Wettstein sicher.
Wettstein enthüllt Detail des Kühne-Deals
Im Sommer musste diese Lücke Anteilseigner Klaus-Michael Kühne schließen, der, so teilte HSV-Finanzchef Frank Wettstein mit, den Verein in dieser Saison mit 38 Millionen Euro unterstützt habe. Rückzahlungen seien erst fällig, „wenn der HSV sich dreimal innerhalb von sechs Jahren für das internationale Geschäft qualifiziert.“ Gelingt dies nicht, wovon momentan auszugehen ist, seien keine Rückzahlungen fällig.
Den Deal fädelte Beiersdorfer in seiner zeit als Club-Boss ein. Da der HSV dieses Jahr die Qualifikation für die Champions oder Europa League verpassen wird, müsste er in den kommenden fünf Jahren dreimal am internationalen Wettbewerb teilnehmen, damit Kühne seine Millionen zurückerhält. Ein aktuell schier unvorstellbares Szenario. Darüber hinaus sei man weiterhin auf der Suche „nach einem strategischen Investor“, so Wettstein.
Wettstein fordert mehr von den Spielern
Der Finanzvorstand setzte in seiner Rede auch ein wenig die Mannschaft unter Druck, die mehr liefern müsse. „Die Transfers mithilfe von Herrn Kühne wurden nicht getätigt, um den Status quo zu erhalten, sondern sie sollten eine sportliche Verbesserung bringen.“ Doch diese blieb bekanntlich aus.
Dennoch hat Bruchhagen eine Aufholjagd versprochen. „Wir werden unsere Möglichkeiten in der Rückrunde ausschöpfen und werden alles tun, dass wir auch in der nächsten Saison Bundesliga sind.“Dafür müsse man alles hinten anstellen, damit die Mannschaft in Ruhe agieren könne, sagte Bruchhagen. „Wir brauchen keine Nebenkriegsschauplätze aus Eifersüchteleien oder Eitelkeiten.“
Bruchhagen: HSV ist kein Chaos-Club
Der neue starke Mann widersprach vehement der öffentlichen Darstellung des HSV als Chaos-Club. „Es gibt nicht den Ansatz eines Chaos beim HSV. Dieser Verein funktioniert im Inneren großartig.„Ich werde es nicht zulassen, dass der HSV nur aufgrund der fehlenden sportlichen Leistungen als Chaos-Verein dargestellt wird“, betonte Bruchhagen, der auch einen Einblick in seine Transferphilosophie gewährte.
„Ich bin sehr optimistisch, dass wir die Mannschaft nicht nur verstärken, sondern auch verjüngen, um sie nachhaltig aufzustellen.“ Dennoch seien Transfers – vor allem im Winter – nicht so einfach. Das beträfe auch mögliche Abgänge wie den von Alen Halilovic, der verliehen werden soll.
Bruchhagen auf Abstieg vorbereitet
Bei aller Euphorie der jüngsten Personalentscheidungen hat Bruchhagen aber auch den Blick für die Realität nicht verloren. „Wir müssen auf alles eingestellt sein – auch auf die Eventualitäten des Worst Case (Abstieg; Anm. d. R.). Wolfsburg und Ingolstadt werden zwei Königsspiele.“ Von den anwesenden Mitgliedern erhielt Bruchhagen viel Applaus für seine strukturierte Rede, mit der er die Basis des Vereins abgeholt zu haben scheint.
Mit 381 Mitgliedern fand die Versammlung nur einen mäßigen Zuspruch. Vor zweieinhalb Jahren, als es um die Ausgliederung der Fußball-AG ging, waren mehr als 9700 Mitglieder dem Ruf der Vereinsführung gefolgt. Die Kosten für eine Mitgliederversammlung taxierte die Vereinsführung auf 40.000 Euro. Um das Problem zu entschärfen, stimmten die anwesenden Mitglieder dem Antrag zu, die bislang zweimal pro Jahr einberufene Zusammenkunft auf einen Termin zu reduzieren.
HSV plant Millionen-Projekt in der HafenCity
Ein positives Fazit des abgelaufenen Geschäftsjahres zog der HSV e.V. Der Universalsportverein erwirtschaftete einen Überschuss von rund 277.000 Euro. Nachdem im Vorjahr ein Verlust von 1,8 Millionen Euro registriert worden war, sei jetzt die „Trendwende realisiert“ worden, betonte Schatzmeister Dr. Ralph Hartmann.
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Präsident Jens Meier kündigte eine neue millionenschwere Heimat des HSV-Breitensports in der Hafencity an. Dort soll im SportsDome ein HSV-Fitnessstudio eröffnet werden. Der SportsDome solle zu einem Treffpunkt für alle Mitglieder werden. „Die ersten Gespräche und Planungen laufen“, so Meier.
Die Mitglieder beschlossen mehrheitlich, dass der HSV mit der Stadt Norderstedt über den Verkauf eines Teilgrundstücks der HSV-Sportanlage in der schleswig-holsteinischen Stadt verhandeln soll. Von 130.000 Quadratmetern betrifft das 7000 Quadratmeter. Die Fläche liegt an der Ulzburger Straße. Mit einem möglichen Verkauf soll die Anlage saniert und eine neue Zufahrt für das Arriba-Erlebnisbad gebaut werden.
Schatzmeister mit Spitze gegen Elphi
Unterdessen ließ sich Schatzmeister Dr. Ralph Hartmann eine Spitze gegen die Elbphilharmonie nicht nehmen „Wir sind mit unserem Umkleidehaus in Norderstedt baumäßig voll im Plan (Eröffnung ist für Mai 2017 geplant; Anm. d. Red.). Das ist in Hamburg nicht immer der Fall, deshalb erwähne ich das.“ Gemeint ist das kostspielige Konzerthaus in der HafenCity, das nach mehrmaliger Verzögerung am kommenden Mittwoch eröffnet wird.
Zwar nicht um eine Spitze, aber um Richtigstellung war Meier bemüht. Er dementierte, dass sein Hafen-Job als HPA-Chef unter seinem Engagement beim HSV leide. „Das wird hin und wieder falsch dargestellt – es ist absurd.“
Der Liveticker zum Nachlesen: