Dubai. Der neue Sportchef hat für zwei Jahre unterschrieben und hofft, aus dem HSV „einen ganz normalen Fußballverein“ zu machen.
Viel geschlafen hat Jens Todt in seiner ersten Nacht als HSV-Sportchef nicht. „Aber viel Kaffee getrunken“, sagt der 47 Jahre alte Manager, der sich auch nach dem gemeinsamen Mittagessen mit seiner neuen Mannschaft treu bleibt. Todt bestellt einen doppelten Espresso, lässt sich tief in seinen Sessel auf der Terrasse des luxuriösen Meydan-Hotels fallen. „Man merkt, dass der HSV eine größere Wucht als manch anderer Club entwickeln kann. Es ist was Besonderes, hier Verantwortung zu übernehmen.“
Nun ist also amtlich, was seit Wochen ohnehin jeder weiß: Todt, der in Dubai einen ligaunabhängigen Zweijahresvertrag bis zum 31. Dezember 2018 unterschrieb, ist auch ganz offiziell neuer Sportchef des HSV. „Eigentlich macht es ja Sinn, als Manager im Winter einzusteigen, weil im Idealfall nicht viele Wintertransfers zu tätigen sind“, sagt Todt, der aber ganz genau weiß, dass der HSV, sein HSV, im Hier und Jetzt vom Idealfall ungefähr so weit entfernt ist wie Dubai von Hamburg.
Vor acht Jahren war Todt schon mal beim HSV
Knapp 24 Stunden zuvor, als die letzten Vertragsdetails geregelt waren, war Todt aus dem Familienurlaub aus Singapur („Meinem ersten seit vielen Jahren“) direkt nach Dubai geflogen. Wirklich böse war die Familie, die in Potsdam („Unserer Homebase“) bleibt, dem gebürtigen Niedersachsen nicht. „Überhaupt nicht“, sagt Todt. „Wir kommen ja aus dem Norden. Meine Familie freut sich total.“
So bereitet sich der HSV in der Wüste auf die Rückrunde vor
Hamburg und Todt – da war doch was. Acht Jahre ist es her, dass der dreifache Familienvater schon einmal beim HSV war – und nach Dietmar Beiersdorfers Entlassung 2009 als Nachwuchschef ebenfalls die Brocken hinwarf. „Ich hatte nicht das Gefühl, dass ich noch wirklich gewollt war. Aber über all das habe ich mich längst mit den Verantwortlichen von damals ausgesprochen“, sagt Todt, der damals nicht einmal seine gerade gefundene Wohnung in Altona beziehen konnte.
Subotic und Badstuber bleiben ein Thema
Vergangenheit. In der erneut beiersdorferlosen Gegenwart geht es Todt viel mehr um die Zukunft, um eine bessere Zukunft. „Es gibt viel zu tun“, sagt der Neu-Sportchef, der noch mindestens einen Spieler für das Defensivzentrum verpflichten will. „Wintertransfers sind die schwierigsten“, sagt der Ex-Karlsruher und erklärt: „Natürlich wünscht sich jeder Verein einen Neuzugang, der topfit ist, Deutsch spricht, leicht zu integrieren ist und der alle Spiele der Vorrunde gemacht hat. So eine Eier legende Wollmilchsau findet man nur dummerweise sehr schwierig im Winter.“ Mergim Mavraj (30), den der zum zweiten Mal entlassene Beiersdorfer als letzte Amtshandlung kurz vor Weihnachten verpflichtete, sei so eine Wollmilchsau.
Beim nächsten Kandidaten, sagt Todt, müsse man möglicherweise Kompromisse eingehen. „Vielleicht wird es einer, der aus einer Verletzung kommt, der aber schon relativ weit ist“, sagt der Nachfolger des im April entlassenen Peter Knäbel. Dortmunds Neven Subotic (28), bei dem schon Beiersdorfer anfragte, Bayerns Holger Badstuber (27), den der HSV gerne mieten würde, und Leipzigs Kyriakos Papadopoulos (24), der ebenfalls vorübergehend gehen darf, seien solche Kandidaten. „Da kommt es auf die Feinheiten an. Wenn es absehbar ist, dass ein Spieler das Mannschaftstraining aufnehmen kann, dann will ich das nicht ausschließen.“
Todt kann sich Ausleihgeschäft vorstellen
Doch mit schnellen Sofortverpflichtungen brauche niemand rechnen. Auch nicht mit baldigen Vertragsverlängerungen. Todt wolle sich zunächst einmal einen Überblick über die Mannschaft machen – zudem sei die Anzahl der potenziellen Neuzugänge auch von der Anzahl der potenziellen Abgänge abhängig. „Wir wollen keinen vom Hof schicken. Aber wenn Spieler das Gefühl haben, dass sie zu wenige Einsatzzeiten haben, dann werden sie schon auf mich zukommen“, sagt der Manager, der direkt ein konkretes Beispiel beisteuert. So seien sowohl der bislang glücklose Alen Halilovic als auch dessen Berater vorstellig geworden und hätten das Gespräch gesucht. „Wir wollen da eine vernünftige Lösung finden“, sagt Todt, der sich durchaus ein Ausleihgeschäft vorstellen kann.
Frage, Antwort. Frage, Antwort. Jens Todt kennt das Spielchen. Von der einen Seite. Aber auch von der anderen Seite. Bevor Todt im Management beim HSV, in Wolfsburg, Bochum und Karlsruhe werkelte, hat der redegewandte Sportdirektor auch schon die andere Seite kennengelernt. Bekanntermaßen volontierte Todt beim „Spiegel“, was er auch in seiner neuen Funktion als HSV-Sportchef durchaus nicht missen will.
„Medial ist beim HSV etwas mehr als in Karlsruhe los“, sagt der frühere Journalist, der sich als Hauptziel gesetzt hat, genau das eher früher als später zu ändern. „Der HSV hat zuletzt auch außerhalb des Platzes viele Schlagzeilen produziert. Unser großes Wunsch ist es, dass wir uns jetzt auf unser Kerngeschäft auf dem Platz konzentrieren.“
HSV soll wieder normaler Fußballverein werden
Schon Trainer Markus Gisdol hatte am Vortag betont, dass es an der Zeit wäre, dass der HSV wieder „ein ganz normaler Fußballverein“ werde. Todt überlegt. Ob er etwa hoffe, dass der HSV langweilig wird? Jetzt lacht Todt. „Langeweile kann in manchen Phasen ein hohes Gut sein. Nun wurde bei uns der Resetknopf gedrückt. Das ist vielleicht auch eine Chance.“
Um allzu große Langeweile braucht sich der neue Sportchef ohnehin keine Sorgen zu machen. Ein paar Telefonate am frühen Nachmittag, Mannschaftsbesprechung am späten Nachmittag, Training, Abendessen und die gegenseitige Vorstellung mit dem gesamten Team hinter dem Team.
„Es lässt sich ganz gut an beim HSV“, sagt Todt, der sogar sein erstes Telefonat mit Investor Klaus-Michael Kühne unbeschadet überstanden hat. Zur Erinnerung: Kühne hatte einst Vorvorgänger Oliver Kreuzer als Drittligamanager bezeichnet. „Ich kann nur sagen, dass unser Gespräch sehr gut war“, sagt der einstige Zweitligamanager, der sich nach nicht mal 24 Stunden angekommen fühlt. In Dubai. Beim HSV. Ein wenig auch in der Ersten Liga.