Hamburg . 2009 trat Todt nach Differenzen mit Hoffmann zurück. Mit ihm würde der HSV einen Manager bekommen, der sich mit Krisen auskennt.
Welcher ehemalige Nationalspieler ist das? Er schrieb über Jugendgewalt für „Spiegel Online“. Er saß mit seiner Frau in einer Pizzeria, als der damalige Bundestrainer Berti Vogts anrief und ihn in den Kader für das EM-Finale 1996 berief. Und er sagte nach einer Niederlage gegen den HSV: „Das ist ein Wahnsinn. Man kann nicht so viel essen, wie man kotzen müsste.“
Die Antwort lautet: Todt, Jens Todt. Wichtig für alle HSV-Fans: Denn vieles spricht dafür, dass Todt in Kürze den Job des Sportdirektors antreten wird. Laut „Bild“ hat er bereits einen unterschriftsreifen Vertrag vorliegen.
Streit mit Bernd Hoffmann
Es wäre ein Wiedersehen der ganz besonderen Art. Denn Todt, geboren am 5. Januar 1970 in Hameln, arbeitete bereits vom 1. Juni 2008 bis zum 25. Juni 2009 als Leiter der Nachwuchsabteilung beim HSV. Er trat nach Differenzen mit dem damaligen Vorstandschef Bernd Hoffmann zurück. „Es gab keinen gemeinsamen Kurs mehr“, sagte Todt nach seinem Ausscheiden dem Abendblatt. Hintergrund: Hoffmann hatte die hohen Kosten der Nachwuchsarbeit massiv kritisiert, intern von einer „Geldvernichtungsmaschine“ gesprochen. Todt hielt die Vorwürfe für unberechtigt, es habe gerade in dieser Phase Angebote in Millionenhöhe für HSV-Talente gegeben.
Todt wurde später Leiter der Nachwuchsabteilung beim VfL Wolfsburg, dann Manager beim VfL Bochum, schließlich Sportdirektor beim Karlsruher SC. Dort kam es dann im Juni 2015 zu den legendären Relegations-Duellen gegen den HSV. Im zweiten Duell führte der KSC bis in die Nachspielzeit mit 1:0, die Aufsteiger-Shirts lagen schon auf der Karlsruher Bank. Der Rest ist Clubgeschichte: Schiedsrichter Manuel Gräfe pfiff einen höchst umstrittenen Freistoß, den Marcelo Díaz zum Ausgleich ins Netz jagte. In der Verlängerung siegte der HSV dann mit 2:1, hielt die Klasse. Und Todt war außer sich über die Schiedsrichter-Entscheidung, sein etwas abgewandeltes Zitat des Berliner Malers Max Liebermann machte dann Schlagzeilen.
Todt ist vom KSC freigestellt
Gut 1,5 Jahre später hat sich vieles geändert, manche Protagonisten sind längst Geschichte. Bruno Labbadia, damals als Retter gefeiert, wurde ebenso gefeuert wie Vorstandschef Dietmar Beiersdorfer. Und auch Jens Todt musste auf Karlsruher Seite gehen. Im November stellte der Zweitligist Todt von seinem Amt als Sportdirektor mit sofortiger Wirkung frei. Zuvor hatte Todt ein Gesprächsangebot über eine Verlängerung seines im Juni 2017 auslaufenden Vertrages ausgeschlagen.
Jetzt wäre also der Weg frei für eine Rückkehr zum HSV. Allerdings ist Todt nur freigestellt, Karlsruhe ließ bereits durchblicken, dass man auf eine Ablöse hoffe. Bereits für Vor-Vorgänger Oliver Kreuzer hatte der Verein noch 650.000 Euro an den KSC überwiesen. Kuriosum am Rande: Ausgerechnet Kreuzer beerbte inzwischen wiederum Todt in Karlsruhe.
EM-Medaille wurde ihm gestohlen
Mit Todt würde der HSV auf jeden Fall einen Sportchef bekommen, der überraschende Wechsel nicht scheut. Bei der EM 1996 verfolgte Todt mit seiner damaligen Mannschaft, dem SV Werder Bremen, noch auf der Tribüne den Halbfinal-Sieg über England. Einen Tag später saß er mit seiner Frau in Bremen in einer Pizzeria, als sein Handy schellte. Am anderen Ende der Leitung: Berti Vogts, der Todt die Verletztensituation im Kader schilderte und ihn bat, sofort nach London zu kommen, um als Ersatzspieler zur Verfügung zu stehen. Sein letztes von insgesamt drei Länderspielen hatte Todt ein Jahr zuvor gegen die Schweiz gemacht.
Nach dem Sieg durch das Golden Goal von Oliver Bierhoff im Finale durfte Todt allerdings nicht mit hoch zur Pokalübergabe durch die Königin: „Es war nicht sicher, ob eine Medaille für mich bereitlag. Und den Fauxpas, dass ich da stand, und die Queen keine mehr übrig hatte, wollte man vermeiden.“ Todt blieb auf dem Rasen, bekam dort das Edelmetall: „Leider habe ich sie nicht mehr, da vor einiger Zeit in mein Haus eingebrochen und auch die Medaille gestohlen wurde.“
Todt schrieb über Kriminalität
Nach seiner Karriere, die Todt 2003 in Diensten des VfB Stuttgart nach mehreren schweren Verletzungen beenden musste, verdingte er sich zunächst als Journalist. Nicht im Fußball wie etwa Sport-1-Moderator Thomas Helmer: „Ich wollte das nicht, da ich bei zu vielen Freunden aus der Fußballbranche Beißhemmungen hätte.“ Also schrieb Todt als Redakteur für „Spiegel Online“ über Kriminalität, vor allem über Jugendgewalt in Berlin: „Das war wirklich spannend.“
Ein Sportchef mit reichlich Erfahrung. Im Sport. Und im richtigen Leben. Nicht die schlechtesten Voraussetzungen für die Übernahme eines Amts in einem kriselnden Club.