Hamburg. Gernandts Entscheidung könnte weitreichende Folgen haben. Bruchhagen wird am Vormittag vorgestellt. Bleibt Beiersdorfer als Sportchef?
Die HSV-Führungskrise hat einen neuen Höhepunkt erreicht: Nur zwei Tage, nachdem das Aus für den Vorstandsvorsitzenden Dietmar Beiersdorfer öffentlich wurde, legte Karl Gernandt sein Amt als Aufsichtsratschef nieder. Der 56-Jährige erklärte aber, dass er einfaches Mitglied im Aufsichtsrat bleiben wolle. Die Präsentation des neuen Clubvorsitzenden Heribert Bruchhagen am heutigen Mittwoch übernimmt der stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende Jens Meier.
Als Grund nannte Gernandt gezielte Indiskretionen und egoistisches Verhalten vor allem seiner Aufsichtsratskollegen: „Ich kann und werde nicht die Hauptverantwortung für so ein Verhalten tragen und bin entsetzt, mit welchen Kräften im Verein und im Aufsichtsrat die sportliche und langfristige Weiterentwicklung riskiert wird. Wenn persönliche Motive über professionelles Verhalten gestellt werden, macht dies nachhaltige Führungsarbeit unmöglich.“
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Mit dem Teilrückzug wurde Gernandt jedoch seinen eigenen Prinzipien untreu. In einem Abendblatt-Interview im November hatte Gernandt auf die Frage nach einem Rücktritt geantwortet: „Ich habe noch nie in meinem Leben in irgendeiner Situation aufgegeben. Hinwerfen ist für mich Fahnenflucht und keine akzeptable Lösung.“
Die Gernandt-Entscheidung könnte weitreichende Folgen haben, vor allem finanzielle. Als Präsident des Verwaltungsrats der Kühne Holding AG und Stiftungsrat der Kühne-Stiftung war er in der Vergangenheit stets der wichtige Verbindungsmann zwischen dem Club und dem HSV-Investor.
20 Millionen Euro für Neuverpflichtungen
Laut „Sportbild“ hat Kühne dem neuen Vorsitzenden Bruchhagen zugesagt, im Winter noch einmal 20 Millionen Euro für Neuverpflichtungen bereitzustellen, um die sportliche Krise beenden zu können. Bleibt Kühne seinem Verein treu, wenn sein Mann beim HSV in seiner Macht beschnitten wird?
Am Dienstag wehrte sich Gernandt gegen die Sichtweise, er sei ein Erfüllungsgehilfe Kühnes gewesen, betonte aber: „Sie können sicher sein, dass meine guten Verbindungen zu Herrn Kühne stets zum Wohle des HSV beigetragen haben.“ Und: „Entgegen häufigen und langwährenden Gerüchten hat Herr Kühne keinerlei wirtschaftlich geprägte Interessen am HSV.“
Die Kosten des HSV-Führungspersonals
Wie die neue HSV-Führung im Detail aussehen soll, ist offen. Dass Jens Meier als Präsident des HSV e. V. den Posten des Aufsichtsratsvorsitzenden übernimmt, wäre ein logischer Schritt. Ob er jedoch die Aufgabe neben seiner beruflichen Tätigkeit als Vorsitzender der Geschäftsführung der Hamburg Port Authority (HPA) ausüben kann, ist die nächste offene Frage. Felix Goedhart, ein Vertrauter Gernandts, fungiert derzeit als zweiter Stellvertreter.
Im Vorstand des HSV bleibt es spannend
Auch im Vorstand des Hamburger SV bleibt es spannend. Dem Vernehmen nach soll es sogar Gedankenspiele geben, dass Beiersdorfer unter dem Vorsitzenden Bruchhagen als Sportchef weiterarbeitet. Am Dienstagabend trafen sich der amtierende und der künftige Clubchef zum Meinungsaustausch. Die Mannschaft und der Trainerstab haben sich klar pro Beiersdorfer positioniert und dies auch bei Bruchhagen hinterlegt. Allerdings hatte Beiersdorfer stets ausgeschlossen, nur als Sportchef weiterarbeiten zu wollen. Und auch der Aufsichtsrat kritisierte vor seiner Entscheidung gegen Beiersdorfer besonders fehlenden Erfolg und Stabilität im sportlichen Kerngeschäft.