Hamburg. Der HSV schöpft wieder Hoffnung auf sportlich bessere Zeiten. Diskussionen um die Rote Karte für Lewis Holtby.

Es war verdächtig ruhig am Sonntag im Volkspark. Kaum ein HSV-Spieler ließ sich am Vormittag auf dem Trainingsplatz blicken. Auch Trainer Markus Gisdol war nicht vor Ort und verzichtete auf das übliche Pressegespräch am Tag danach. Man hätte den Eindruck gewinnen können, der HSV wollte sich verstecken. Erst am Abend wurde klar, warum sich die sportliche Leitung zurückgezogen hatte, als das Aus von Clubchef Dietmar Beiersdorfer durchsickerte.

Gisdol selbst hätte genügend Gründe gehabt, den Zuspruch der Fans am Trainingsplatz zu genießen. 232 Tage nach dem Derbysieg gegen Werder Bremen im April hat der HSV am Sonnabend wieder ein Heimspiel gewonnen. Mit dem 1:0 (0:0) gegen den FC Augsburg, dem zweiten Sieg in Serie, verließen die vor Wochen noch abgeschlagenen Hamburger sogar die direkten Abstiegsplätze. So unheimlich still es am Sonntag im Volkspark war, so hoch stieg der Lärmpegel, als Filip Kostic am Sonnabend um 16.54 Uhr das entscheidende Tor erzielt hatte. „So laut habe ich es hier noch nie erlebt“, sagte Michael Gregoritsch. Auch Torschütze Kostic konnte die Stimmung kaum beschreiben. „Das war unglaublich. Wir haben die besten Fans.“

Für den HSV und seine über Monate leidende Anhängerschaft war der leidenschaftlich erkämpfte Heimsieg vor allem eins: Eine große Befreiung. Entsprechend einseitig waren die Emotionen der Profis unmittelbar nach dem Spiel. „Geil“, antwortete Vorbereiter Nicolai Müller auf die Frage nach seiner Gefühlslage. Gregoritsch ließ sich sogar zu der Steigerung „supergeil“ hinreißen. Und auch die Hormone von Verteidiger Dennis Diekmeier spielten verrückt: „Das war einfach ein geiles Spiel.“

Gisdol lässt Emotionen freien Lauf

Der HSV – das ist die Erkenntnis des Wochenendes – lebt noch. Wie groß die Erlösung gewesen sein muss, konnten selbst die Zuschauer im obersten Rang an den Reaktionen von Markus Gisdol erkennen. Der Trainer war nach dem 1:0 im Stile von Bruno Labbadia während der Retter-Wochen 2015 jubelnd über den Platz gesprintet. Nach dem Schlusspfiff riss er die Arme so weit hoch, dass man eine schwere Muskelüberdehnung befürchten musste. Dann schrie Gisdol seine Freude heraus. „Wenn ich da nicht meinen Emotionen freien Lauf lasse, wann dann?“

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Matz ab nach dem Spiel gegen Augsburg

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    Auch für Gisdol war es der erste Sieg als HSV-Trainer im Volksparkstadion. Nachdem der Trainer nach den ersten sieben sieglosen Spielen schon in die Kritik geraten war, ist er nun der große Gewinner. Dem 47-Jährigen ist es gelungen, aus der Hamburger Mannschaft wieder eine echte Einheit zu bilden. Gegen Augsburg schafften es die Spieler, die Fans geschlossen hinter sich zu bringen. „Die Mannschaft hat ihr Herz komplett offen gelegt. Sie hat in jedem Zweikampf alles reingehauen, was sie hatte“, sagte Gisdol. Und das Publikum ging mit. Als der HSV noch während des Spiels die Blitztabelle einblendete, die den Club auf Relegationsrang 16 zeigte, tobte die Menge. Man ist eben dankbar geworden im Volkspark.

    Holtby zweifelt an Rot

    Dass es am Ende zum ersten Heimsieg reichte, war zur Halbzeit noch unklar. Obwohl die Hamburger die Partie kontrollierten, gingen sie in Unterzahl in die Kabine. Was war passiert? Der Augsburger Dominik Kohr hatte den Hamburger Lewis Holtby im Zweikampf zu Boden gerissen und ihn in den Hals gedrückt. Holtby wollte sich befreien, traf dabei mit seinem Ellenbogen seinem Gegner im Gesicht. Schiedsrichter Daniel Siebert entschied nach Rücksprache mit dem vierten Offiziellen auf Rot. „Ich habe mir die Szene 15 Mal angeguckt. Es sieht auf den Bildern schlimmer aus als es war“, sagte Holtby entschuldigend. „Es war niemals meine Intention, ihn zu verletzen. Ich wollte meine Mannschaft nicht im Stich lassen“, sagte Holtby, der zum ersten Mal in seiner Profilaufbahn vom Platz flog.

    Um eine Strafe wird der Hamburger dennoch nicht herum kommen. Sollte das DFB-Sportgericht die Szene als Tätlichkeit werten, droht Holtby sogar eine Sperre von drei Spielen. Am Spielverlauf konnte die Rote Karte allerdings nichts ändern. Auch in Unterzahl spielte der HSV auf Sieg. „Ich bin stolz auf die Mannschaft, dass sie so eine brutal gute Reaktion gezeigt hat“, sagte Holtby.

    Sakai verrät den Rot-Plan

    Trainer Gisdol gelang es, mit einem Plan nach der Halbzeit wieder für Gleichzahl zu sorgen. „Wir wussten, dass die auch ein paar Gelbe Karten hatten“, sagte Kapitän Gotoku Sakai. „Unser Trainer hat uns gesagt, dass wir noch ein paar mehr rausholen sollten.“ Der Plan ging auf. Sakai war es, der den bereits verwarnten Dominik Kohr im Dribbling zu einem weiteren Foul provozierte. Nach der Gelb-Roten Karte für den Augsburger (66.) ging ein Ruck durch das ganze Stadion. Nur zwei Minuten später bebte der Volkspark nach dem Kostic-Treffer.

    HSV besiegt Augsburg nach hitzigem Gefecht

    Filip Kostic (2.v.r.) erzielte das Tor des Tages beim 1:0-Erfolg gegen Augsburg. Der Dank gebührt vor allem Vorlagengeber Nicolai Müller (l.) für seinen unermüdlichen Einsatz
    Filip Kostic (2.v.r.) erzielte das Tor des Tages beim 1:0-Erfolg gegen Augsburg. Der Dank gebührt vor allem Vorlagengeber Nicolai Müller (l.) für seinen unermüdlichen Einsatz © dpa | Axel Heimken
    Die Mannschaft schwört sich vor der richtungsweisenden Partie gegen Augsburg ein
    Die Mannschaft schwört sich vor der richtungsweisenden Partie gegen Augsburg ein © WITTERS | TimGroothuis
    Müller jubelt nach dem Schlusspfiff
    Müller jubelt nach dem Schlusspfiff © WITTERS | TimGroothuis
    Augsburgs Kohr nimmt Holtby in den Schwitzkasten, der befreit sich mit einem Ellenbogenschlag
    Augsburgs Kohr nimmt Holtby in den Schwitzkasten, der befreit sich mit einem Ellenbogenschlag © WITTERS | TimGroothuis
    Holtby sieht sich nicht in der Verantwortung
    Holtby sieht sich nicht in der Verantwortung © imago/Michael Schwarz | imago sportfotodienst
    Schiedsrichter Siebert erteilt dem Blondschopf dennoch den Platzverweis
    Schiedsrichter Siebert erteilt dem Blondschopf dennoch den Platzverweis © imago/Michael Schwarz | imago sportfotodienst
    Erste Chance? Gideon Jung, Dominik Kohr, Michael Gregoritsch und Augsburgs Torwart Marwin Hitz rangeln am Tor
    Erste Chance? Gideon Jung, Dominik Kohr, Michael Gregoritsch und Augsburgs Torwart Marwin Hitz rangeln am Tor © WITTERS | TimGroothuis
    Dominik Kohr kassierte später für seine intensiven Zweikämpfe Gelb-Rot – hier mit Filip Kostic
    Dominik Kohr kassierte später für seine intensiven Zweikämpfe Gelb-Rot – hier mit Filip Kostic © WITTERS | ValeriaWitters
    Die Fans feiern das offensive Spiel der Hamburger
    Die Fans feiern das offensive Spiel der Hamburger © WITTERS | TimGroothuis
    Augsburgs Torwart Marwin Hitz stärkt seine Defensive
    Augsburgs Torwart Marwin Hitz stärkt seine Defensive © WITTERS | TimGroothuis
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    Johan Djourou weiß sich nicht anders zu helfen, bringt Augsburger Max per Grätsche zu Fall und bekommt Gelb – er wird gegen Mainz fehlen © WITTERS | ValeriaWitters
    Der zweite Platzverweis: Schiedsrichter Daniel Siebert schickt Dominik Kohr nach wiederholtem Foulspiel mit Gelb-Rot vom Platz
    Der zweite Platzverweis: Schiedsrichter Daniel Siebert schickt Dominik Kohr nach wiederholtem Foulspiel mit Gelb-Rot vom Platz © WITTERS | ValeriaWitters
    Das grandiose 1:0 vorbereitet durch Nicolai Müller und vollendet von Filip Kostic folgt sogleich
    Das grandiose 1:0 vorbereitet durch Nicolai Müller und vollendet von Filip Kostic folgt sogleich © WITTERS | ValeriaWitters
    Daniel Baier und Lewis Holtby im Zweikampf
    Daniel Baier und Lewis Holtby im Zweikampf © WITTERS | ValeriaWitters
    Augsburgs Martin Hinteregger dirigiert
    Augsburgs Martin Hinteregger dirigiert © WITTERS | TimGroothuis
    HSV-Torwart Christian Mathenia hatte gut zu tun
    HSV-Torwart Christian Mathenia hatte gut zu tun © WITTERS | ValeriaWitters
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    Douglas Santos hat den Ball im Visier © WITTERS | ValeriaWitters
    Schluss! Matthias Ostrzolek und Dennis Diekmeier feiern den ersten Heimsieg der Saison
    Schluss! Matthias Ostrzolek und Dennis Diekmeier feiern den ersten Heimsieg der Saison © WITTERS | TimGroothuis
    Von Frank Froehling und Trainer Markus Gisdol fällt eine Last ab
    Von Frank Froehling und Trainer Markus Gisdol fällt eine Last ab © WITTERS | TimGroothuis
    Die Fans feiern den Sieg nach einem hitzigen Gefecht und die Fans, die das Stadion kochen ließen
    Die Fans feiern den Sieg nach einem hitzigen Gefecht und die Fans, die das Stadion kochen ließen © WITTERS | ValeriaWitters
    Am Ende lächelt einer besonders breit: Trainer Markus Gisdol kann nach dem ersten Saison vergangene Woche in Darmstadt nun auch den ersten Heimsieg mit dem HSV feiern
    Am Ende lächelt einer besonders breit: Trainer Markus Gisdol kann nach dem ersten Saison vergangene Woche in Darmstadt nun auch den ersten Heimsieg mit dem HSV feiern © WITTERS | TimGroothuis
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    Der HSV hat nun innerhalb von einer Woche den Anschluss an die Nichtabstiegsränge wieder hergestellt und hofft auf bessere Zeiten. „Das sollte erst der Anfang sein“, sagte Kostic. „Dieser Club muss einfach besser dastehen als jetzt.“ Dass es rund um den HSV ruhiger wird, ist trotz des sportlichen Aufschwungs nicht zu erwarten. Im Gegenteil. Durch Wechsel an der Clubspitze stehen dem HSV weiterhin stürmische Zeiten bevor.