Hamburg. Der alte und neue Spielführer Johan Djourou nimmt das Team in die Pflicht. Er steht in einer Tradition prominenter HSV-Kapitäne.

Zehn Minuten nach Trainingsbeginn ging Bruno Labbadia gemeinsam mit Johan Djourou auf den Platz. Die Mannschaft des HSV war zu diesem Zeitpunkt bereits beim Warmmachen. Spätestens jetzt ahnten auch die Fans im Volkspark, welchen Hintergrund die Verspätung der beiden hatte. Wenige Minuten später gab es auch der Verein bekannt. Johan Djourou ist auch in der neuen Saison der Kapitän des HSV. Labbadia hatte den Schweizer nach der Wahl des Mannschaftsrats zum Spielführer ernannt.

Als sich das Team dann zum Kreis versammelte, gab es zunächst Applaus für das Geburtstagskind Gideon Jung, dann für den alten und neuen Mannschaftskapitän. „Ich bin glücklich und dankbar, dass ich erneut das Vertrauen erhalten habe“, sagte der 29-Jährige nach dem Training.

HSV wartete als einziger Club mit Kapitänswahl

Für Djourou ist die Wiederwahl keine Überraschung. Der Zeitpunkt, den Trainer Labbadia für die Abstimmung wählte, war allerdings ungewöhnlich. Als einziger Bundesligist ernannte der HSV seinen Kapitän erst nach Beginn der jetzt bereits zwei Wochen laufenden Saison. „Ich wollte, dass die Mannschaft sich richtig kennenlernt“, sagte Labbadia zur Begründung des späten Termins. An der Entscheidung für Djourou hatte der Chefcoach allerdings nie Zweifel. „Joe hat es auch in der vergangenen Saison gut gemacht. Er ist für mich ein wichtiger Ansprechpartner.“

Für Djourou ist die erneute Ernennung zum Spielführer wohl auch gleichbedeutend mit einem Stammplatz in der Innenverteidigung. Zuletzt hatte er in Leverkusen aufgrund einer Zerrung im Oberschenkel gefehlt. Ob er am Sonnabend (15.30 Uhr) im Heimspiel gegen RB Leipzig wieder zur Verfügung steht, ist derzeit noch unklar. An diesem Donnerstag soll Djourou aller Voraussicht nach wieder in das Mannschaftstraining einsteigen. Am Mittwoch testete Labbadia etwas überraschend den nach einem Faserriss gerade erst wieder genesenen Gideon Jung in der Abwehrzentrale, der Brasilianer Cléber spielte zunächst in der B-Elf.

Seeler, Hrubesch, Magath, Kaltz – prominente Vorgänger

Wird Djourou rechtzeitig fit, dürfte er den Vorzug erhalten. Der Verteidiger will in den kommenden Wochen wieder anknüpfen an seine Leistungen vor einem Jahr. In der Hinrunde der vergangenen Saison hatte der Nationalspieler seine beste Zeit, seit er vor drei Jahren zum HSV kam. In der Rückrunde stoppte ihn dann eine Viruserkrankung. „Ich will jetzt wieder Verantwortung übernehmen. Es geht um Erfolg, dafür gehe ich voran“, sagt Djourou, nimmt dafür aber auch die gesamte Mannschaft in die Pflicht. „Wir wollen elf Kapitäne auf dem Platz sein, nicht nur ich alleine.“

Auch für Labbadia geht es jetzt verstärkt darum, eine klare Achse innerhalb der Mannschaft zu bilden. Neben Djourou wurden am Mittwoch Torhüter René Adler, Abwehrchef Emir Spahic, Mittelfeldmann Aaron Hunt sowie als dienstältester HSV-Profi Dennis Diekmeier in den Mannschaftsrat gewählt. Die Verantwortung soll auf mehrere Schultern verteilt werden. Labbadia hatte zuletzt nach der 1:3-Niederlage bei Bayer Leverkusen kritisiert, dass in der Schlussphase zu wenige Spieler auf dem Platz standen, die „den Ball haben wollten“. Insbesondere nach den Auswechslungen. „Da müssen wir uns noch besser entwickeln“, sagte Labbadia.

Auch Sportchef Dietmar Beiersdorfer sieht die Mannschaft in der Pflicht, als geschlossene Gruppe aufzutreten. „Wir müssen als Team Impulse setzen und insgesamt mutiger auftreten“, sagt Beiersdorfer. In den vergangenen Jahren fehlten dem HSV oftmals Spieler, die auf dem Platz in den entscheidenden Momenten Verantwortung übernahmen. Vor zwei Jahren holte Beiersdorfer deswegen den Schweizer Valon Behrami, um der Mannschaft als Leader zu helfen.

Behrami war zwar nicht der Kapitän, übertrieb das Chefgehabe aber vor allem auch außerhalb des Platzes. Rafael van der Vaart, Djourous Vorgänger, konnte der Mannschaft als Kapitän auf dem Platz in seinen letzten zwei Jahren nur noch selten helfen. Heiko Westermann, 2010 bis 2013 Spielführer, stellte sich immer der Verantwortung, war in seinen Leistungen aber zu oft zu schwankend.

Der letzte unumstrittene Kapitän des HSV hieß David Jarolim. Der Tscheche durfte zwischen 2008 und 2010 die Binde tragen – sowohl unter Trainer Martin Jol als auch während Labbadias erster Amtszeit beim HSV. Es war die erfolgreichste Zeit der Hamburger in den vergangenen zehn Jahren. „Für mich war das Amt immer eine große Ehre“, sagte Jarolim am Mittwoch im Gespräch mit dem Abendblatt. „Wir hatten damals viele Persönlichkeiten in der Mannschaft. Jede Persönlichkeit ist anders. Ich habe mich deswegen als Kapitän aber nie verstellt“, sagt Jarolim. Entscheidend sei für ihn immer die Leistung auf dem Platz gewesen. „Ich war nie ein Kapitän, der in der Kabine herumgeschrien hat. Ich wollte der Mannschaft auf dem Platz Halt geben“, so Jarolim.

Auch Djourou, der beim HSV in einer Reihe mit berühmten Kapitänen wie Uwe Seeler, Horst Hrubesch, Felix Magath, Manfred Kaltz oder Thomas von Heesen steht, ist kein Typ, der laut wird. „Meine Aufgabe ist es, Gespräche mit den Trainern und den Spielern zu führen. Wenn ich merke, dass ein junger Spieler meinen Rat braucht oder jemand enttäuscht ist, weil er nicht spielt, suche ich den Dialog“, sagt Djourou.

Redebedarf gibt es beim HSV traditionell genug. Djourou will die Aufgabe meistern. Auf seine ganz eigene Art.

Santos auf dem Weg in die Startelf

Am Sonnabend gegen RB Leipzig könnte Neuzugang Douglas Santos erstmals in der Startelf des HSV stehen. Trainer Bruno Labbadia ließ den Brasilianer, der vor zwei Wochen zum HSV wechselte, am Mittwoch durchgehend in der A-Elf spielen. Der 22-jährige Linksverteidiger kam für 6,5 Millionen Euro von Atlético Mineiro nach Hamburg.

Der HSV bietet seinen Fans eine eigene E-Mail-Adresse an. Gemeinsam mit dem Dienstleister Cityweb stellt der Club eine individuelle E-Mail-Domain mit der Endung @nurderhsv.de zur Verfügung. Der Service soll 3,99 Euro pro Monat kosten und komplett werbefrei sein.

Am Donnerstag trainiert der HSV unter Ausschluss der Öffentlichkeit.