HSV-Boss Beiersdorfer spricht über Transfers, seine Doppelfunktion, die weitere Ausrichtung, Mäzen Kühne und den alten Arbeitgeber RB.

Der HSV-Vorstandsvorsitzende und -Sportchef Dietmar Beiersdorfer hat in dieser Transferperiode für 25 Millionen Euro eingekauft. Die Mannschaft wurde um vier Jahre verjüngt, eine konkrete Zielvorgabe gibt er für den Tabellenzehnten nicht aus. „Ich bin ganz zufrieden mit unserem Kader. Wir haben Geschwindigkeit, Spielfreude und Power dazubekommen“, sagte der 52-Jährige im Interview mit den dpa-Mitarbeitern Britta Körber und Franko Koitzsch.

Frage: Der HSV hat in dieser Transferperiode bisher rund 25 Millionen Euro ausgegeben, war es das oder kommt noch ein namhafter Spieler?

Dietmar Beiersdorfer: Ich will nicht ausschließen, dass noch ein Spieler kommt.

Können Sie nachvollziehen, dass Kollegen wie Bruno Hübner aus Frankfurt neidisch sind, weil Sie einen Gönner wie Klaus-Michael Kühne haben?

Beiersdorfer: Herr Kühne ist großer HSV-Anhänger, Anteilseigner der Fußball AG und natürlich daran interessiert, dass der HSV eine positive Entwicklung nimmt. Er hat uns in der jüngeren Vergangenheit des Öfteren unterstützt. Wir sind froh, so einen Mann an unserer Seite zu haben.

Sehen Sie die Gefahr, von Herrn Kühne abhängig zu werden?

Beiersdorfer: Nein, denn wir haben sehr gute Vereinbarungen mit ihm getroffen. Ansonsten hätten wir unsere Transferaktivitäten viel früher einstellen müssen. Wir haben den Altersdurchschnitt um vier Jahre gesenkt, bewusst Spieler geholt, die ihren Leistungshöhepunkt noch vor sich haben. Damit schaffen wir Werte, die dem HSV zugutekommen.

Mit dem Aufstieg von RB Leipzig kommt ein potenter neuer Club in die Bundesliga, den viele in einigen Jahren als Gegenspieler von Bayern München sehen. Stimmen Sie dem als einstiger Sportlicher Leiter der RB-Vereine zu?

Beiersdorfer: Ich weiß nicht, was in zehn, zwanzig Jahren ist, aber in den nächsten Jahren nicht. Bayern München hat sich in den letzten 25 Jahren unter Uli Hoeneß und später Karl-Heinz Rummenigge zu einem Club der Superlative entwickelt. Vor ein paar Jahren haben sie den Schritt in die internationale Elite auch wirtschaftlich gewagt, obwohl sie da sportlich schon waren. Sie haben einen Riesenvorsprung an Wissen und Werten, auch vor einem High-Potential-Club wie Leipzig.

Viele Manager beklagen, dass der Markt überhitzt ist. Dennoch werden weiterhin horrende Ablösesummen bezahlt. Wie bewerten Sie die Situation und wie verhält sich der HSV?

Beiersdorfer: Das Ganze hat sich extrem entwickelt. Ich habe nicht die Hoffnung, dass sich das wieder abkühlt. Man muss die Chance nutzen, Spieler zu entwickeln und auf den Platz zu bringen. Ein Ausbildungsverein werden wir nicht werden, das ist schwierig. Dafür ist der Club und das mediale Umfeld zu massiv. Hier werden gestandene Spieler in der Lage sein müssen, jungen zur Seite zu stehen, damit sie sich entwickeln. Ein Kindergarten werden wir nie werden können.

Die Doppelbelastung als Vorstandschef und Sportchef nimmt viel Zeit in Anspruch. In Ihrer ersten Amtszeit bekamen sie den Titel „Dukaten-Didi“, weil Sie gut eingekauft und verkauft haben. Haben Sie wieder Blut geleckt als Manager und wollen beide Posten auf unbegrenzte Zeit miteinander verbinden?

Beiersdorfer: Es gibt Modelle, die beides vereinen, auch im Ausland. Für mich zählt erstmal diese Transferperiode. Ich habe ein Team hinter mir. Ab September werden wir intensiver darüber nachdenken, Sichtung und Recruiting neu auszurichten. Wichtig ist es, hundert Prozent den Markt zu kennen, frühzeitig an Spielern dran zu sein und sie zu verfolgen.

Mit Bruno Labbadia konsolidierte sich der HSV in sportlicher Hinsicht. Sein Vertrag läuft nach der Saison aus. Wollen Sie mit ihm langfristig planen?

Beiersdorfer: Wir haben uns zum letzten Jahresende auf ein weiteres Jahr verständigt. Zwischen uns abgesprochen ist, dass wir uns zum Jahresende 2016 wieder hinsetzen und die Zukunft besprechen.

Wie sind die Erwartungen des Bundesliga-Zehnten an die kommende Saison?

Beiersdorfer: Wir wollen während der gesamten Saison im gesicherten Mittelfeld stehen, vielleicht schon mit Tuchfühlung nach oben. Im Vergleich zur Vorsaison wollen wir uns wieder gefühlt, gesehen und in der Tabelle dokumentiert verbessern. Ich bin ganz zufrieden mit unserem Kader. Wir haben Geschwindigkeit, Spielfreude und Power dazubekommen und wollen noch weitere Potenziale in den bereits vorhandenen Spielern heben.

Haben Sie angesichts der nicht geringen Investitionen einen Mehrjahresplan, wann Sie wieder international spielen wollen?

Beiersdorfer: Wir haben in unserer Vision formuliert, dass wir in absehbarer Zeit international wieder dabei sein wollen. Wir sind noch mitten in der Konsolidierung. Wir haben sehr viele Bälle in der Luft, haben überall angefasst im Club, um die Bedingungen zu verbessern, um Leistung zu erhöhen, Erlöse zu steigern und Zukunft zu schaffen. Den Nachwuchs-Campus kann man sich endlich handfest vorstellen. Wenn der fertig ist, schlägt unser Herz komplett im Volkspark.

Wo sehen Sie sich selbst und den HSV in fünf Jahren?

Beiersdorfer: Ich hoffe, dass wir dann sämtliche uns limitierende wirtschaftliche Einschränkungen durch sportliche Ergebnisse hinter uns gelassen haben. Ich habe immer gesagt, so einen massiven Club wieder auf Kurs zu bringen, dauert mehrere Jahre. Das ist ein sehr arbeitsintensives Unterfangen. Es ist dringend erforderlich, dass es stabiler aussieht auf dem Platz.

Haben Sie angesichts ihres Fulltime-Jobs bisher überhaupt etwas von Olympia mitbekommen?

Beiersdorfer: Wenig. Aber wenn es für unsere Beachvolleyballerinnen Laura Ludwig und Kira Walkenhorst sowie unseren Hockeyspieler Tobias Hauke um die Entscheidungen geht, stelle ich mir auch nachts den Wecker.

ZUR PERSON: Dietmar Beiersdorfer (52), ist ein ehemaliger Abwehrspieler, der unter anderem für Werder Bremen, den 1. FC Köln und den Hamburger SV auflief. Bei den Hanseaten erwarb er sich in seiner ersten Amtszeit (2002 - 2009) einen guten Ruf als Sportdirektor. Im Juli 2014 kam er nach Stationen in Salzburg und St. Petersburg als Vorstandsvorsitzender der neuen Fußball AG zurück, im Mai übernahm er zusätzlich den Posten des Sportchefs.