Cagliari. Der Stürmer, der 2015 für 2,5 Millionen Euro nach Hamburg kam, ist das erste Opfer der neuen Millionen-Offensive beim HSV.

Kurz vor der Mittagszeit durften sich die HSV-Profis am Donnerstag über die Sonnenseite des Profilebens freuen. Im wahrsten Sinne des Wortes. 27 Grad Celsius im Schatten, blauer Himmel und die offizielle Erlaubnis vom Trainer, den Nachmittag vor dem Abflug zurück aus Cagliari nach Hamburg am hotelnahen Strand zu verbringen. „Wir wollten einfach mal durchpusten“, sagte Bruno Labbadia, der direkt nach der Vormittags­einheit den Trainingsanzug gegen Shorts und Badelatschen tauschte.

Auch Sven Schipplock hatte sich rasch nach dem Training strandfein gemacht. Schwarze Shorts, schwarzes T-Shirt, eine umgedrehte Kappe, natürlich in Schwarz, und schwarze Badelatschen. Black is beautiful. Nur von der Sonnenseite des Profilebens wollte der Stürmer kurz vor der Abfahrt ans Mittelmeer so gar nichts wissen. „Natürlich mache ich mir meine Gedanken“, sagte der sichtlich enttäuschte Angreifer, der am Abend zuvor erneut keine einzige Minute im Test gegen Cagliari Calcio (1:1) spielen durfte. „Man fragt sich: Setzt der Trainer noch auf mich? Bin ich nur der dritte Stürmer?“

Schipplocks Plan war, zu bleiben und sich durchzubeißen

Die Antworten auf seine Fragen, und genau das dürfte Schipplock am meisten frustrieren, hatte der 27-Jährige längst erhalten: Nein und Ja. Tatsächlich habe er bereits ein Gespräch mit Trainer Labbadia geführt, gab Schipplock auf Nachfrage zu. „Vielleicht hat der Trainer einfach einen anderen Plan. Damit hatte ich nur nicht gerechnet. Mein Plan war, dass ich hierbleibe und mich durchbeiße.“ Der Plan, so viel scheint nun festzustehen, wird nicht aufgehen.

Seit sechs Jahren geht Sven Schipplock in der Bundesliga auf Torejagd. Der VfB Stuttgart, 1899 Hoffenheim und seit einem Jahr der HSV. Vor allem dem formschwankenden Pierre-Michel Lasogga sollte der ehrgeizige Torjäger, den Labbadia bereits aus seiner Zeit in Stuttgart kannte, Konkurrenz machen. „Ein Typ wie Sven ist wichtig für eine Mannschaft“, hatte Labbadia vor ziemlich genau zwölf Monaten gesagt. „Sven gibt immer Vollgas, ist heiß auf Tore und unermüdlich unterwegs.“

Entscheidung nächste Woche

Ein Jahr später ist Schipplock erneut unterwegs. Zunächst nur an diesem Wochenende in die schwäbische Heimat, aber wohl schon bald zu einem neuen Verein. „Ich werde jetzt an den freien Tagen alles in Ruhe mit meiner Familie besprechen. Nächste Woche werde ich eine Entscheidung treffen.“

Drei Anfragen soll Berater Gordon Stipic vorliegen haben, zwei aus der unteren Hälfte der Bundesliga und eine vom englischen Zweitligaclub Queens Park Rangers. Könnte er sich denn einen Wechsel auf die Insel, wo derzeit Fußballer aller Couleur zumindest finanziell auf der Sonnenseite des Lebens sind, vorstellen? „Das alles ist gerade sehr aktuell, ich hatte mich damit jetzt nicht wochenlang beschäftigt“, sagte er. „Die Alternativen habe ich mir noch gar nicht so richtig angehört.“

Fußball ist ein komisches Geschäft. Kaum einer weiß das besser als Schipplock, der schon oft die Schattenseite des Profigeschäfts kennenlernen durfte. In der Jugend aussortiert, beim VfB und in Hoffenheim meistens nur auf der Bank und in Hamburg von Anfang an nicht viel mehr als ein Joker. „Ich war nie das größte Talent“, sagte er mal über sich selbst. Doch der Glaube an die eigene Chance, den wollte der überzeugte Christ nie verlieren.

HSV zahlte 2,5 Millionen Euro für Schipplock

2,5 Millionen Euro investierte der HSV vor genau einem Jahr in den Reutlinger. Schipplock war keine Billiglösung, aber auch kein Königstransfer. Für die sogenannte große Lösung fehlte dem HSV ganz einfach das Geld.

Ein Jahr später ist das Geld plötzlich da – und Schipplock, der in 20 Spielen kein einziges Tor erzielen konnte, schon wieder so gut wie weg. Mit Filip Kostic (14 Millionen Euro), Alen Halilovic (fünf Millionen Euro), Talent Luca Waldschmidt (1,3 Millionen Euro) und dem direkten Schipp­lock-Konkurrent Bobby Wood (3,5 Millionen Euro) hat der durch Milliardär Klaus-Michael Kühne subventionierte HSV allein in die Offensive 23,8 Millionen Euro gesteckt. Geld, so der Eindruck, spielt in diesen Tagen kaum noch eine Rolle. Genauso wenig wie die Überlegungen von vor einem Jahr. Schipplock ist gestern, Kostic-Halilovic-Wood ist heute.

„Ich bin lang genug in diesem Geschäft dabei, um zu wissen, wie es läuft“, sagt Schipplock, der vor allem zu Beginn des Sommers auf einen Neustart beim HSV gehofft hatte. Elf Tore hat er in der Vorbereitung erzielt, Lasogga und Neuzugang Wood kamen zusammen auf nur zwei Treffer. „Ich wollte den Dreikampf annehmen. Aber wenn andere Leute andere Pläne haben, dann muss ich das akzeptieren“, sagt er. Findet sich also ein passender Verein, wird er gehen. Doch bevor es so weit ist, ging es am Mittag erst einmal nur an den Strand. Durchpusten, das Wetter und das Meer genießen. Sardinien, Bella Italia. Die Sonnenseite des Profigeschäfts eben.