Hamburg. Bobby Wood hat eine ungewöhnliche Biografie. Im Abendblatt spricht er über Kalifornien, 1860 und das Wort „Flausen“.
Bobby Wood ist in Hawaii geboren und in Kalifornien aufgewachsen. Warum aber hinter dem Surfer-Strand-und-Sonne-Vorurteil die wahrscheinlich ungewöhnlichste HSV-Karriere steckt, erklärt der Neuzugang im Interview mit dem Abendblatt.
Hamburger Abendblatt: Mister Wood, wie wird ein 14 Jahre alter Hawaiianer, der in Südkalifornien aufgewachsen ist, von einem deutschen Zweitligisten gescoutet?
Bobby Wood: Das war wirklich eine etwas kuriose Geschichte. Mein Trainer in Irvine, Kalifornien, kannte den damaligen Jugendleiter von 1860 München, Ernst Tanner. Die beiden haben dann mir und meinem Kumpel Kova einen zehntägigen Trip nach Germany angeboten, damit wir mal sehen, wie in Europa Fußball gespielt wird. Es war 2006, die WM war gerade gespielt – natürlich hatten wir Lust, nach Deutschland zu fliegen. Und nach zehn Tagen sagten sie uns, wir könnten bleiben.
Was hat Ihre Familie gesagt?
Das war keine einfache Entscheidung. Plötzlich sollte ich neun Zeitzonen entfernt von der Heimat zur Schule gehen. Meine Mutter hat es mir dann trotzdem erlaubt, weil ich unbedingt wollte. In München sollte ich ja zunächst auch nur anderthalb Jahre bleiben.
Daraus wurden bislang neun Jahre ...
Ja. Das hat sich irgendwie immer so ergeben. Wir wohnten zunächst bei einem Freund der Familie. Mein Kumpel Kova ist dann nach anderthalb Jahren tatsächlich wieder zurück nach Kalifornien gegangen. Und auch ich sollte wieder in die Staaten auf die High School. Ich ging aber stattdessen auf die internationale Schule in München, wohnte dann später im 1860-Internat und habe meinen Aufenthalt so Jahr für Jahr um ein weiteres Jahr verlängert. Irgendwann sind neun Jahre daraus geworden.
Dabei soll es Ihnen anfangs gar nicht gefallen haben ...
Das stimmt, es war sehr hart für mich. Deutschland und die USA – das sind schon ganz andere Welten. Aber München und Kalifornien – das sind andere Planeten.
Was genau meinen Sie?
Das ist schwer zu erklären. Es ist einfach ein ganz anderes Lebensgefühl. Mir fehlt manchmal die Leichtigkeit meiner Heimat. Kalifornien, Hawaii, der Strand, das Meer ...
Hier gibt es St. Peter-Ording ...
Ich werde dem Strand dort mal eine Chance geben. (lacht)
Was hat Sie denn angetrieben, so lange durchzuhalten? Das Ziel Profifußball?
Eigentlich war das zu Anfang gar nicht mein Ziel. Ich brauchte eine ganze Weile, bevor ich das Fußballsystem hier überhaupt verstanden habe.
Das verstehen wir jetzt nicht.
In den USA ist es doch so: Man spielt einen Sport in der High School. Und wenn man gut genug ist, dann bekommt man ein Stipendium von einem College. Und die Besten werden dann von den Profivereinen ausgewählt. Dass man schon als Kind von einem Profiverein gescoutet wird, das gibt es in den USA in dieser Form gar nicht. Hier kann man ja schon in der U6 spielen. Und ganz ehrlich: Ich brauchte etwas länger, um so richtig zu verstehen, dass auch 1860 ein Profiverein ist – und dass ich möglicherweise die Chance haben werde, mich dort als Fußballprofi durchzusetzen.
Welches System gefällt Ihnen besser?
Schwer zu sagen. Beide Systeme haben ihre guten und ihre schlechten Seiten. Ich glaube, dass man in Europa sportlich besser ausgebildet wird. Ich bin dankbar für die Chance, die ich hier erhalten habe. Die Nachwuchsleistungszentren in Deutschland sind schon verdammt gut. In den USA ist man durch die Collegeausbildung dagegen abgesichert, falls man den Schritt bis zu den Profis nicht schafft. Dann hat man immerhin eine Ausbildung in der Tasche.
Sie haben darauf verzichtet.
Irgendwann bin ich dann auch dahinter gekommen, wie das Ganze hier in Deutschland funktioniert. (lacht) Ich war dann doch so ehrgeizig, dass ich es unbedingt als Fußball-Ami in Deutschland schaffen wollte. Und das war gar nicht einfach. Mein Sturmkonkurrent im 1860-Nachwuchs war zum Beispiel Kevin Volland. Er war dieses Supertalent, ich war der Ami.
Durchgesetzt haben Sie sich am Ende dann ja beide ...
Ja, auch wenn es bei mir etwas länger gedauert hat. Als es für mich bei 1860 irgendwann nicht mehr so recht voranging, habe ich mich sogar nach Aue ausleihen lassen. Da war ich dann plötzlich: ein Hawaiianer aus Kalifornien, der mitten im Erzgebirge Fußballprofi werden will. Verrückt, oder?
Klingt nach einem Kulturschock.
Es war ein Kulturschock. Ich hatte das Glück, dass ich einen tollen Trainer hatte, einen guten Vereinspräsidenten und zwei sehr gute Freunde in der Mannschaft. Aber einfach war es nicht.
Stimmt es eigentlich, dass Sie nur durch einen Zufall zum Fußball gekommen sind?
Das stimmt tatsächlich. Als Kind wollte meine Mutter, dass ich nach der Schule eine Beschäftigung habe. Sie selbst musste arbeiten. Trotzdem war ihr wichtig, dass ich keine – wie sagt man noch einmal? – Flausen im Kopf habe. Und weil die Mutter meines Kumpel ihn immer zum Fußball brachte, fragte meine Mutter, ob sie auch mich mit zum Fußball mitnehmen könnte.
Und Ihnen hat Soccer dann sofort gefallen?
Ich habe dieses Spiel am Anfang gar nicht verstanden. In den USA spielen ja alle Football, Basketball oder Baseball. Ich ging dann erst einmal ins Tor, da konnte ich nicht so viel falsch machen. Aber irgendwann ist meinem Trainer aufgefallen, dass ich doch irgendwie schneller als die anderen Kids war. Also schickte er mich irgendwann in den Sturm. Und das hat dann ziemlich gut geklappt.
Ziemlich gut klingt ziemlich untertrieben. In der vergangenen Saison haben Sie 17 Zweitligatore erzielt. Mit der Bundesliga wartet nun die nächste Herausforderung ...
.... und die möchte ich unbedingt annehmen. Die letzte Saison war toll. Aber ich will mich nun auch beim HSV durchsetzen. Mein großes Fernziel ist es, mich mit den USA für die WM in Russland zu qualifizieren. In den USA geht es zwar immer um Baseball und Football, aber nach der Copa in diesem Sommer habe ich gemerkt, dass die Leute auch immer mehr Bock auf Fußball bekommen.
Und was macht Ihr Kumpel Kova heutzutage?
Wir haben noch immer sehr regelmäßigen Kontakt. Er hat irgendwann mit Fußball aufgehört, arbeitet jetzt als Künstler in Longbeach. Und das ist völlig okay für ihn. Kalifornien, der Strand, das Meer – ich glaube, es hätte für uns beide schlimmer im Leben kommen können.