Der HSV-Regisseur über die neue Mannschaft, Pfiffe der Fans und seine Sprachlosigkeit. Aaron Hunt: “Die Welt spielt verrückt.“

Längeres Sprechen fällt Aaron Hunt (29) schwer. Zwei Monate nach der operativen Entfernung seiner Mandeln hat der Mittelfeldspieler des HSV noch leichte Nachwirkungen im Hals. Seinen Geschmackssinn hat Hunt fast vollständig zurück – und ein Interview mit dem Abendblatt traut er sich auch schon wieder zu.

Hamburger Abendblatt: Herr Hunt, Sie sind plötzlich nach Emir Spahic und René Adler der Drittälteste im Team. Müssen Sie sich schon die entsprechenden Sprüche der jüngeren Kollegen anhören?

Aaron Hunt: Nein, so weit ist es noch nicht gekommen (lacht).

Hat sich die Hierarchie beim HSV durch die Verjüngung verändert?

Es braucht Zeit, bis sich eine neue Hierarchie in der Mannschaft gebildet hat. Wir haben einen Umbruch hinter uns, ich sehe darin aber auch eine Chance.

Gehören Sie jetzt zu den Wortführern?

Es kommt heutzutage nicht mehr vor, dass ein Team nur noch aus ein oder zwei Wortführern besteht. Die Teamstrukturen haben sich verändert, die Charaktere haben sich verändert. Es sind viel mehr junge Spieler in den Mannschaften. Das war in meinen ersten Profijahren anders. Da war ich oft allein unter den Älteren.

Als junger Spieler machten Sie mit kleineren Eskapaden Schlagzeilen. Haben Sie sich als Persönlichkeit verändert?

Es wäre ja schlimm, wenn ich mich nicht verändert hätte. Ich bin viel ruhiger geworden als früher. Damals hatte ich noch den Teenager in mir, der viel ausprobieren wollte.

Hatten Sie es vor zwölf Jahren leichter als die jungen Spieler von heute, die überall unter Beobachtung stehen?

Definitiv. Egal wo man hingeht, fast jeder zückt sofort sein Handy und ist im Kameramodus. Man muss noch vorsichtiger sein, um nicht in Fettnäpfchen zu treten.

Mit Anfang 20 sind Sie früh Vater geworden. Hat Ihr Sohn Ihnen geholfen, Verantwortung im Leben zu übernehmen?

Auf jeden Fall. Die Rolle als Vater hat mich früher erwachsen gemacht. Ich habe schnell gelernt, viele Sachen mit anderen Augen zu sehen.

Sind Sie politischer geworden? Ihre Frau ist Türkin, Sie sind häufig in der Türkei.

Wir sprechen da sehr viel drüber. Aber es ist ja nicht nur die Türkei. Die Welt spielt im Moment völlig verrückt, zuletzt auch in Deutschland. Es ist traurig, wie viele unschuldige Menschen immer wieder sterben. Da mache ich mir natürlich auch Gedanken drüber.

Haben Sie Angst, wenn Sie sich in der Öffentlichkeit bewegen?

Ich gehe nicht mit Angst durch die Welt. Ich hoffe auch nicht, dass ich mich irgendwann nur mit Angst bewegen kann. Wir Fußballer sind viel unterwegs, an Flughäfen, in Hotels, da denke ich nicht über Gefahren nach. Das ist mein Beruf. Das Leben in der Öffentlichkeit ist normal geworden für mich.

Können Sie Ihre Erfahrung an die Jungen weitergeben? Ist das Ihre neue Rolle?

Ich will zunächst mal sportlich eine andere Rolle ausüben. Das konnte ich in der vergangenen Saison aufgrund der vielen Verletzungen nicht so machen, wie ich mir das vorgestellt habe. Ich will einfach eine bessere Saison spielen. Und natürlich will ich auch unseren jungen Spielern helfen.

Riesenandrang auf pinkfarbene HSV-Trikots

Sie haben sich im Laufe der Jahre vom Stürmer zum Mittelfeldspieler entwickelt. Sind Sie spielerisch reifer geworden oder fehlt Ihnen nun die notwendige Geschwindigkeit?

Nein, das hat sich so entwickelt. Ich setze gerne meine Mitspieler ein. Ich kann der Mannschaft mit meinem Passspiel und meiner Übersicht am meisten helfen. Die Position im Mittelfeld passt am besten zu meinem Stil.

An Ihrem Stil scheiden sich die Kritiker. Lässig und kreativ sagen die einen, überheblich und phlegmatisch sagen die anderen. Was sagen Sie?

Das ist einfach meine Art, die wird sich auch nicht mehr ändern. Sie ist gleichzeitig meine Stärke, manchmal aber auch eine Schwäche. Ich versuche immer, riskant zu spielen. Es wäre aber eine Schwäche, nach zwei misslungenen Pässen damit aufzuhören, nur weil ein paar Leute pfeifen.

Wie schützen Sie sich vor Kritik?

Pfiffe der Zuschauer, zumindest zu einem gewissen Maß, stören mich nicht. Ich lese auch keine Zeitungen mehr. Nichts gegen Sie, aber ich habe damit irgendwann aufgehört, weil mich die Schwarz-Weiß-Berichterstattung genervt hat. Öffentliche Kritik beeinflusst mich nicht. Ich habe das Selbstbewusstsein, weil ich von meinen Qualitäten überzeugt bin.

Die teuersten HSV-Transfers

Walace und Co.: Die teuersten HSV-Transfers

Filip Kostic trägt die Bürde des bislang teuersten Einkaufs der HSV-Geschichte: Nach langen Verhandlungen mit dem VfB Stuttgart wurden im Sommer 2016 für den Serben 14 Millionen Euro plus Boni fällig
Filip Kostic trägt die Bürde des bislang teuersten Einkaufs der HSV-Geschichte: Nach langen Verhandlungen mit dem VfB Stuttgart wurden im Sommer 2016 für den Serben 14 Millionen Euro plus Boni fällig © WITTERS | ValeriaWitters
Ganz hoch hinaus wollte Rafael van der Vaart ab der Saison 2012/13 ein zweites Mal mit dem HSV. Die Rückholaktion des Niederländers von Tottenham ließ sich der Dino rund 13 Millionen Euro plus Boni kosten. Platz zwei für van der Vaart
Ganz hoch hinaus wollte Rafael van der Vaart ab der Saison 2012/13 ein zweites Mal mit dem HSV. Die Rückholaktion des Niederländers von Tottenham ließ sich der Dino rund 13 Millionen Euro plus Boni kosten. Platz zwei für van der Vaart © Witters
2006 konnte der damalige Vorstandsboss Bernd Hoffmann das Abwehrtalent Vincent Kompany im Volkspark begrüßen. 10,5 Millionen Euro (Platz 3) gab der HSV aus. Für den Weiterverkauf kassierte der Verein zwei Jahre später 8,5 Millionen Euro
2006 konnte der damalige Vorstandsboss Bernd Hoffmann das Abwehrtalent Vincent Kompany im Volkspark begrüßen. 10,5 Millionen Euro (Platz 3) gab der HSV aus. Für den Weiterverkauf kassierte der Verein zwei Jahre später 8,5 Millionen Euro © Witters
Der Inbegriff des HSV-Flops: Nach einer starken U21-EM im Sommer 2009 machte der HSV 10 Millionen Euro locker, um Bruno Labbadia Stürmer Marcus Berg (Platz 4) zu bescheren. Der Schwede dankte es mit einem Törchen in zwei Jahren
Der Inbegriff des HSV-Flops: Nach einer starken U21-EM im Sommer 2009 machte der HSV 10 Millionen Euro locker, um Bruno Labbadia Stürmer Marcus Berg (Platz 4) zu bescheren. Der Schwede dankte es mit einem Törchen in zwei Jahren © Witters
Knapp dahinter folgt der Brasilianer Walace, den der HSV im Winter 2017 für 9,2 Millionen Euro von Grêmio Porto Alegre verpflichtete
Knapp dahinter folgt der Brasilianer Walace, den der HSV im Winter 2017 für 9,2 Millionen Euro von Grêmio Porto Alegre verpflichtete © WITTERS | ValeriaWitters
9 Millionen Euro Ablöse im Sommer 2009 konnten Eljero Elia (Platz 6) nicht aufhalten. Der Niederländer machte nach 52 Bundesligaspielen wieder den Abflug
9 Millionen Euro Ablöse im Sommer 2009 konnten Eljero Elia (Platz 6) nicht aufhalten. Der Niederländer machte nach 52 Bundesligaspielen wieder den Abflug © Witters
Thiago Neves (Platz 7) war ein 9 Millionen Euro teures Missverständnis: Der Brasilianer lief ganze sechs Mal für den HSV auf - macht pro Spiel rund 1,5 Millionen Euro
Thiago Neves (Platz 7) war ein 9 Millionen Euro teures Missverständnis: Der Brasilianer lief ganze sechs Mal für den HSV auf - macht pro Spiel rund 1,5 Millionen Euro "Auflaufprämie" © Witters
Kerstin Lasogga gab Hamburg für ihren Sohn Pierre-Michel 2013 erst den Leih-Zuschlag, ein Jahr später dann einen festen Vertrag. 8,5 Millionen Euro wurden dafür fällig, macht Platz 8 für den Angreifer
Kerstin Lasogga gab Hamburg für ihren Sohn Pierre-Michel 2013 erst den Leih-Zuschlag, ein Jahr später dann einen festen Vertrag. 8,5 Millionen Euro wurden dafür fällig, macht Platz 8 für den Angreifer © Imago/Christoph Reichwein
Blutjung, aber schon ganz schön teuer: Marcell Jansen wechselte 2008 als 22-jähriger Nationalspieler an die Elbe. Bayern München erhielt 8 Millionen Euro für den Linksfuß (Platz 9)
Blutjung, aber schon ganz schön teuer: Marcell Jansen wechselte 2008 als 22-jähriger Nationalspieler an die Elbe. Bayern München erhielt 8 Millionen Euro für den Linksfuß (Platz 9) © Witters
Trainer Armin Veh freute sich 2010 über einen neuen Abwehrchef: Heiko Westermann löste der HSV für 7,5 Millionen Euro von Schalke los (Platz 10)
Trainer Armin Veh freute sich 2010 über einen neuen Abwehrchef: Heiko Westermann löste der HSV für 7,5 Millionen Euro von Schalke los (Platz 10) © Witters
Platz 11: Mladen Petric (M., zwischen Trainer Martin Jol und Bernd Hoffmann). Der Kroate kostete 2008 rund 7,3 Millionen Euro. Bei den Fans avancierte der Kroate zum Publikumsliebling
Platz 11: Mladen Petric (M., zwischen Trainer Martin Jol und Bernd Hoffmann). Der Kroate kostete 2008 rund 7,3 Millionen Euro. Bei den Fans avancierte der Kroate zum Publikumsliebling © Witters
Für die Dienste von Linksverteidiger Douglas Santos überwies der HSV im Sommer 2016 6,5 Millionen Euro an Atlético Mineiro. Den 12. Platz teilt sich Santos mit ...
Für die Dienste von Linksverteidiger Douglas Santos überwies der HSV im Sommer 2016 6,5 Millionen Euro an Atlético Mineiro. Den 12. Platz teilt sich Santos mit ... © WITTERS | TayDucLam
Lewis Holtby – der die Bälle für die Bälle dank einer Ablöse von 6,5 Millionen Euro jongliert ...
Lewis Holtby – der die Bälle für die Bälle dank einer Ablöse von 6,5 Millionen Euro jongliert ... © Witters
... mit Mohamed Zidan – der sich hier wohl auch fragen dürfte, wo die ganzen Millionen wohl hin sind. Die Bilanz des Ägypters in Hamburg: 21 Spiele, zwei Tore
... mit Mohamed Zidan – der sich hier wohl auch fragen dürfte, wo die ganzen Millionen wohl hin sind. Die Bilanz des Ägypters in Hamburg: 21 Spiele, zwei Tore © Witters
... sowie mit Kyriakos Papadopoulos, der im Winter 2017 zunächst auf Leihbasis kam und anschließend für 6,5 Millionen Euro fest von Bayer Leverkusen verpflichtet wurde
... sowie mit Kyriakos Papadopoulos, der im Winter 2017 zunächst auf Leihbasis kam und anschließend für 6,5 Millionen Euro fest von Bayer Leverkusen verpflichtet wurde © Witters
Für die späte Rückkehr André Hahns wurden im Sommer 2017 schließlich 6 Millionen Euro fällig. Platz 16
Für die späte Rückkehr André Hahns wurden im Sommer 2017 schließlich 6 Millionen Euro fällig. Platz 16 © Witters
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Und was ist mit der neuen Mannschaft möglich?

Wir wollen besser sein als in der letzten Saison. Das muss das Ziel sein. Wo es am Ende hingeht, lässt sich zu diesem Zeitpunkt der Vorbereitung noch nicht sagen. Ich habe aber schon richtig Bock auf die Saison, gerade nach dem letzten Jahr, das für mich nicht optimal gelaufen ist. Ich habe mit dem HSV noch viel vor. Ich will die Zeit als Fußballer so lange wie möglich genießen. Ein paar Jahre habe ich ja noch. (lacht)