Évian-les-Bains/Lugano. Der Name Johan Djourou fällt seit zwei Wochen immer wieder, wenn über Verkäufe beim Hamburger SV spekuliert wird.

Am Eingang des Viersternehotels Vichy Spa steht eine Kuh. Natürlich keine echte. Eine Holzkuh, aber fast genauso groß wie eine echte, in Rot und Weiß. Die Schweizer Kuh heißt Lilly und ist der neue Glücksbringer der Nati. „Allez la Suisse“, steht auf dem Maskottchen vor dem edlen Teamquartier in Montpelliers Gemeinde Juvignac geschrieben. „Auf geht’s, Schweiz!“

Ob Lilly was von ihrem Handwerk als Glücksbringer versteht, dürfte sich bereits am Sonnabend (15 Uhr/ZDF) zeigen. Dann trifft die Schweizer Nationalelf in ihrem EM-Auftaktspiel in Lens auf Albanien. „Das erste Spiel ist immer das wichtigste in einem Turnier“, sagt Johan Djourou. „Wenn man Großes erreichen will, ist ein guter Start sehr wichtig.“ Und die Schweiz, daran lässt der HSV-Kapitän keine Zweifel aufkommen, will in Frankreich Großes erreichen. Ganz Großes.

Ein paar Tage zuvor sitzt der Hamburger entspannt auf der Terrasse im Hotel Villa Sassa im Trainingslager der Eidgenossen in Lugano. Djourou ist ein wenig spät dran („Tut mir leid, ich hab fast verschlafen“), bestellt sich ein Wasser und fragt, ob es Neues aus Hamburg gebe. Er schreibe sich ab und an WhatsApp-Nachrichten mit Albin Ekdal, Michael Gregoritsch und Nicolai Müller. Aber wirklich auf dem Laufenden sei er beim HSV nicht.

Nur dass ausgerechnet sein Name seit zwei Wochen immer wieder fällt, wenn über Verkäufe spekuliert wird, das hat auch Djourou mitbekommen. „Ich weiß nicht, warum gerade ich mit einem Wechsel in Verbindung gebracht werde“, sagt er. „Ich will beim HSV bleiben.“, stellt er auf Nachfrage klar, um dann doch ein Hintertürchen offen zu lassen. „Aber diese Frage müssen die Verantwortlichen beantworten. Fußball ist nun mal Business. Und im Business weiß man oft nicht, was heute oder morgen passiert.“

Das stimmt nur bedingt. Denn heute spielen Djourou und seine Schweizer Kollegen ihr erstes EM-Match. Nach Albanien folgt Rumänien, dann Frankreich. „Wir haben einen Traum“, sagt Djourou. „Das Halbfinale.“ Der Abwehrchef wird ernst: „Wenn nicht jetzt, wann dann? Wir haben die stärkste Schweizer Mannschaft, seit ich im Team dabei bin.“ Der 29 Jahre alte Innenverteidiger hat einen kuriosen Werdegang in der Nati. Djourou ist seit zehn Jahren dabei, hat 60 Länderspiele absolviert, nahm an zwei großen Turnieren teil. Vor zwei Jahren stand der gebürtige Ivorer 120 Minuten beim tragischen 0:1 nach Verlängerung im WM-Achtelfinale gegen Argentinien auf dem Platz. „Dieses Spiel werde ich nie vergessen. Wir waren so nah dran, Geschichte zu schreiben.“ Und tatsächlich ist kaum ein Schweizer Nationalspieler so erfahren wie Djourou. Doch an einer EM hat der dreifache Familienvater noch nie teilgenommen.

„Das stimmt“, sagt Djourou, nachdem er in Gedanken selbst kurz nachrechnen muss. „Umso mehr freue ich mich auf dieses Turnier in Frankreich.“

Ausgerechnet Frankreich. Djourou ist in der Elfenbeinküste geboren, seine Heimat ist die Schweiz, er hat lange in England gespielt, und er fühlt sich in Deutschland zu Hause. Doch zu Frankreich hat der HSV-Kapitän eine besondere Beziehung. „Ich bin häufiger in Paris“, sagt er. „Ein Teil der Familie meines Vaters wohnt dort. Außerdem haben wir viele Freunde in der Stadt.“

Und natürlich war es auch Frankreich, gegen das Djourou vor fast genau zehn Jahren sein Turnierdebüt als 19-Jähriger gab. Bei der WM 2006 in Deutschland. „An die Partie kann ich mich gut erinnern. Ich bin eine Viertelstunde vor Schluss für Patrick Müller eingewechselt worden. Ich hatte sogar eine große Torchance, aber am Ende waren alle über das 0:0 glücklich.“

Mit einer Partie ohne Gegentor gegen den Gastgeber im letzten Gruppenspiel könnte Djourou auch jetzt wieder sehr gut leben. „Frankreich ist einer von drei großen Favoriten“, sagt er. „Deutschland und Titelverteidiger Spanien sind die beiden anderen.“ Doch in einem Halbfinale spielen bekanntlich vier Mannschaften. Und die kleine Schweiz, aktuell auf Platz 15 in der Weltrangliste, könnte nach Djourous Meinung den Part des Überraschungsvierten übernehmen.

Das pfeiffersche Drüsenfieber machte Djourou zu schaffen

Dass Djourou dieses Ziel angreifen kann, war bis vor Kurzem keineswegs klar. Auch nach der Saison hat der 1,91 Meter große Abwehrkoloss mit den Nachwirkungen des pfeifferschen Drüsenfiebers, das ihn während der Saison zu schaffen machte, zu kämpfen gehabt. „Das Problem ist, dass man nie genau weiß, ob man es überstanden hat oder nicht. Bei manchen dauert es sechs Monate, bei anderen drei, und bei wieder anderen noch länger.“ Er fühlte sich lange Zeit schlapp, wusste aber nicht warum. „Ich hatte Angst, war am Tiefpunkt. Irgendwann wird das zu einer Kopfsache. Man will wissen, was mit einem los ist.“

Mittlerweile weiß er es. Seine Werte sind auch wieder gut, genauso wie seine Laune. „Wir sehen uns dann spätestens im Halbfinale wieder“, sagt Djourou zum Abschied. Und wenn sein Einsatz nicht reicht, dann wird Kuh Lilly schon für den Rest sorgen.

Die Vertragsunterschrift von Flüchtling Bakery Jatta (18) beim HSV verzögert sich weiter. Berater und Club konnten sich am Freitag nicht über die Bedingungen einigen. Am Dienstag soll es nun zu einem finalen Treffen kommen.