Hamburg. In der Firmenzentrale des Milliardärs wurde bereits vor vier Wochen über Knäbels Rauswurf gesprochen.
Besonders die Aussicht hat Eindruck hinterlassen. „Man konnte den ganzen Hafen bestaunen“, erinnert sich Reiner Calmund an die Männerrunde vor vier Wochen, die in der Firmenzentrale von Kühne & Nagel in der HafenCity zusammengekommen war. Neben dem früheren XXL-Manager und Gastgeber Klaus-Michael Kühne waren auch Berater Volker Struth, HSV-Chef Dietmar Beiersdorfer und Aufsichtsratschef Karl Gernandt in den schicken Neubau am Großen Grasbrook gekommen. Ein Gipfeltreffen der Schwergewichte der Branche, im wahrsten Sinne des Wortes – und nur ein Programmpunkt stand auf der Tagesordnung: die Zukunft des HSV.
„Der Herr Kühne hat sehr deutlich gemacht, dass er endlich wieder besseren Fußball des HSV sehen will“, berichtet Calmund im Gespräch mit dem Abendblatt. Der frühere Manager von Bayer Leverkusen hat nach eigenen Angaben seit vielen Jahren ein „sehr freundschaftliches Verhältnis“ zum Milliardär, den er gerne als „eine echte Unternehmer-Legende“ bezeichnet. „Ihm geht und ging es doch nur um das Wohl des HSV“, sagt Calmund. „Kühne will dem HSV doch nur helfen.“
Inwiefern der Edelfan, der dem HSV bereits mehrfach Darlehen und Beteiligungen in einer Gesamthöhe von 69 Millionen gewährte, bei seinen „guten Absichten“ versucht, ins operative Geschäft einzugreifen, war und ist die zentrale Frage im Volkspark seit Jahren. Er habe Kühne zwar getroffen, gab Beiersdorfer auf der Pressekonferenz am Dienstag ehrlich zu, aber im Hinblick auf eine Entlassung von Sportchef Peter Knäbel habe er den vermögenden Investor nicht konsultiert. Schenkt man den Teilnehmern der Männerrunde aus der HafenCity allerdings Glauben, dann ist das nicht die ganze Wahrheit. Natürlich hätten Beiersdorfer und Kühne auch über ihre Unzufriedenheit mit Knäbel gesprochen, so ein Teilnehmer zum Abendblatt.
Auch Slomka-Aus wurde in Kühne-Büro besiegelt
Dabei wäre es auch nicht das erste Mal, dass zentrale HSV-Entscheidungen in der Firmenzentrale von Kühne & Nagel getroffen werden. Auch die Entlassung von Ex-Trainer Mirko Slomka (Kühne: „Als Privatmann und HSV-Fan kann ich nur sagen, dass ich an diesen Trainer nicht glaube.“) wurde vor zwei Jahren in einer Elefantenrunde am Großen Grasbrook beschlossen – genauso wie das Ende von Knäbel-Vorgänger Oliver Kreuzer. Den heutigen Sportchef von 1860 München hatte Kühne im Abendblatt-Interview als „Drittliga-Manager“ bezeichnet.
Peter Knäbel im Kurzporträt
„Herr Kühne ist ein glühender HSV-Fan, der endlich einen Fortschritt sehen will“, verteidigt Calmund seinen Freund, dessen Engagement aus seiner Sicht ohnehin zu wenig gewürdigt wurde. „Viele vergessen gerne, was der Kühne alles für den HSV geleistet hat. Er war es schließlich, der dem HSV die Lizenz gesichert hat. Kein anderer“, so Calmund, der das rheinische Poltern auch nach Jahren als Privatier noch nicht verlernt hat: „Entschuldigen Sie meine Wortwahl: Aber der Herr Kühne will sich nicht mehr verarschen lassen.“
Kommentar: Die Renaissance des Hollywood SV
Tatsächlich hatte der Wahlschweizer dem HSV durch eine Bürgschaft über zehn Millionen Euro im Sommer 2014 die Lizenz gerettet, hat zudem seine Anteile im Laufe der Jahre immer weiter aufgestockt. „Wenn der Mann nicht wäre, dann wäre der HSV doch schon lange platt gewesen“, sagt Spielerberater Struth, der bei dem Kennenlerngespräch vor vier Wochen und dem anschließenden Essen mit Kühne nebst Gattin Christine dabei war. Über Spieler aus dem Portfolio von Struth, der neben HSV-Profi Dennis Diekmeier und anderen auch die Nationalspieler Toni Kroos, Marco Reus und Mario Götze vertritt, soll es in dem Gespräch allerdings nicht gegangen sein. „So leid es mir auch tut“, sagt Struth, der vor Jahren Beiersdorfer zu Zenit St. Petersburg vermittelte und seitdem ein freundschaftliches Verhältnis zum HSV-Chef pflegt, „aber meine Spieler sind viel zu teuer für den HSV.“
Kühne soll 50 Millionen in den HSV investieren
Was zu teuer und was nicht zu teuer für den klammen HSV ist, dürfte auch in diesem Sommer – mal wieder – maßgeblich vom Wohlwollen von HSV-Investor Kühne abhängen. „Herr Kühne wäre noch mal bereit zu investieren“, sagt Calmund, der bereits mehrfach mit den Kühnes auf Kreuzfahrten unterwegs war. Die „Bild“-Zeitung berichtete gar über eine Summe von 50 Millionen Euro. „Der Kühne will aber nicht mehr für Lizenzen oder Ähnliches sein Geld geben. Herr Kühne möchte sein Geld in die Mannschaft investieren, sofern die Überlegungen Hand und Fuß haben“, so Calmund.
Die erste Voraussetzung für neue Kühne-Millionen wurde nun offenbar am vergangenen Montag geschaffen. Die Trennung von Sportchef Knäbel, dem Beiersdorfer eine stagnierende Kaderplanung und ein mangelhaftes Scouting vorwirft, dürfte ganz im Sinne Kühnes gewesen sein. Ob und inwiefern der HSV sich allerdings immer mehr in die Abhängigkeit des Milliardärs begibt, konnten oder wollten Beiersdorfer und Aufsichtsratschef Gernandt, der gleichzeitig CEO bei Kühne & Nagel ist, nicht beantworten. Die beiden HSV-Entscheider waren für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Ein weiteres Treffen in der Firmenzentrale von Kühne & Nagel soll aber zeitnah stattfinden. Schöne Aussichten also ...