Hamburg. Der Vorstandsboss des HSV will als Sportchef eine Dauerlösung sein. Hatte Investor Kühne Einfluss auf den Rauswurf Knäbels?

Er hatte sich richtig schick gemacht. Weißes Sommerhemd, schwarze Anzughose, den neuen Rauschebart fein zurechtgestutzt. Nun war also der Moment gekommen für die entscheidende Frage. Dietmar Beiersdorfer zögerte nur einen kurzen Augenblick. Dann verzogen sich seine Mundwinkel zu einem entschlossenen Gesichtsausdruck. Mit deutlicher Stimme gab der 52-Jährige schließlich die Antwort: „Ja.“ Ein Schluck aus dem Wasserglas, dann lehnte er sich entspannt zurück.

Ja, Dietmar Beiersdorfer will die Dauerlösung sein. Einen Tag nach der Scheidung von Sportchef Peter Knäbel bestätigte der Vorstandsvorsitzende des HSV am Dienstag, dass er auch die Position des Direktors Profifußball langfristig übernehmen wolle. „Ich habe die Kompetenzen dazu“, sagte Beiersdorfer im Rahmen einer Pressekonferenz, auf der er die Entlassung seines einstigen Wunschpartners Knäbel zu erklären versuchte.

Allein, es blieb beim Versuch. Eine konkrete Erklärung konnte und wollte Beiersdorfer nicht liefern. Nur so viel: „Einige Bereiche beim HSV entwickeln sich, andere stagnieren. Das habe ich mehrfach moniert. Ich hatte nicht das Gefühl, dass sich die Entwicklung verbessert.“

Leitartikel: Zwei waren einer zu viel

Unterschiedliche Auffassungen im Bereich der Kaderplanung sollen es gewesen sein, die Beiersdorfer schließlich zu dem Schritt gezwungen hätten. „Die Entscheidung ist nicht von heute auf morgen gefallen. Sie ist in mir gereift, und ich bin überzeugt, dass es die richtige Entscheidung ist“, sagte Beiersdorfer. Damit widerspricht der HSV-Boss einer Aussage des Aufsichtsratsvorsitzenden Karl Gernandt, der dem NDR am Montag gesagt hatte, die Pfiffe der Fans nach dem Spiel gegen Wolfsburg hätten den Verein zum Handeln aufgefordert. „Es musste etwas passieren“, sagte Gernandt.

Im Video: HSV zum Rauswurf von Peter Knäbel

Rund zwei Jahre, nachdem Gernandt bei der Mitgliederversammlung und der erfolgreichen Abstimmung für die Reforminitiative HSVPlus verkündete, mit Beiersdorfer in eine erfolgreiche Zukunft zu gehen, musste Knäbel nun offenbar als Sündenbock für eine Entwicklung herhalten, die mit den Ankündigungen von damals nur wenig zu tun hatte. Der HSV spielte auch im Jahr zwei nach der Einführung der HSV-AG gegen den Abstieg. Das Geld, das der Verein durch die Ausgliederung einnahm, ist aufgebraucht. Immer wieder musste Investor Klaus-Michael Kühne dem HSV in den vergangenen zwei Jahren finanziell unter die Arme greifen.

Verdacht: Hat Kühne Druck auf den HSV ausgeübt?

Und so liegt der Verdacht nahe, dass Kühne in der Entscheidung gegen Knäbel Druck ausgeübt hat. Auch wenn Beiersdorfer am Dienstag dementierte, mit dem Milliardär, der elf Prozent Anteile an der HSV AG hält, über die Entlassung Knäbels diskutiert zu haben. „Ich habe die letzten Tage nicht mit Herrn Kühne gesprochen. Wir haben uns vor einigen Wochen zum turnusmäßigen Austausch getroffen“, sagte Beiersdorfer – damals noch in der Funktion des Vorstandsvorsitzenden.

Nun will Beiersdorfer sich voll und ganz der Aufgabe des Sportchefs widmen, ohne seine Position als Vereinsboss aufzugeben. „Der HSV braucht keinen neuen Vorstandsvorsitzenden. Da fühle ich mich sehr gut aufgehoben. Die Arbeitsgebiete verschieben sich. Im Bereich der repräsentativen Aufgaben werde ich mich einschränken“, sagte Beiersdorfer und beendete damit auch die Spekulationen um eine Verpflichtung des scheidenden Schalker Sportvorstands Horst Heldt. „Wir kennen und mögen uns. Aber das hat mit dem aktuellen Beruflichen nichts zu tun.“

Horst Heldt war offenbar ein Thema in Hamburg

Beiersdorfer betonte, in dem Prozess der vergangenen Monate mit keinem Sportdirektor gesprochen zu haben. Dass der HSV sich hinter den Kulissen mit Heldt beschäftigte, war jedoch letztlich der Anfang vom Ende für Peter Knäbel, den Beiersdorfer im Herbst 2014 von einem Wechsel aus der Schweiz nach Hamburg überzeugte. Eine Verbindung, die mindestens drei Jahre halten sollte. Noch vor einem Jahr hatte Beiersdorfer Knäbel in einem Abendblatt-Interview die unbedingte Treue geschworen und versprochen, mit dem Sportchef Knäbel notfalls auch in die Zweite Liga zu gehen.

So weit ist es auch ein Jahr später nicht gekommen. Und doch ist Knäbels Zeit beim HSV vorbei. Dabei liegt die Stagnation der sportlichen Entwicklung, die Beiersdorfer beobachtet hat, vor allem in seiner eigenen Verantwortung. Auch wenn er der Darstellung, rund um den HSV sei Ernüchterung eingekehrt, energisch widerspricht. „Wir haben unglaublich viel bewegt. Wir hatten in allen Bereichen die Wettbewerbsfähigkeit verloren. Wenn das einer vergisst, dann vergisst er das. Ich vergesse es nicht. Ich habe keine Lust, mir das vorwerfen zu lassen“, sagte er.

Beiersdorfer hat in zwei Jahren dreimal den Trainer gewechselt

Andere Vorwürfe konnte er dagegen nicht von sich weisen. So hat Beiersdorfer in knapp zwei Jahren dreimal den Trainer gewechselt und nun zum zweiten Mal die Entlassung eines Sportchefs zu verantworten. Mit seiner Doppelfunktion übernimmt Beiersdorfer die volle Verantwortung. Und wenn auch dieses Unterfangen scheitert? Dann erspart er sich zumindest eine komplizierte Scheidung.

Matz ab: Kommentar zum Knäbel-Rauswurf