Hamburg. Papierkugel oder Kung Fu – langweilig wurde es in den Duellen mit Werder Bremen nie. Ex-HSV-Trainer Frank Pagelsdorf erinnert sich.

Ob er sich noch erinnern kann? Was für eine Frage! „Es gibt diese besonderen Momente, die vergisst man sein ganzes Leben nicht mehr“, sagt Frank Pagelsdorf. Und dieser Moment nach dem Nordderby des HSV gegen Werder Bremen vor 18 Jahren, als erst Tony Yeboah in der Schlussminute den umjubelten 2:1-Siegtreffer erzielte und Schiedsrichter Herbert Fandel wenig später abpfiff, den wird Pagelsdorf nie vergessen.

Es war ein Freitagabendspiel. Flutlicht. Eine besondere Atmosphäre und eine besondere Ausgangslage. „Genau wie an diesem Freitag stand der HSV auch damals mit dem Rücken zur Wand“, erinnert sich Pagelsdorf. Eine Niederlage hätte ein erneutes Abrutschen auf einen Abstiegsplatz bedeutet. „Wir mussten dieses Derby ganz einfach gewinnen“, sagt Pagelsdorf.

Doch wie so oft hatten die Bremer auch an diesem Abend keine große Lust, sich an das Hamburger Drehbuch zu halten. Schon nach 25 Minuten hatte der heutige Werder-Aufsichtsratsvorsitzende Marco Bode mit dem 0:1 vorgelegt. Der HSV brauchte lange, um den Schock zu überwinden. Eine Viertelstunde vor Schluss war es dann Jacek Dembinski, der ausglich. Doch dieses 1:1 reichte den Hamburgern nicht. „Wir wollten mehr“, sagt Pagelsdorf.

Yeboah fiel Pagelsdorf heulend um den Hals

Und Pagelsdorf bekam mehr. Yeboah mit links aus der Drehung unten rechts. 2:1. Die Erlösung. Und Schluss. „Ich musste weinen, weil ich mich für den Tony so sehr gefreut habe“, sagt Pagelsdorf, dem wenig später der ebenso heulende Yeboah um den Hals fiel. Zwei Männer wie Baumstämme, aber die Tränen flossen ohne Ende.

Zum Heulen findet Pagelsdorf heute nur noch die unbefriedigenden Heimauftritte seines HSV. Gegen Werder ist der frühere Trainer auch nicht im Stadion. Das Spiel einfach nicht gucken geht aber auch nicht. „Ich schaue mir das Spiel mit einer paar Freunden an“, sagt Pagelsdorf, der auf ein 2:2 tippt. „HSV gegen Werder – da ist ja eigentlich immer Musik drin.“

Papierkugel und Kung-Fu-Einlage

103-mal hat es das Nordderby bereits in der Bundesliga gegeben. 33 Spiele konnte der HSV gewinnen, 33 Partien gingen Unentschieden aus, 37 Mal ging Werder als Sieger vom Platz. So zum Beispiel auch im legendären Uefa-Cup-Spiel, als Bremen 3:2 gewann, weil der Hamburger Verteidiger Michael Gravgaard über den von einer Papierkugel abgelenkten Ball schlug.

Auch Tim Wieses Kung-Fu-Einlage gegen Ivica Olic bleibt unvergessen, genauso wie Ailtons Fehlschuss im Finale um die Vizemeisterschaft oder Ditmar Jacobs und sein Karabinerhaken.

„Das Nordderby ist ein besonderes Spiel, das es hoffentlich noch lange geben wird“, sagt Pagelsdorf, der allerdings befürchtet, dass es der Verlierer der Partie am Freitag schwer haben wird. Schlägt sein Herz denn immer noch für den HSV? Was für eine Frage!