Der Hobby-Architekt Bruno Labbadia hat das Fundament für den neuen HSV geschaffen, die Sanierung ist aber längst nicht abgeschlossen.

Die umgebaute Autowerkstatt an der Grenze zwischen St. Georg und Hohenfelde lässt nicht viele Wünsche offen. Hohe Decken, lichtdurchflutet und mit viel Liebe zum Detail. Ein bisschen italienischer Stil hier, ein bisschen spanischer Einfluss dort. Auf zwei Ebenen mit einer herrlichen Dach­terrasse hat Bruno Labbadia, ein passionierter Hobbyarchitekt, in mühsamer Kleinstarbeit aus der baufälligen Werkstatt ein uniques Loft erschaffen, das Besucher vom Hause Labbadia jedes Mal aufs Neue begeistert.

„Brunos Wohnung ist einzigartig“, sagt Co-Trainer Eddy Sözer, der seit neun Jahren Labbadias engster Weggefährte ist. „Bruno hatte schon immer ein Faible für Architektur. Und in gewisser Hinsicht braucht es ja auch einen guten Architekten, um die richtige Mannschaft zusammenzustellen.“

Kommentar: Noch mehr Mut, Herr Labbadia!

Seit genau einem Jahr ist Labbadia nun schon der Architekt des neuen HSV. Am morgigen Freitag jährt sich die Vorstellung des neuen, alten HSV-Trainers zum ersten Mal, was man im HSV-Kosmos durchaus als bemerkenswert bezeichnen darf. Keiner seiner vier Vorgänger (Bert van Marwijk, Mirko Slomka, Joe Zinnbauer, Peter Knäbel) hielt derart lange durch. Und trotzdem hat Labbadia nur bedingt Lust auf einen Blick zurück nach vorn. „Mich interessiert nur das Heute“, sagte er am Mittwoch, als er auf sein außergewöhnliches HSV-Jahr angesprochen wurde. Dabei hatte Labbadia noch ein paar Tage zuvor von „der intensivsten Zeit“ seines Trainerlebens gesprochen, als es um die Anfangszeit vor einem Jahr ging. Doch ein verlorenes Heimspiel gegen Darmstadt später hat „der ganz schlechte Verlierer“ (Labbadia über Labbadia) einfach keine Lust mehr, in Erinnerungen zu schwelgen.

HSV-Jahr eine „Achterbahn der Gefühle“

„Bruno hasst es zu verlieren“, sagt Sözer, der sich sicher ist, dass seinen „Freund fürs Leben“ kaum etwas so sehr geprägt hat wie diese letzten zwölf HSV-Monate. Die Niederlagen, aber vor allem die Siege, oder besser: der Sieg. „Das Jahr war eine Achterbahn der Gefühle. Aber was immer bleiben wird, sind diese Erinnerungen an den hochemotionalen Klassenerhalt in der Relegation“, sagt Sözer. „Diese ersten sechs Wochen in Hamburg waren der Grundstein, das Fundament für Brunos zweite Amtszeit beim HSV.“

Ein Jahr Labbadia in Zitaten

Datum:  15. April 2015

Ereignis:  Die Rückkehr zum HSV. Zitat: „Ich habe meine Frau  vor die Wahl gestellt: Mallorca oder HSV? Aber ich habe sie nicht ausreden lassen.“

Datum:  15. Mai 2015

Ereignis:  1:2 in Stuttgart. Zitat: „Unsere Ausgangslage hat sich drastisch verschlechtert. Wir haben als Mannschaft versagt. Aber wir können nicht alles in Schutt und Asche legen. Wir dürfen nicht die Nerven verlieren.“

Datum:  1. Juli 2015

Ereignis:  Trainingsauftakt im Volkspark. Zitat: „Wir gehen mit einer großen  Portion Demut in die Saison. Wir kommen nur über die Arbeit.“

Datum:  9. August 2015

Ereignis:  2:3 im DFB-Pokal bei Regionalligist Carl Zeiss Jena. Zitat: „Das fühlt sich scheiße an.All das, was wir uns zum Ende der vergangenen Saison erarbeitet haben, das ist nun erst einmal wieder vorbei.“

Datum: 11. September 2015

Ereignis:  3:0 bei Borussia Mönchengladbach. Zitat: „Die Art und Weise,  wie wir gewonnen haben, war einfach gut. Wir haben schon in den letzten Wochen gemerkt,  dass sich etwas tut. Jetzt hat alles gepasst.“

Datum:  3. Oktober 2015

Ereignis:  0:3 bei Hertha BSC. Zitat: „In Berlin haben wir ein Gesicht gezeigt, das uns so gar nicht gefallen hat. Wir haben zuletzt ein paar Schritte nach vorne gemacht, nun haben wir leider zwei Schritte zurück gemacht.“

Datum:  28. November 2015

Ereignis:  3:1 im Nordderby bei Werder Bremen. Zitat: „Wir werden sehen, wie weit wir uns festigen können. Es wird nicht in dem Tempo weitergehen. Die Tabelle interessiert mich eher wenig. Nur die Punktzahl.“

Datum:  21. Dezember 2015

Ereignis:  0:1 zum Hinrundenabschluss gegen Augsburg. Zitat: „Wenn man guckt, was möglich war, sind 22 Punkte durchschnittlich. 2015 war für mich aber definitiv das emotionalste Jahr meiner Karriere.“

Datum:  11. Januar 2016

Ereignis:  Vertragsverlängerung um ein Jahr bis 2017. Zitat: „Ein hanseatischer Handschlag würde mir grundsätzlich reichen. Ich brauche keine Sicherheit. Der Weg wird extrem steinig. Wir haben eine Bergtour vor uns.“

Datum:  8. Februar 2016

Ereignis:  50. Geburtstag. Zitat: „Ich hätte lieber eine Feier mit einem Sieg gehabt. Aber ich kann mit dem 1:1 gegen Köln leben. Wir spüren eine Entwicklung. Die Frage ist nur: Kommen damit auch automatisch Punkte?“

Datum:  6. März 2016

Ereignis:  2:0 gegen  Hertha BSC.  Zitat: „Die Entwicklung ist positiv, aber noch immer ist das Gebilde fragil. Wir müssen sehr wachsam sein.“

Datum:  9. April 2016

Ereignis: 1:2 gegen Aufsteiger Darmstadt 98. Zitat: „Wir brauchen Geduld in der Entwicklung. So schwer wie es ist, wir dürfen uns nicht aus der Bahn werfen lassen.“

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Labbadia hat unzählige Bekannte, viele Freunde, aber nur wenige echte Gefährten. Sözer ist einer, Co-Trainer Bernhard Trares, Mediendirektor Jörn Wolf, Berater Michael Serr und Ehefrau Sylvia sind die anderen. „Der Kreis seiner Vertrauten ist eng. Und alle kennt und schätzt Bruno schon seit sehr langer Zeit“, sagt Serr, der mit Labbadia schon Ende der 80er-Jahre in Kaiserslautern zusammen gespielt hat. „Bruno ist ein sehr offener Mensch“, sagt Serr, „aber die wichtigen Dinge bespricht er nur mit wenigen.“

Das sieht auch Assistent Trares, der mit Labbadia in Bremen, Karlsruhe und in Darmstadt zusammen gespielt hat, nicht anders. „Wir sprechen sehr offen über viele Dinge. Fußball ist oft ein Thema, aber nicht nur. Es wäre ja traurig, wenn wir nur über Fußball reden würden“, sagt Trares, der eine gewisse Veränderung in den vergangenen zwölf Monaten bei Labbadia beobachtet haben will: „Der Bruno kann mit kritischen Situationen besser umgehen. Er hat im Umgang mit den Spielern ein Stück Lockerheit dazugewonnen“, sagt Trares. „Der Bruno hat mehr Einfühlungsvermögen entwickelt.“

Labbadia ist detailversessen

Unterhält man sich mit Labbadias Vertrauten, kommt man früher oder später immer auf Labbadias Loft zu sprechen. „Seine Wohnung ist ein gutes Beispiel für seine Detailliebe. Die Bilder, die Türen, es muss alles stimmig sein, sonst ist er unzufrieden“, so Trares. „Da ist ihm keine Arbeit zu viel.“

Was für Labbadias Wohnung gilt, das gilt auch für seine Mannschaft. „Der Bruno wohnt in einer Werkstatt“, sagt Serr, „und wenn man so will, dann arbeitet der Bruno auch in einer Werkstatt.“ Reparaturbedarf gibt es hier wie da mehr als genug. Die Grundmauern sollen erhalten bleiben, aber der innere Kern bedurfte und bedarf noch immer einer grundlegenden Kernsarnierung.

In seiner Maisonette nahe der Alster hat sich Labbadia um jede Kleinigkeit persönlich gekümmert. Der Fußboden, die Badezimmerarmaturen, alles musste perfekt sein. „Er ist detailversessen, ein Perfektionist“, sagt Sözer, der genau weiß, dass die Renovierung des HSV noch sehr viel länger als die Sanierung von Bruno Labbadias Wohnung dauern dürfte.

Labbadias brisantes Treffen mit Tuchel

„Man­ fängt ja nicht bei der Dach­terrasse an zu bauen“, sagt Serr, der in unregelmäßigen Abständen nach Hamburg kommt und sich mit Labbadia über die Entwicklung der Mannschaft austauscht. Serr war es auch, der gemeinsam mit Labbadia im vergangenen Winter entschied, dass sie den im Sommer auslaufenden Vertrag zunächst einmal nur um ein Jahr verlängern wollen. „Bruno hat in Hamburg etwas begonnen, was er mit seiner Liebe zum Detail gerne weiterführen möchte“, sagt der Berater und Freund.

Dabei will es der Zufall so, dass Labbadia an dem Wochenende (So, 15.30 Uhr), an dem sich seine zweite HSV-Amtszeit zum ersten Mal jährt, ausgerechnet auf Borussia Dortmund mit Thomas Tuchel trifft. Denn erst als der einstige Wunschkandidat von HSV-Chef Dietmar Beiersdorfer abgesagt hatte, war der Weg für Bruno Labbadia frei. Und obwohl das HSV-Haus seinerzeit in Trümmern lag, zögerte der Hobbyarchitekt keinen Moment. „Das Fundament steht mittlerweile“, sagt Sözer, „der Aufbau geht weiter.“