Belek. HSV-Trainer Bruno Labbadia verzichtet bei seiner Vertragsverlängerung bewusst auf Forderungen sowie persönliche Sicherheit.

Gute Nachrichten müssen auch gut verkauft werden. Das weiß man auch beim HSV, wo es in den vergangenen Jahren nur wenig Positives zu berichten gab. Doch gestern gab es eine gute Nachricht, eine sehr gute Nachricht – und natürlich auch eine gut verkaufte Nachricht. „Ich bin glücklich“, sagte Bruno Labbadia um Punkt 12 Uhr, High noon in Belek. Seine seit Wochen erwartete und vor allem erhoffte Vertragsverlängerung sei nun perfekt, sagte der Trainer in die zahlreichen Kameras, die sich ihm an der Eckfahne des grünen Trainingsplatzes erwartungsfroh entgegenstreckten. Ein Ein-Jahres-Vertrag, noch nicht unterschrieben, aber fest vereinbart. „Ein hanseatischer Handschlag würde mir grundsätzlich reichen“, so Labbadia.

Kommentar: Das Vertrauen in Labbadia ist richtig

Bei dem angebotenen Handschlag werden es die HSV-Verantwortlichen allerdings kaum belassen. Es sei immerhin eine „zentrale Personalentscheidung“, stellte Clubchef Dietmar Beiersdorfer wenig später klar, Sportchef Peter Knäbel sprach sogar von der „wichtigsten Personalie in einem Fußballverein.“ Und der Bedeutung entsprechend hätten sich alle Parteien die nötige Ruhe und Zeit bei der Entscheidung gelassen. „In unserer Situation hätte uns Bruno Druck ohne Ende machen können“, sagte Knäbel. „Ich finde es äußerst angenehm, dass er darauf verzichtet hat. Das spricht für die gegenseitige Wertschätzung.“

„Es ist keine normale Beziehung“

So ganz gewöhnlich scheint die Trainer-Verantwortlichen-Verbindung tatsächlich nicht zu sein. Schon gar nicht in einem Club, in dem die Trainer lange Zeit häufiger wechselten als die Jahreszeiten. Man mag es kaum glauben, aber Labbadia ist schon jetzt, nach nicht mal neun Monaten, der dienstälteste HSV-Trainer seit Thorsten Fink. „Es ist keine normale Beziehung zwischen Club und Trainer“, bestätigte dann auch der „ewige Bruno“ auf Nachfrage. Dass sich die Verantwortlichen und er besonders während des nervenaufreibenden Abstiegskampfes zusammengeschweißt hätten, nannte Labbadia zwar „olle Kammellen“, falsch ist diese Darstellung aber sicher nicht. „Wir sind in einer Phase zusammengerückt, die unglaublich eng und existenziell für den ganzen Club war“, beschrieb es Beiersdorfer.

Alle HSV-Trainer in der Bundesliga

Markus Gisdol (seit 25. September 2016)
Markus Gisdol (seit 25. September 2016) © Witters
Bruno Labbadia (15. April 2015 bis 25. September 2016)
Bruno Labbadia (15. April 2015 bis 25. September 2016) © Witters
Peter Knäbel (22. März bis 14. April 2015)
Peter Knäbel (22. März bis 14. April 2015) © Witters
Josef
Josef "Joe" Zinnbauer (16. September 2014 bis 22. März 2015) © Witters
Rodolfo Cardoso (17. bis 24. September 2013)
Rodolfo Cardoso (17. bis 24. September 2013) © WItters
Torsten Fink (17. Oktober 2011 bis 16. September 2013)
Torsten Fink (17. Oktober 2011 bis 16. September 2013) © WITTERS/Witters Sport-Presse-Fotos | WITTERS
Michael Oenning (13. März bis 19. September 2011)
Michael Oenning (13. März bis 19. September 2011) © REUTERS | REUTERS
Armin Veh (1. Juli 2010 bis 13. März 2011)
Armin Veh (1. Juli 2010 bis 13. März 2011) © Getty | Bongarts/Getty Images
Ricardo Moniz (26. April bis 30. Juni 2010)
Ricardo Moniz (26. April bis 30. Juni 2010) © Bongarts/Getty Images/Getty | Bongarts/Getty Images
Bruno Labbadia (1. Juli 2009 bis 26. April 2010)
Bruno Labbadia (1. Juli 2009 bis 26. April 2010) © Bongarts/Getty Images/Getty | Bongarts/Getty Images
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Weil bei aller gegenseitig beteuerten Wertschätzung aber bekanntermaßen im Fußball nichts älter als der Erfolg von gestern ist, waren die Verhandlungen zwischen Labbadia samt Trainerteam auf der einen und Beiersdorfer, Knäbel und Aufsichtsratschef Karl Gernandt auf der anderen Seite eben kein Selbstläufer. Zu frisch waren bei Labbadia noch die Erinnerungen an seine letzte Station beim VfB Stuttgart. Übernommen in höchster Abstiegsgefahr. Wie beim HSV. Gerettet und stabilisiert. Wie beim HSV. Einen längst überfälligen Sparkurs vereinbart. Wie beim HSV. Dann aber – hoffentlich anders als beim HSV – die utopischen Erwartungen des Umfelds nicht erfüllt – und schließlich entlassen. „Am Ende hat es keinen interessiert, dass ich in Stuttgart den Sparkurs mitgegangen bin“, hatte Labbadia vor ein paar Wochen gesagt, und gestern noch mal daran erinnert: „Wir haben jetzt eine ähnliche Situation wie damals in Stuttgart. Auch beim HSV ist die Situation nicht rosig. Wir haben schon abgespeckt, und wir müssen noch weiter abspecken.“

Labbadia erinnert an alten Dreijahresvertrag

Doch anders als einst in Stuttgart soll die Finanzdiät nun gemeinsam angegangenen werden. „Der Weg wird extrem steinig“, sagte der Fußballlehrer, der den eingeschlagenen Konsolidierungskurs als „echte Mammutaufgabe“ bezeichnete: „Wir haben eine richtige Bergtour vor uns.“

Auf ein Netz mit doppelten Boden verzichtet Labbadia bei seiner holprigen Tour in Richtung Gipfel aber ganz bewusst. „Ich persönlich brauche keine Sicherheit“, sagt der Fußballlehrer, der nur zu gerne daran erinnert, dass er 2009 einen Dreijahresvertrag beim HSV unterschrieben habe, der seinerzeit nach zehn Monaten schon wieder hinfällig war. „Beim HSV wurden oft längerfristige Verträge gemacht, die aber nicht im Ansatz gelebt wurden.“

Labbadia weiß, wovon er spricht. Der 49-Jährige erhielt damals eine Abfindung von einer Million Euro. Sein ebenfalls vorzeitig entlassener Nachfolger Armin Veh ließ sich seine Restvertragslaufzeit mit einer halben Million Euro ausbezahlen – genau wie dessen Nachfolger Michael Oenning. Fink erhielt 800.000 Euro, Bert van Marwijk gar 2,7 Millionen Euro. Richtig bunt trieb es Mirko Slomka, der sich nach Fastabstieg und einer ebenfalls rekordverdächtigen Erfolglosigkeit 1,8 Millionen beim DFB-Schlichter erstritt.

„Man sollte ja aus der Vergangenheit lernen. Ein ganz langer Vertrag war relativ schnell vom Tisch“, sagte Knäbel, „es ging am Ende nur noch um ein oder zwei Jahre.“ Dass es eins wurde, sei aus seiner Sicht natürlich eine gute Nachricht: „Nun können wir jedes Jahr eine gute Nachricht vermelden.“