Hamburg. Die Hinrunde ist passé, jetzt folgt die Beurteilung. Die meisten HSV-Profis haben sich verbessert, bei anderen ist noch Luft nach oben.
1530 von 3060 Saisonminuten sind absolviert. Zeit, um wenige Tage vor Weihnachten einmal kurz innezuhalten und nachzudenken, was gut und was schlecht war in der Hinrunde 2015/16. Das große HSV-Zwischenzeugnis des Abendblatts:
Torhüter
René Adler (11 Spiele/0 Tore): Nicht mal Rudolph mit der roten Nase und dessen Rentierkumpel fliegen so schön wie er. Kassierte gerade mal 14 Gegentore in elf Spielen, darunter alleine fünf vom bajuwarischen Starensemble. Dem passionierten Kunstversteher ist es zu verdanken, dass sich der HSV nicht in ähnlichen Sphären aufhält wie in den vergangenen Jahren.
Jaroslav Drobny (6/0): Profitierte zu Saisonbeginn von einer Verletzung Adlers und machte seine Sache zwischenzeitlich so gut, dass er seinen Konkurrenten kurz sogar zur Nummer zwei degradierte. Letztendlich war Drobny auch in dieser Hinrunde ein ordentlicher Bundesligatorhüter – nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Andreas Hirzel (1/0): Schnupperte 50 Minuten lang in Köln Bundesligaluft und bewies trotz zweier Gegentore, dass man sich auf den Schweizer im Fall der Fälle verlassen kann.
Abwehr
Dennis Diekmeier (12/0): Der dienstälteste Hamburger brachte gleich zwei Kunststücke fertig: Zum einen zeigte der schnelle Dauerläufer, dass man sich auch nach fünf Jahren beim HSV noch immer verbessern kann. Zum anderen weigert sich der gebürtige Niedersachse nun schon seit 147 Bundesligaspielen standhaft, ein Tor zu schießen. Egal. Diekmeier soll in erster Linie nicht stürmen, sondern verteidigen. Und das machte er bis zu seiner Bänderverletzung so gut, dass er zu Recht einen neuen Zweijahresvertrag vorgelegt bekommen hat.
Gotoku Sakai (7/0): Der Neuzugang aus Stuttgart brauchte lange, um sich beim HSV zurecht zu finden. Doch je länger die Saison dauerte, desto besser wurde der kleine Japaner. Die Frage, ob er oder Diekmeier sich vor dem Rückrundenstart durchsetzen wird, gehört zu den spannendsten der Vorbereitung.
Johan Djourou (15/2): Der Kapitän ist endlich der Fels in der Brandung, den sich Hamburgs Verantwortliche schon ein Jahr zuvor erhofft haben. So zuverlässig wie ein Schweizer Uhrenwerk, zudem lässt der Eidgenosse immer wieder seine Torgefahr aufblitzen.
Cléber (9/0): Der Brasilianer geht so rustikal zur Sache, dass man Zweifel bekommen kann, ob er überhaupt Brasilianer ist. Bedenkt man, dass Cléber nicht mal Schnee und Eis aus dem Konzept bringen, sollte man wirklich einmal überprüfen, ob sein Pass keine Fälschung ist. Sollte der Innenverteidigerersatz auch noch pünktlich aus dem Heimaturlaub kommen, kann man sich so eine Überprüfung wohl sparen.
Emir Spahic (13/0): Erfüllte die Erwartungen. Sorgte in der HSV-Abwehr für lange vermisste Stabilität, einige nicht ganz jugendfreie Zeitungsschlagzeilen und den obligatorischen Platzverweis. Ab Sommer könnte das Projekt Spahic aber auch schon wieder vorbei sein.
Matthias Ostrzolek (17/0): Sehr lange hat man sich sehr ungläubig gefragt, warum Trainer Labbadia so sehr am Linksverteidiger festhält. Spät, aber vielleicht nicht zu spät, gab Ostrzolek die Antwort nun auf dem Platz. Kein Hamburger stand mehr Bundesligaminuten auf dem Platz als er.
Von Altintas bis Trares: Das sind die Neuen
Mittelfeld, defensiv
Gojko Kacar (5/0): Das Verletzungspech bleibt ein derart treuer Begleiter, dass man sich langsam ernsthaft fragen muss, was der Serbe in seinem Vorleben verbrochen hat.
Albin Ekdal (8/0): Schien sich zu sehr an Gojko Kacar orientiert zu haben. Immerhin konnte der Schwede vor seinem Verletzungspech andeuten, warum der chronisch klamme HSV so viel Geld für ihn ausgegeben hat.
Gideon Jung (9/0): Überraschung Nummer eins war, dass der HSV vor dem Saisonstart erklärte, dass man dem 21 Jahre alten Jung als Innenverteidiger Nummer vier das Vertrauen schenken wolle. Überraschung Nummer zwei war dann, dass Trainer Labbadia ihm tatsächlich das Vertrauen schenkte – im zentralen Mittelfeld. Muss noch viel lernen, aber – Achtung, Kalauer! – der Defensivallrounder ist ja noch jung...
Marcelo Díaz (11/0): Der tragischste Fall beim HSV! Der eine oder andere glaubt sogar, dass der Chilene möglicherweise zu gut für Labbadias Mannschaft sei. Es ist fast schon tragisch-komisch, dass sich dieser Edeltechniker ausgerechnet bei einer Grätsche im letzten Training des Jahres schwer verletzte.
Lewis Holtby (17/2): Wahrscheinlich ist es nur im Fußball möglich, dass ausgerechnet eine der größten Enttäuschungen der Vorsaison in dieser Spielzeit zu einem der verlässlichsten Leistungsträgern mutiert. Danke, Fußball!
Mittelfeld, offensiv
Nicolai Müller (15/3): Es kann kein Zufall sein, dass dieser Müller, der in der vergangenen Saison vom Abendblatt als Copy-und-Paste-Profi (immer gleich schlecht) bezeichnet wurde, eng mit der rheinischen Frohnatur Holtby befreundet und eine sehr ähnliche Entwicklung durchgemacht hat. Bitte bestätigen!
Ivo Ilicevic (17/2): Der Ivo... Wer darauf gewettet hätte, dass der verletzungsanfällige Kroate in allen Hinrundenspielen auf dem Platz steht, der wäre sehr reich geworden. Vor der Rückrunde gilt es jetzt die nächste völlig absurde Wette abzuschließen: Wetten, dass der vielleicht torungefährlichste Offensivspieler der Bundesliga nun auch noch seine Großchancen rein macht?
Ahmet Arslan (1/0):Darf sich darüber freuen, sich endlich Bundesligaspieler nennen zu dürfen. Darf sich darüber ärgern, dass die Qualität für den Durchbruch in der Bundesliga wohl doch nicht ganz ausreicht.
Aaron Hunt (9/0): Der frühere Bremer schaffte einen einmaligen Balanceakt. Auf der einen Seite sorgte Hunt direkt nach seiner Verpflichtung dafür, dass Hamburgs Offensivspiel endlich nach so etwas Ähnlichem wie Fußball aussieht. Und andererseits war der Regisseur an keinem einzigen Tor direkt beteiligt. Da ist noch Luft nach oben.
Aaron Hunt ist jetzt ein Hamburger
Michael Gregoritsch (16/3): Darf hinter seinem ersten Halbjahr als Bundesligaprofi einen Haken machen. Und das Beste: Der gerade mal 21 Jahre alte Österreicher, der sogar einen Boulevard-Crashkurs machte, wird noch besser.
Zoltan Stieber (2/0): Hätte die eine oder andere Einsatzchance verdient.
Sturm
Ivica Olic (8/0): Der 36 Jahre alte Oldie konnte in der Hinrunde statt seiner Klasse nur unter Beweis stellen, dass der Zeit der Zahn auch an ihm nagt.
Pierre-Michel Lasogga (16/6): Fußball ist keine Wissenschaft. Keiner verdeutlicht das besser als das selbsternannte „Kind des Ruhrgebiets“. Lasogga spielt wie er ist: einfach, direkt und ein bisschen bumm-bumm. Sechs Tore geschossen, drei vorbereitet, immer im Kampfmodus. Job erfüllt.
Sven Schipplock (13/0): Wenn der Ex-Hoffenheimer geholt wurde, um Lasogga den nötigen Druck zu machen, dann könnte sich sein 2,5-Millionen-Euro-Kauf gelohnt haben. Wenn der Stürmer aber geholt wurde, naja, um Sturmgefahr auszustrahlen, dann ist Schipplock leider krachend durchgefallen.