Hamburg. Ohne Verstärkung bleiben die Rothosen nur Mittelmaß. Ein Amateurtrainer prägte den Spruch des Tages über den HSV und die Sturmflaute.
Er ist einer der bekanntesten Hamburger Trainer und Stammgast beim HSV. Deshalb kann sich Bert Ehm ein fundiertes öffentliches Urteil erlauben. Und so sagte Ehm in der letzten Talksendung mit Dieter Matz bei "Matz ab" den aufschlussreichen Satz über den Augsburger Stürmer Rául Marcelo Bobadilla vom FC Augsburg nach der 0:1-Pleite des HSV: "Wenn ich den Bobadilla sehe, läuft mir das Wasser aus dem Mund. Das ist ein klasse Mittelstürmer. Sowas haben wir nicht zu bieten."
Damit meinte Ehm den HSV – und implizit auch Pierre-Michel Lasogga, der im letzten Hinrundenspiel mit unterging. Es war der Spruch des Tages, und bei Ehm schwang große Sorge mit.
Diese Sorge lässt sich auch mit Zahlen untermauern. Der HSV hat zwar zum Vergleich zu Dortmund genauso wenige Tore bekommen, wie der Zweitplatzierte, aber auch nur zwei Tore mehr geschossen als Hoffenheim am Tabellenende. Im Spiel gegen Augsburg schafften es die Rothosen nicht, aus 14 abgegebenen Torschüssen ein Tor zu erzielen. Lasogga gab nur zwei Torschüsse ab. Aber auch nach seiner Auswechselung konnte die Dreieroffensive mit Schipplock, Gregoritsch und Olic nicht überzeugen.
Nur zwei Heimsiege im Volkspark
Und so schüttelte auch Uwe Seeler nur den Kopf, als er Bruno Labbadia und Dietmar Beiersdorfer in den Katakomben des Volksparkstadions ein frohes Weihnachtsfest wünschte. Der Trainer und der Vorstandsvorsitzende des HSV analysierten das schwache 0:1 (0:0) gegen den FC Augsburg, das die Hinrundenbilanz so richtig vermasselte. „Klar ist das ärgerlich, aber ich kenne die Schwächen“, sagte Seeler, der besonders enttäuscht über lediglich zwei Heimsiege im Volkspark ist.
Müsste der HSV angesichts der eklatant schlechten Chancenverwertung im Winter trotz leerer Kassen nicht mindestens in der Offensive nachbessern? „Es wäre gut, wenn noch was kommen würde, aber wir brauchen nicht nur einen Stürmer“, betonte das 79 Jahre alte HSV-Urgestein. Labbadia war es anzusehen, dass ihm das Mittelmaß, was seine Truppe daheim derzeit abliefert, gar nicht schmeckt. Aber selbst wenn Unzufriedene wie Ivica Olic im Winter gehen, ist kaum Geld für Neue da.
„Es fällt uns schwer, das Spiel zu machen“
HSV gegen Augsburg
Besonders angefressen war René Adler, der die Hanseaten vor einer höheren Niederlage bewahrt hatte: „Wir tun uns zu Hause gegen vermeintlich kleine Mannschaften schwer, wo wir das Spiel machen müssen. Daran müssen wir arbeiten“. Besonders unnötig war das 1:2 gegen Hannover, von Mainz wurden sie beim 0:3 einfach überrannt. „Bayern München und Augsburg waren die einzigen Mannschaften, die besser waren als wir“, konstatierte der Schlussmann.
Der FCA demonstrierte eindrucksvoll, wie unwichtig müde Beine sind, wenn das Selbstbewusstsein und der Wille stimmen. Trotz der englischen Wochen hätte der Europa-League-Starter noch höher als nur durch das späte Tor von Jan Moravek (76. Minute) gewinnen müssen. „Das war eine verdiente Niederlage. Schade, dass wir zu Hause so eine schlechte Bilanz haben. Es fällt uns schwer, das Spiel zu machen“, bemerkte Aaron Hunt. Die Hinrunde sei dennoch ordentlich - mehr aber auch nicht.
Die Zweikampfquote war schlechter als die des FCA und die erarbeiteten Chancen wurden kläglich vergeben. Besonders Ivo Ilicevic zögerte zu lange und verschoss aus aussichtsreicher Position. Dennoch meinte der Kroate: „Gegenüber der letzten Hinrunde ist die Mannschaft um einiges weiter. Wir sind gefestigt und stabil - darauf können wir aufbauen.“
„Die Fans waren dieses Jahr Champions League“
Kapitän Johan Djourou fand die 22 Punkte viel zu wenig: „Die Mannschaft hat sehr viel Potenzial. Aber wir müssen für jedes gute Spiel ganz hart arbeiten und vorne ruhiger bleiben.“ Labbadia, der die Mannschaft am Sonntag bei einem gemeinsamen Frühstück in den Weihnachtsurlaub verabschiedete, hat eine Menge Arbeit vor sich. Für die 14-tägige Pause bis zum Trainingsstart am 4. Januar bekam jeder Profi individuelle Pläne mit - einen Schlendrian wird es unter dem Hessen nicht geben. Zumal zum Rückrundenauftakt gleich die Bayern kommen.
„Wir wissen, dass viel Arbeit vor uns liegt. Wir gehen nicht davon aus, dass wir große Sprünge machen können“, sagte Labbadia nach einem „unfassbar emotionalen 2015“ mit dem in der Relegation abgewendeten Abstieg. Eine imposante Lichtershow mit einem Jahresrückblick auf den Anzeigetafeln im Anschluss an die Niederlage fesselte noch einmal Tausende Anhänger, die gar nicht nach Hause gehen wollten. „Die Fans waren dieses Jahr Champions League“, lobte Lewis Holtby.