Hamburg. Beim 1:3 gegen Mainz scheitert der HSV erneut beim Versuch, drei Spiele in Folge zu gewinnen – und Torjäger Lasogga zu ersetzen.

HSV-interessierte Sonntagsspaziergänger mussten schon genau hinschauen, um Michael Gregoritsch am Tag nach dem 1:3 gegen Mainz 05 auf dem Trainingsplatz im Volkspark zu erkennen. Wie ein Bankräuber hatte sich der Österreicher eine schwarze Skimaske über den Kopf gezogen, die nur einen Spalt für die Augen offen hatte. So war es kaum möglich zu überprüfen, ob sich an seinem Gemütszustand über Nacht irgendetwas geändert hatte. Diesen hatte der 21 Jahre alte Fußballer am Vorabend in nur zwei Wörtern recht anschaulich beschrieben: „Einfach beschissen.“

Der Grund für Gregoritschs Übellaunigkeit lag auf der Hand: Der Neu-Hamburger hatte im so wichtigen Spiel gegen Tabellennachbar Mainz 05 achtmal auf das Tor geschossen – aber nicht einmal in das Tor. „Ich ärgere mich über mich selbst. Die Kaltschnäuzigkeit, die wir in den vergangenen Wochen hatten, die hatte ich diesmal nicht“, gab Gregoritsch nach der Partie selbstkritisch zu. Und auch über die Szene des Spiels, bei der er den Ball freistehend aus zehn Metern über statt unter die Latte gedroschen hatte, gab der enttäuschte Offensivallrounder bereitwillig Auskunft. Mindestens dieses eine Tor hätte er machen müssen, sagte Gregorisch, und konjunktivierte: „Wenn ich dieses Tor mache, dann bekommen wir mehr Selbstvertrauen. Und wenn wir mehr Selbstvertrauen gehabt hätten, dann wäre es auch ein ganz anderes Spiel geworden.“

Theoretische Wenn-Dann-Logik.

Bitterer Rückschlag für den HSV gegen Mainz

Michael Gregoritsch hätte einen Treffer bei der 1:3-Pleite gegen Mainz erzielen müssen
Michael Gregoritsch hätte einen Treffer bei der 1:3-Pleite gegen Mainz erzielen müssen © dpa | Axel Heimken
Marcelo Díaz ist mit seiner Rolle als Reservist unzufrieden und sprach nach dem Spiel offen über seinen Wechselwunsch
Marcelo Díaz ist mit seiner Rolle als Reservist unzufrieden und sprach nach dem Spiel offen über seinen Wechselwunsch © WITTERS | TimGroothuis
Florian Niederlechner grätscht Lewis Holtby den Ball vom Fuß
Florian Niederlechner grätscht Lewis Holtby den Ball vom Fuß © WITTERS | ValeriaWitters
Was tun? Michael Gregoritsch schoss achtmal auf das Tor – aber nicht einmal in das Tor
Was tun? Michael Gregoritsch schoss achtmal auf das Tor – aber nicht einmal in das Tor © WITTERS | ValeriaWitters
Nicolai Müller (l.) im Duell mit dem Ex-Hamburger Maximilian Beister
Nicolai Müller (l.) im Duell mit dem Ex-Hamburger Maximilian Beister © WITTERS | TimGroothuis
Torwart Loris Karius hat den Ball sicher
Torwart Loris Karius hat den Ball sicher © WITTERS | ValeriaWitters
Hamburgs Ivo Ilicevic (l-r) und Sven Schipplock nehmen dem Mainzer Julian Baumgartlinger den Ball ab
Hamburgs Ivo Ilicevic (l-r) und Sven Schipplock nehmen dem Mainzer Julian Baumgartlinger den Ball ab © dpa | Axel Heimken
Der Mainzer Pablo De Blasis (l.) und Hamburgs Lewis Holtby schauen auf den Ball
Der Mainzer Pablo De Blasis (l.) und Hamburgs Lewis Holtby schauen auf den Ball © dpa | Axel Heimken
Die Mainzer Spieler feiern neben Hamburgs Gideon Jung den Treffer zum 0:1
Die Mainzer Spieler feiern neben Hamburgs Gideon Jung den Treffer zum 0:1 © dpa | Axel Heimken
Hamburgs Matthias Ostrzolek ärgert sich
Hamburgs Matthias Ostrzolek ärgert sich © dpa | Axel Heimken
Hamburgs Michael Gregoritsch (r.) ärgert sich neben dem Mainzer Torwart Loris Karius über eine vergebene Chance
Hamburgs Michael Gregoritsch (r.) ärgert sich neben dem Mainzer Torwart Loris Karius über eine vergebene Chance © dpa | Axel Heimken
Die Mainzer Alexander Hack (l.) und Pierre Bengtson (r.) schauen Hamburgs Michael Gregoritsch beim Schuss zu
Die Mainzer Alexander Hack (l.) und Pierre Bengtson (r.) schauen Hamburgs Michael Gregoritsch beim Schuss zu © dpa | Axel Heimken
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Ganz praktisch ärgerte sich Trainer Bruno Labbadia auch am Tag nach dem Festival der verpatzten Torchancen noch sehr, dass seine Mannschaft neben Gregoritschs Einschuss-Möglichkeit vor allem eine Chance verpasst hat: Sich mit einem Sieg gegen die keinesfalls besseren Mainzer im oberen Tabellenmittelfeld festzubeißen. So scheiterte der HSV bereits zum sechsten Mal in den vergangenen fünf Jahren beim Versuch, zwei Siegen in Serie einen dritten Dreier folgen zu lassen. „Es ist einfach wahnsinnig schade“, sagte Labbadia am Sonntagmittag. „Wir hatten es selbst in der Hand, einen nächsten Entwicklungsschritt zu machen. Aber irgendwie waren wir gegen Mainz nicht ganz am Anschlag.“

HSV trauert verletztem Lasogga nach

Bei einem Torschussverhältnis von 20:11 brauchte Labbadia auch nicht lange über den Hauptgrund für die dritte Heimniederlage der Saison zu fahnden. „Wir waren nicht effizient genug. Wir haben viele Sachen richtig gemacht, aber wir haben einfach zu wenige Bälle auf das Tor geschossen. So kann man am Ende nicht gewinnen.“

Der HSV in der Einzelkritik

Dabei ehrte es Labbadia, dass er die zunehmenden Personalsorgen nicht als Grund für die unnötige Pleite anführte. Neben Torhüter René Adler, der am Mittwoch wieder ins Mannschaftstraining einsteigen soll, fehlten gegen Mainz mit Emir Spahic, Gojko Kacar, Albin Ekdal, Dennis Diekmeier und vor allem mit Pierre-Michel Lasogga sage und schreibe fünf weitere Stammkräfte. Und dass besonders der zuletzt formstarke Sturmtank Lasogga nicht adäquat ersetzt werden kann, gab sogar dessen Teilzeit-Vertretung Gregoritsch ehrlich zu: „Pierre hat seine Qualitäten. Vielleicht hätte er eine meiner Tormöglichkeiten reingemacht.“

Hätte, hätte, Fahrradkette. „Pierre hat sich in den letzten Wochen noch mal gut entwickelt, aber nun müssen wir erst einmal ohne ihn auskommen“, sagte Labbadia, der sich trotz Lasoggas Rückkehr auf den Trainingsplatz am Sonntag keine allzu große Hoffnung auf ein Comeback des Torjägers bis zum schweren Auswärtsspiel beim VfL Wolfsburg macht: „Pierre ist einigermaßen schmerzfrei, aber ich habe ihn nicht als Option auf dem Zettel.“

Labbadia ärgern die vielen Ballverluste

Ganz ohne Hoffnungsträger müssen Labbadia und Co. aber wohl nicht in die Autostadt am kommenden Sonnabend reisen. Denn gerade rechtzeitig vor der Rückkehr an seine alte Wirkungsstätte durfte sich der zuletzt verletzte und kranke Aaron Hunt gegen Mainz über ein Kurz-Comeback freuen. „Es tut gut, körperlich wieder einigermaßen auf der Höhe zu sein“, sagte der Ex-Wolfsburger, der nur allzu gerne in seiner früheren Wahlheimat auch wieder von Anfang an dabei sein will: „Ich habe ja jetzt noch eine Woche Zeit, um an meiner Fitness zu arbeiten.“

Gearbeitet werden muss in dieser Woche neben der Chancenverwertung mindestens genauso an der Chancenvereitelung. Zwar konnte man Hamburgs Hintermannschaft beim ersten Gegentor, bei dem der Spanier Jairo den Ball liegend mit dem Schienbein und allem Glück der Welt über Torhüter Jaroslav Drobny versenkte (16.), keinen wirklichen Vorwurf machen. Doch bei den Gegentoren zwei (Jairo/51.) und drei (Clemens/76.) sah die zuletzt so sattelfeste HSV-Verteidigung alles andere als gut aus. „Besonders die überflüssigen Ballverluste haben mich geärgert“, kritisierte Labbadia, der zudem sehr deutlich darauf hinwies, dass der kommende Gegner derartige Gastgeschenke sehr viel konsequenter als Mainz nutzen würde. „Wolfsburg ist noch eine ganz andere Kategorie“, sagte der Coach, der sich die unglückliche VfL-Niederlage gegen Borussia Dortmund am Abend nach dem Mainz-Spiel noch zu Gemüte führte. Sein Fazit: „Die Wolfsburger haben lange Zeit auch die Dortmunder an die Wand gedrückt. Wir müssen in Wolfsburg einen echten Sahnetag haben.“

Auf so einen Sahnetag hofft vor allem auch Unglücksrabe Gregoritsch, der irgendwann nach dem Spiel der verpatzten Chancen dann doch wieder zu seiner guten Laune fand. Den Hinweis, dass Wolfsburg am Dienstag ja auch noch in der Champions League gegen Manchester United anzutreten habe, konterte der gebürtige Grazer mit dem Anflug eines vorsichtigen Lächelns: „Manchester United? Stimmt, die sind doch in etwa so stark wie wir.“

Ein Spaß, natürlich. Ernst machen will Gregoritsch am Sonnabend.