Darmstadt/Hamburg. Viel Kampf, viel Krampf: Bruno Labbadia sieht noch viel Arbeit. Johan Djourou erklärt, warum Pierre-Michel Lasogga den Elfmeter schoss.

Es war bereits 4 Uhr am frühen Sonntagmorgen, als der HSV-Mannschaftsbus endlich am Volksparkstadion vorfuhr. Stolze sechseinhalb Stunden hatte die Fahrt aus Darmstadt gedauert. Genug Zeit zum Nachdenken über den ärgerlichen Streik der Lufthansa – und vor allem aber über das noch viel ärgerliche 1:1 gegen Aufsteiger Darmstadt 98. „Wenn wir vor einer Woche gegen Hannover gewonnen hätten, dann wäre ich zufrieden gewesen“, konjunktivierte Trainer Bruno Labbadia unmittelbar vor der Nachtfahrt, ehe er das Remis in seiner alten Heimat noch mal in den Kontext der Saison stellte: „Das Spiel gegen Darmstadt hat einmal mehr gezeigt, was uns im Rest der Saison bevorsteht: dass wir immer an unsere Grenze gehen müssen. Wir haben noch einen weiten Weg vor uns.“

Zukunftsmusik. Bevor Labbadia und seine Mannschaft den weiten Weg aus Darmstadt mit dem Bus nach Hamburg zurück legen mussten, galt es zunächst mal die unmittelbare und unbefriedigende Vergangenheit aufzuarbeiten. „Da war nicht viel mit Fußball“, fasste Pierre-Michel Lasogga die vorangegangenen 90 Minuten am stimmungsvollen Böllenfalltor in nur sechs Wörtern treffend zusammen. „Es kam kein richtiges Fußballspiel zustande.“

Einzelkritik: Spahic enttäuscht

Dabei hatte Lasogga selbst recht früh die Weichen für einen möglichen Erfolg in Südhessen gelegt. Einen an Michael Gregoritsch verursachten Foulelfmeter hatte der Angreifer nach einem kurzen Vieraugengespräch mit Kapitän Johan Djourou ziemlich trocken ins linke Eck gedroschen (29.). „Johan und ich sind eingeteilt. Ich hatte ein geiles Gefühl, wollte das Ding einfach reinmachen“, sagte Lasogga, der unmittelbar vor dem Strafstoß von Djourou die Lizenz zum Treffen erhalten hatte. „Erst wollte ich schießen, dann hat Pierre gefragt“, so der Schweizer. „Ein Stürmer braucht Tore.“

Lasogga kritisiert Damrstadts Theatralik

Doch die Hoffnung, dass dieses Stürmertor dem bis dahin fahrigen Spiel der Hamburger guttun würde, wurde schon bald enttäuscht. Direkt vor der Pause musste zunächst Torhüter René Adler gegen Darmstadts Peter Niemeyer in höchster Not retten (43.), direkt nach der Pause war dann aber auch der gut beschäftigte HSV-Keeper machtlos (47.). „Beim Gegentor haben wir fantastisch geschlafen“, schimpfte Adler später. Tatsächlich hatte sich die gesamte Hamburger Hintermannschaft auf Flankengeber Jerome Gondolf konzentriert, dabei aber Darmstadts pfeilschnellen Flügelstürmer Marcel Heller aus den Augen verloren. „Ich weiß gar nicht, wie blank der da ganz hinten stand“, hatte sogar Angreifer Lasogga aus der Ferne beobachtet.

So passierte im weiteren Verlauf genau das, was der HSV im Vorfeld tunlichst verhindern wollte: „Wir haben die Bedingungen angenommen, haben uns auf das Darmstädter Spiel eingelassen“, sagte Adler, der sehr viel mehr als Gegenüber Christian Mathenia zu tun bekam. „Die Darmstädter haben es zu 100 Prozent über lange Bälle versucht“, erkannte Lasogga nach dem Spiel. „Dazu kam noch die ganze Theatralik. Der Schiedsrichter hat ja leider jeden noch so harmlosen Zweikampf abgepfiffen.“

Nach 90 umkämpften Minuten haderte Labbadia allerdings weniger mit der Leistung des Schiedsrichters als mit der Leistung seiner eigenen Mannschaft. „Wir treffen zu oft die falschen Entscheidungen. Wir haben unsere Möglichkeiten nicht zu Ende gespielt“, hatte der Fußballlehrer erkannt. Statt erhoffter sechs Zähler aus den Spielen gegen Hannover und Darmstadt konnte sich sein Team vor der Länderspielpause also gerade mal einen Punkt sichern. Besonders ärgerlich: Es war bereits das dritte Mal in dieser Spielzeit, dass der HSV eine Führung verspielte.

Darmstadt gegen den HSV

Konstantin Rausch im Duell mit  Pierre-Michel Lasogga (r.)
Konstantin Rausch im Duell mit Pierre-Michel Lasogga (r.) © Bongarts/Getty Images | Alexander Scheuber
Pierre-Michel Lasogga setzt einen Kopfball neben das Tor
Pierre-Michel Lasogga setzt einen Kopfball neben das Tor © Bongarts/Getty Images | Alexander Scheuber
Darmstadts Tobias Kempe (r.) und Hamburgs Gotoku Sakai kämpfen um den Ball
Darmstadts Tobias Kempe (r.) und Hamburgs Gotoku Sakai kämpfen um den Ball © dpa | Arne Dedert
Marcel Heller trifft zum 1:1 - weit und breit kein HSV-Spieler in der Nähe
Marcel Heller trifft zum 1:1 - weit und breit kein HSV-Spieler in der Nähe © Bongarts/Getty Images | Alexander Scheuber
Matthias Ostrzolek wird von  Jerome Gondorf (l.) und Gyoergy Garics in die Zange genommen
Matthias Ostrzolek wird von Jerome Gondorf (l.) und Gyoergy Garics in die Zange genommen © Bongarts/Getty Images | Alexander Scheuber
Christian Mathenia hält den Schuss von Marcelo Diaz
Christian Mathenia hält den Schuss von Marcelo Diaz © Bongarts/Getty Images | Alexander Scheuber
Hanburgs Pierre-Michel Lasogga erzielt das 1:0 per Strafstoß gegen Darmstadts Torwart Christian Mathenia (r)
Hanburgs Pierre-Michel Lasogga erzielt das 1:0 per Strafstoß gegen Darmstadts Torwart Christian Mathenia (r) © dpa | Arne Dedert
Junior Diaz wird von Nicolai Müller ausgespielt
Junior Diaz wird von Nicolai Müller ausgespielt © Bongarts/Getty Images | Alexander Scheuber
Aytac Sulu im Duell mit Pierre-Michel Lasogga (r.)
Aytac Sulu im Duell mit Pierre-Michel Lasogga (r.) © Bongarts/Getty Images | Alexander Scheuber
Darmstadts Sandro Wagner (l.) und der Hamburger Johan Djourou im Kopfballduell
Darmstadts Sandro Wagner (l.) und der Hamburger Johan Djourou im Kopfballduell © dpa | Arne Dedert
HSV-Fans zündelten vor dem Spiel
HSV-Fans zündelten vor dem Spiel © Bongarts/Getty Images | Alexander Scheuber
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Labbadia: „Pyrotechnik sah schön aus“

Und trotzdem wusste Torjäger Lasogga, der in dieser Spielzeit fünf von elf Saisontoren erzielt hatte, nicht so recht, ob er sich nun über den gewonnen Punkt oder die zwei verlorenen Zähler freuen oder ärgern sollte. „Nach so einem Spiel kann ich diese Frage nicht wirklich beantworten“, sagte der bullige Angreifer, der kurz darauf mit der Aufforderung des sofortigen Auslaufens noch im Stadion von der Frage-und-Antwort-Runde erlöst wurde.

Ein wirkliches Feuerwerk brannten die HSV-Fans nur vor dem Spiel ab
Ein wirkliches Feuerwerk brannten die HSV-Fans nur vor dem Spiel ab © WITTERS | ThorstenWagner

Den restlichen Sonntag und den Montag gab Labbadia seiner Rumpftruppe aus Nicht-Nationalspielern und Nicht-Verletzten nach der Rückkehr aus Darmstadt frei, ehe ab Dienstag die Vorbereitung für die zweiten beiden Saisondrittel losgehen soll. „Uns wird nichts geschenkt. Wir müssen weiter härter arbeiten als andere Mannschaften, um erfolgreich zu sein“, sagte Labbadia, der trotz des eher unerfreulichen Ergebnisses in der Heimat seinen Humor nicht verloren hatte. Angesprochen auf das Pyro-Feuerwerk einiger unverbesserlicher HSV-Fans, scherzte der Coach: „Vor dem Anpfiff dachte ich noch, dass das in Darmstadt so populäre Heinerfest vorgezogen wurde. Da gibt es dann auch immer ein großes Feuerwerk. Und wenn wir keine Strafe dafür zahlen müssten, dann hätte ich gesagt, dass es ganz schön aussah...“

Immerhin. Über das Spiel konnte man das nun wirklich nicht behaupten.