Hamburg. Mit dem Spiel bei Aufsteiger Darmstadt beginnt für die Hamburger das zweite Drittel der Saison. Zeit für ein sportliches Zwischenfazit.

Das Wort „aufgeben“ hört Bruno Labbadia nicht gerne. Zumindest nicht, wenn es um seine eigene Tätigkeit geht. Doch es gibt da eine Sache, bei der selbst Labbadia seine Weiterentwicklung aufgegeben hat. „Wenn es etwas gibt, für das ich kein Talent habe, dann ist es das Singen“, sagte der HSV-Trainer am Donnerstag. Und so wird es am Sonnabend um kurz vor 18.30 Uhr auch kaum zu erkennen sein, dass Labbadia die Stadionhymne von Darmstadt 98 einst selbst mit eingesungen hat. „Die Sonne scheint“ heißt das Lied, das Labbadia 1986 als Spieler bei Darmstadt 98 gemeinsam mit seinen Kollegen um Bernhard Trares und dem Sänger Alberto Colucci aufgenommen hatte. Noch heute erklingt es beim Einlaufen der Mannschaften am Böllenfalltor. „Meine Stimme wurde sehr stark runtergeregelt“, sagt Labbadia heute lachend über seine Gesangsversuche aus den 80-er Jahren.

Zum Glück für den HSV ist Labbadia nicht Musik-, sondern Fußballlehrer geworden. Und in dieser Tätigkeit arbeitet der Trainer seit sieben Monaten an der Mission, den HSV wieder zu einem erfolgreichen Bundesligisten zu formen. Mit der Begegnung in Darmstadt beginnt für die Hamburger das zweite Drittel der Saison. Zeit für ein sportliches Zwischenfazit.

Wo der HSV schon spitze ist: Minutenlang stand Labbadia am Donnerstag nach dem Training noch mit Johan Djourou und Emir Spahic zusammen. Das Gespräch mit den beiden Innenverteidigern dürfte sich vor allem um ein Thema gedreht haben: Wie behält der HSV bei den kampf- und kopfballstarken Hessen seine defensive Sicherheit? Ordnung und Stabilität gehören zu Labbadias Lieblingsbegriffen. In der Praxis hat er es geschafft, Struktur in das Abwehrverhalten der gesamten Mannschaft zu bringen.

„Was gut läuft, ist die Art und Weise, wie die Mannschaft arbeitet. Sie ist bereit, extrem viel zu investieren“, sagte Labbadia am Donnerstag. Worte, die mit Werten zu belegen sind. Insbesondere mit einer Zahl: 1268. So viele Zweikämpfe gewann der HSV in seinen ersten elf Partien – Bundesligabestwert. Die neue Stärke ist auch ein Verdienst der Innenverteidiger. Spahic (63 Prozent) und Djourou (59 Prozent) liegen mit ihren gewonnenen Zweikämpfen in der Spitzengruppe der Liga.

Ebenfalls die Nummer eins ist der HSV in der Schlussphase. Schon dreimal schafften es die Hamburger, in den letzten fünf Minuten eines Spiels den Siegtreffer zu erzielen. Das gelang keiner anderen Mannschaft der Liga. Labbadia gibt eben nicht gerne auf – und diese Eigenschaft scheint er erfolgreich auf den HSV zu übertragen.

Wo die Mannschaft noch Mittelmaß ist: Vorstandschef Dietmar Beiersdorfer und Sportdirektor Peter Knäbel sprachen zuletzt davon, dass beim HSV wieder eine Spielkultur zu erkennen ist. Im Vergleich zum Fußball der Vorsaison war ein Rückschritt in dieser Kategorie aber auch nicht möglich. In dieser Spielzeit kommt der HSV bislang auf 6612 Ballkontakte – Platz neun in der Liga. Durchschnittlich 49 Prozent Ballbesitz sprechen dafür, dass die Hamburger wieder in der Lage sind, ein Spiel zu gestalten. „Wenn man sich alle Spiele anschaut, konnten wir bis auf Bayern gegen alle Mannschaften mithalten“, sagt Labbadia.

Auffällig ist allerdings, dass die Abwehrspieler des HSV in der Regel die meisten Ballkontakte haben. Matthias Ostrzolek liegt intern mit 690 Ballkontakten vorne. Der Linksverteidiger bevorzugt es aber, die Bälle wieder zum Nebenmann zu spielen, anstatt den Pass in die Spitze zu suchen. Dem HSV fehlt ein dominanter Spieler, der das Spiel an sich reißt. Marcelo Díaz könnte dieser Spieler sein, doch der Chilene kam wegen seiner Länderspielreisen noch nicht wie erhofft zum Einsatz.

Wo der HSV hinten liegt: Es ist ja nicht so, dass sich der HSV keine Chancen erspielen würde. 17 Torschüsse waren es zuletzt gegen Hannover, sogar 20 in Hoffenheim. Mit 130 Torschüssen liegt der HSV ligaweit auf Platz elf. Dass daraus bislang erst zehn Tore entstanden (nur Ingolstadt hat weniger Treffer erzielt), liegt hauptsächlich an der fehlenden Genauigkeit der Abschlüsse. Erst 38 Versuche fanden überhaupt den Weg auf das gegnerische Tor. Nur zwei Mannschaften sind in dieser Kategorie schlechter: die Aufsteiger Ingolstadt (37) und Darmstadt (35). „Wir müssen abgezockter sein, die richtigen Entscheidungen treffen und uns die Selbstverständlichkeit vor dem Tor erarbeiten“, sagt Labbadia. „Wir müssen mehr Kapital schlagen. Ich bin erst zufrieden, wenn ich sehe, dass wir das Optimum herausgeholt haben.“

Aufgeben ist seine Sache eben nicht.