Hamburg. Michael Gregoritsch und Pierre-Michel Lasogga durften in Hoffenheim erstmals gemeinsam im HSV-Sturm ran. Die Lösung für die Zukunft?
Nur wenigen Menschen in Deutschland dürfte das Umstellen von Sommer- auf Winterzeit am Sonntag derart egal gewesen sein wie den Fußballprofis des HSV. Während sich viele Amateurkicker darauf freuten, vor ihrem Kreisligaspiel am Vormittag eine Stunde länger zu schlafen, mussten sich Pierre-Michel Lasogga und seine Kollegen keinen Wecker stellen. Nach dem 1:0-Sieg am Freitagabend in Hoffenheim hatte Trainer Bruno Labbadia seiner Mannschaft nicht nur einen, sondern gleich zwei Tage frei gegeben. „Die Jungs sollen mal ihr Wochenende genießen und entspannt Fußball schauen“, hatte Labbadia noch am Freitag gesagt.
Seine Spieler nahmen ihn beim Wort. Allen voran Lasogga. Der Siegtorschütze von Sinsheim lud sich bereits am Sonnabend seine Mitspieler nach Hause ein, um „mal ganz in Ruhe zu gucken, was die Konkurrenz so macht“, sagte der Stürmer, der am Freitag in der 88. Minute zum einen seine persönliche Serie von 569 Minuten ohne Tor beenden konnte, zum anderen den HSV nach drei Spielen ohne Treffer erlöste. Michael Gregoritsch, der das 1:0 mit einem Doppelpass eingeleitet hatte, bevorzugte es, das Wochenende in Hamburg mit seiner Freundin zu verbringen. „Wenn es ein Mannschaftstermin ist, bin ich da. Wenn nicht, kann ich es meiner Freundin nur schwer vermitteln“, sagte Gregoritsch und grinste. „Aber die älteren Spieler entscheiden.“
Um es vorwegzunehmen: Der Fußballnachmittag bei Lasogga war kein Pflichttermin. Und dass Gregoritsch die freie Zeit lieber in Zweisamkeit genoss, war kein Ausdruck von fehlender Sympathie für seinen Teamkollegen. Im Gegenteil. In Hoffenheim bewiesen Gregoritsch und Lasogga auf dem Platz, dass sie sich ausgezeichnet verstehen. Labbadia ließ die beiden erstmals gemeinsam in der offensiven Zentrale ran. Lasogga wie gewohnt in vorderster Front, Gregoritsch als Ersatz für den verletzten Aaron Hunt dahinter. Ein Plan, der von der ersten Sekunde an aufging – auch dank Gregoritsch, der seine Gefühlslage während des Spiels mit folgenden Worten beschrieb: „Ich habe eine gewisse Geilheit verspürt, in diesem Stadion im HSV-Trikot zu spielen.“ Drei Jahre lang war Gregoritsch zwischen 2011 und 2014 bei der TSG Hoffenheim angestellt. Ein Profispiel für die Kraichgauer blieb dem Österreicher in dieser Zeit aber verwehrt. „Das lag mir schon noch im Magen“, gab Gregoritsch zu. „Dass es so gut läuft, ist natürlich richtig geil.“
Hoffenheim gegen den HSV
Gregoritschs „Geilheit“ war jedoch nicht nur dem Umstand geschuldet, dass er seinem einstigen Trainer Markus Gisdol zeigen wollte, dass er ein guter Fußballer ist. Vielmehr war ihm anzumerken, dass er sich im offensiven Zentrum deutlich wohler fühlt als auf der Außenbahn, auf der er in Hamburg bislang zum Einsatz kam. Seine Stärke, die ständige Suche nach dem Torabschluss, kommt auf seiner neuen Position deutlich besser zum Tragen. Sechs Torschüsse gab Gregoritsch im Rhein-Neckar-Stadion ab – persönlicher Saisonrekord. Und auch der Mannschaft des HSV verhalf er mit seiner Lust am Abschluss zu einer Bestmarke. 20 Torschüsse schafften die Hamburger in Hoffenheim – ebenfalls Saisonrekord.
An der Seite von Gregoritsch fand auch Lasogga wieder zu lange vermisste Torgefahr. Beleg dafür war nicht nur sein vierter Saisontreffer, sondern auch die insgesamt fünf Torabschlüsse. Weil Gregoritsch die Rolle des Zehners deutlich offensiver interpretierte als zuletzt Aaron Hunt, wirkte Lasogga im Sturm nicht mehr so allein gelassen wie in den vergangenen Wochen. „Die beiden haben da vorne richtig viel Theater gemacht“, sagte Labbadia über die Bemühungen der beiden Angreifer. Auffällig: Gregoritsch, 1,93 Meter groß, gewann nahezu alle Kopfballduelle und leitete damit viele Bälle direkt in die Füße von Lasogga weiter. „Ich konnte mich auf die Ablagen konzentrieren und musste nicht im Mittelfeld um die Bälle kämpfen, das tat mir gut“, sagte Lasogga, 1,89 Meter groß.
Die beiden Riesen bildeten in Hoffenheim einen der größten Angriffe der Liga – zumindest in der Kategorie Körpergröße. Aber auch fußballerisch lief es bei den beiden Langen. Exemplarisch dafür war das Siegtor nach einem Bilderbuchangriff. Die Fünf-Kontakt-Kombination über die Stationen Gregoritsch, Zoltan Stieber, wieder Gregoritsch, Sven Schipplock und schließlich Lasogga in weniger als fünf Sekunden war der vermutlich schnellste und sehenswerteste Angriff der vergangenen HSV-Jahre.
Nicht unerwähnt sollte zwar bleiben, dass die Hamburger von einem naiven Hoffenheimer Defensivverhalten profitierten. Und doch wurde deutlich, dass der durch die Hunt-Verletzung aus der Not geborene Plan mit Lasogga und Gregoritsch eine Lösung für die Zukunft sein könnte. Zumindest für die nahe Zukunft. Am kommenden Sonntag gegen Hannover dürfte Labbadia an seiner Ausrichtung nichts ändern. Gregoritsch verspürte bereits nach dem Spiel am Freitag neue Lust auf Fußball. „Gilt Hannover als Nordderby?“, fragte er. „Ja? Dann wird das bestimmt auch wieder geil.“
Das Wochenende genoss der 21-Jährige dann aber tatsächlich ohne Fußball. Und auch seine Kollegen, die sich am Sonnabend noch die Konkurrenz anschauten, nutzten den freien Sonntag. Während Sven Schipplock das Wochenende mit seiner Freundin in Heidelberg verbrachte, feierte Kapitän Johan Djourou zunächst den Geburtstag seiner sechs Jahre alten Tochter Lou, dann nachträglich mit Dennis Diekmeier dessen 26. Geburtstag beim Bowlen. Nur Labbadia konnte es nicht lassen und schaute sich gleich mehrere Spiele an. Er war wohl der Einzige, der sich am Sonntag einen Wecker stellte.