Labbadia kehrt an den Ort der bittersten Niederlage zurück

Hamburg. Vor fünfeinhalb Jahren wurde der Trainer nach einer 1:5-Niederlage in Hoffenheim entlassen. Nachfragen begegnet Labbadia mit Ironie.

Fast auf den Tag genau fünfeinhalb Jahre ist es am Freitag her, als Bruno Labbadia eine der bittersten Niederlagen seiner Trainerkarriere erlebte. Mit 1:5 ging der damalige HSV-Coach bei der TSG Hoffenheim unter – und nur wenige Stunden später fassten Labbadias Vorgesetzte den Entschluss, ihn zu entlassen. Damals befand sich der HSV immerhin auf Tabellenplatz sieben und stand im Halbfinale der Europa League. Wenn Labbadia mit seinem neuen alten Verein an diesem Freitag (20.30 Uhr/Sky und Liveticker auf abendblatt.de) nun ins Kraichgau zurückkehrt, will er das Erlebte außen vor lassen. „Wenn ich mir über mein Gefühl von damals heute immer noch Gedanken machen würde, könnte ich mich auf die kommende Aufgabe gar nicht voll konzentrieren“, sagte der Fußballlehrer am Mittwoch.

Und wer den HSV in den vergangenen Jahren in Hoffenheim hat spielen sehen, weiß, dass es diese Aufgabe in sich hat. Von 21 möglichen Punkten seit dem Bundesligaufstieg der Baden-Württemberger im Jahr 2008 holten die Hamburger gerade einmal vier. 5:19 Tore lautet die ernüchternde Bilanz. Dass die TSG in dieser Saison kaum einmal überzeugen konnte, will Labbadia nicht als Vorteil sehen: „Hoffenheim ist ein angeschlagener Gegner, der uns die Punkte definitiv nicht schenken wird. Sie spielen sehr diszipliniert, haben eine gute Ordnung und setzen ihre Gegner in bestimmten Situationen gut unter Druck.“

„Der Stachel saß lange tief“

Doch ganz so kalt wie er vorgibt, lässt Labbadia die Schmach jener Zeit auch heute noch nicht. Ihm fehlt schlichtweg die Anerkennung für das damals Erreichte, das wird im Interview mit dem HSV-Blog „Matz ab“ deutlich. „Der Stachel saß lange tief. Wenn man gesehen hat, was wir gebracht haben, ist bei den Entscheidern von damals davon wenig hängen geblieben“, erklärte der 49-Jährige vor wenigen Tagen. „Wir hatten einen Startrekord aufgestellt, die Mannschaft super Fußball gespielt. Die Gründe, warum dieses Hoch nicht weitergegangen ist, sind erklärbar. Neulich hat mir jemand erzählt, der Entlassungsgrund sei zu viel Ehrgeiz gewesen – das finde ich echt klasse“, sagt Labbadia ironisch und fügt hinzu: „Fakt ist: Ich kam schlecht weg.“

Ein, zwei Leute hätten die Nerven verloren, hatte Labbadia vor zwei Jahren gesagt, ohne Namen zu nennen. Noch auf der Rückfahrt soll der Vorstand um HSV-Boss Bernd Hoffmann die Absetzung des Trainers beschlossen haben, da Labbadia nicht zugetraut wurde, das zerstörte Verhältnis zwischen ihm und einigen Führungsspielern zu kitten. Zé Roberto, Ruud van Nistelrooy, Frank Rost und Joris Mathijsen wollten ihn nicht mehr, beim Vorstand etablierte sich die Ansicht, dass sich das Team gegen den Trainer gestellt hatte. Der damalige Kapitän David Jarolim hatte das zwar vehement bestritten und sich für den Verbleib Labbadias eingesetzt, doch nicht einmal die Drohung „wenn der Trainer geht, gehe ich auch“, zeigte Wirkung.

Labbadia habe ein echter Sportchef als Puffer gefehlt, jemand, der deutlich auf seiner Seite stand. Sein Fürsprecher Dietmar Beiersdorfer war zu dem Zeitpunkt bereits nicht mehr im Amt. „Du kannst dich nicht permanent selber verteidigen“, sagt Labbadia heute und gibt zu, dass diese Entlassung beim HSV der „wundeste Punkt“ in seiner Trainerkarriere war. „Ich bin mir sicher, dass wir das Endspiel der Europa League erreicht hätten, da wir uns mit dieser Mannschaft über die ganze Saison immer wieder selbst aus dem Dreck gezogen hatten.“

Gisdol steht bei Pleite vor dem Rauswurf

Im Jahr 2015 ist die Europa League mit dem HSV noch kein Thema. Sie könnte bei nur drei Punkten Rückstand auf Platz fünf aber zumindest im Umfeld schnell wieder eins werden, sollte der Club mit drei Zählern zurückkehren. Bei einer Niederlage steckt der Bundesliga-Dino jedoch erneut ganz tief im Abstiegskampf, der laut Labbadia in dieser ausgeglichenen Spielzeit schon „ab Platz sieben“ beginnt. Nach den Trainingseindrücken dürfte kein Zweifel bestehen, dass der Coach die Startelf vom Remis gegen Leverkusen auf den Platz schickt, einzig Michael Gregoritsch wird Aaron Hunt im zentralen Mittelfeld ersetzen. „Er interpretiert diese Rolle aber ganz anders, eher als Stürmer“, erklärt Labbadia. Da sowohl die Nominierungen von Ivica Olic (Prellung am Oberschenkel) als auch Marcelo Diaz (Wadenprobleme) fraglich sind, die sich beide beim Training am Mittwoch verletzten, dürfen sich Zoltan Stieber und Gideon Jung Hoffnungen auf eine Rückkehr in den Kader machen.

Doch selbst wenn der HSV am Freitag erneut mit 1:5 untergehen würde, steht Labbadia in seiner zweiten Amtszeit weder bei den Führungsspielern noch im Umfeld zur Disposition – ganz anders als sein Gegenüber Markus Gisdol, dem bei einer Niederlage die Entlassung droht. Hinter dessen Rücken hat der mächtige Mäzen Dietmar Hopp einige Profis zu einem Krisengespräch in seinen Golfclub bestellt. Stürmer Kevin Volland bestätigte das Gespräch mit Hopp, wollte aber keine Details preisgeben. „Da geht es um sportliche, nicht um irgendwelche politischen Dinge“, sagte der Angreifer und erklärte: „Die Mannschaft steht vollkommen hinter dem Trainer, ganz klar.“ Den HSV dürfte es nicht stören, sollte diese Aussage nur eine Floskel gewesen sein.