Hamburg. Aber Spielmacher Hunt muss das Training abbrechen. Vertragsverlängerung für HSV-Trainer Bruno Labbadia? “Nur keine Hektik.“
Ebenezer Cobb Morley hat Schuld. Der Brite war es, der die ersten 14 festgeschriebenen Fußballregeln um eine wichtige Regel erweiterte: 1870 begrenzte der damalige Präsident der englischen Football Association (kurz: FA) die Zahl der Spieler auf elf. Und genau das ist 145 Jahre später Bruno Labbadias größtes Problem: „Ich kann mich drehen und wenden, wie ich will“, sagt der HSV-Trainer, „aber ich darf eben nur elf Spieler einsetzen. Da kann man nichts machen.“
Nein, kann man nicht. Aber Labbadias Sorgen möchte man haben. „Es ist eine schönere Situation als zum Ende der vergangenen Saison, als wir eine ganze Reihe von Spielern in Watte packen mussten. Jetzt habe ich die Qual der Wahl“, sagt der Fußballlehrer, der sich vor dem Spiel gegen Eintracht Frankfurt tatsächlich über einen in dieser Form fast noch nie vorgekommenen Konkurrenzkampf freuen darf. Vor dem Nachmittagstraining am Montag gab es keinen wirklichen Verletzten oder Gesperrten zu beklagen. So war auch niemand ernsthaft besorgt darüber, dass Neuzugang Aaron Hunt die Einheit wenig später mit Knieproblemen abbrechen musste und die leicht angeschlagenen Albin Ekdal und Johan Djourou nur Runden liefen. Sage und schreibe 25 Profis kämpfen somit um ihren Startelfplatz – oder zumindest um eine Nominierung für den 18-Mann-Kader. F ü n f u n d z w a n z i g – mehr Hauen und Stechen geht nicht.
„Ein gewisser Konkurrenzkampf tut uns gut“, sagt Labbadia, der besonders im Mittelfeld und in der Offensive ein echtes Überangebot zur Verfügung hat. Um die zwei Positionen in seinem 4-2-3-1-System vor der Abwehr bewerben sich vor dem Heimspiel gegen Frankfurt mit Ekdal, Marcelo Díaz, Gideon Jung, Gojko Kacar und Holtby gleich fünf Spieler. Letztgenannter duelliert sich gleichzeitig mit dem leicht angeschlagenen Hunt um die Rolle im offensiven Mittelfeld.
Labbadias Luxusproblem: Fast alle zentralen Mittelfeldspieler konnten zuletzt Überzeugungsarbeit leisten. Holtby etwa gewann gegen Gladbach 75 Prozent seiner Zweikämpfe, 88 Prozent seiner Pässe landeten beim Mitspieler und mit 13,26 Kilometern war der Blondschopf auch noch laufstärkster Spieler auf dem Platz. Doch auch 4,5-Millionen-Mann Ekdal wusste–mit Abstrichen – zu gefallen. Kaum vorstellbar, dass Labbadia ausgerechnet den Schweden gegen Frankfurt opfert. Und Kacar? Der Serbe machte mit einem herausragenden Spiel gegen Gladbach als Spahic-Ersatz in der Innenverteidigung Eigenwerbung, Copa-América-Star Díaz scharrt mit den Hufen und Youngster Jung wurde gerade mit einer Nominierung zur U-21-Nationalmannschaft belohnt. „Es ist gut, aus dem Vollen zu Schöpfen“, sagt Labbadia, der nun bis zum Ende der Woche einige harte Entscheidungen zu fällen hat.
„Natürlich ist es nicht schön, einem Spieler zu sagen, dass er am Sonnabend nicht im Kader ist. Das ist so ziemlich das unangenehmste, was man als Trainer zu tun hat“, sagt Labbadia, der sogar eine ganz konkrete Idee hätte, sich das Leben zu erleichtern: „Ich würde es wie in Italien machen“, sagt er. In der italienischen Serie A darf man als Trainer seit 2012 statt 18 insgesamt 23 Spieler für den Kader nominieren. „Für den Teamgedanken ist es gut, wenn man so viele wie möglich dabei haben könnte“, sagt Labbadia.
HSV gewinnt sensationell in Gladbach
Doch bis zum Heimspiel gegen Frankfurt dürfte sich weder Morleys Elf-Mann-Regel noch die Anzahl der erlaubten Kaderprofis für ein Bundesligaspiel ändern. Somit wird es spätestens am Freitag eine Reihe von Enttäuschungen geben. „Jeder will einen Platz in der Startelf haben. Jeder will sich beweisen“, sagt Ivo Ilicevic, der einer der wenigen Offensivspieler ist, der eine Art Stammplatz hat. Sehr zum Leidwesen von Ivica Olic, dem genauso ein Platz auf der Bank droht wie den Neuzugängen Sven Schipplock und Michael Gregoritsch. Beide haben zuletzt kaum etwas falsch gemacht, außer, beim starken 3:0-Sieg in Mönchengladbach nicht in der Startelf gestanden zu haben.
„Die Mannschaft hat viel für diese komfortable Situation getan“, sagt Labbadia. So würden die Profis immer dienstags vor dem Training ein zusätzliches Kraft- und Stabilitätstraining absolvieren. „Gerade unser Stabiprogramm halte ich für wichtig. Ich bin total davon überzeugt, dass gezieltes Training zur Prophylaxe dient“, sagt Labbadia, der nachweislich in der Vorbereitung mehr als jeder andere Bundesligist hat trainieren lassen.
Auf die Belohnung in Form eines neuen Vertrags kann Labbadia nach eigenen Angaben gut und gerne noch ein wenig warten: „Nur weil wir zwei Spiele gewonnen haben, müssen wir nicht in alte Muster verfallen und gleich meinen Vertrag verlängern“, sagt der Coach. „Nur keine Hektik.“