Hamburg. Nach Pokalaus und Rucksackaffäre droht dem HSV zum Ligastart in München der nächste Tiefschlag. Doch es gibt Hoffnung.

Zunächst war Lewis Holtby dran, dann ging es zu Johan Djourou und Emir Spahic. Am Ende, die meisten Spieler waren bereits in der Kabine angekommen, nahm sich Bruno Labbadia dann auch noch Marcelo Díaz zur Seite. Der Trainer des HSV hatte Gesprächsbedarf. Im letzten Training in Hamburg vor dem Bundesligaauftakt beim FC Bayern München (20.30 Uhr/ARD, Sky und Liveticker auf abendblatt.de) schonte Labbadia seine durch eine Erkältung angeschlagene Stimme nicht. In seinen Einzelgesprächen ging es dabei weniger um die peinliche Pokalniederlage beim Viertligisten Carl Zeiss Jena am vergangenen Sonntag (2:3 n.V.). Schon gar nicht ging es um die am Montag bekannt gewordene Rucksackaffäre um Sportdirektor Peter Knäbel und die in der Öffentlichkeit gefundenen HSV-Dokumente. Vielmehr ging es um eine einzige Frage: Wie kann seine Mannschaft beim Deutschen Rekordmeister bestehen?

Die öffentliche Erwartungshaltung an das Eröffnungsspiel der 53. Bundesligasaison ist klar definiert. Der HSV, darin sind sich alle Experten einig, ist in der Allianz-Arena chancenlos. Wettanbieter zahlen bei zehn Euro Einsatz auf einen Sieg der Hamburger bis zu 350 Euro. MyBet.de bietet sogar eine Quote für einen zweistelligen Sieg der Münchner an. Für einen Euro bekäme man dann 50 Euro zurück. Wenig verwunderlich, blickt man auf die Statistik der vergangenen fünf Gastspiele des HSV in München. 0:8, 1:3, 2:9, 0:6, 0:5. Fünf Ergebnisse, die den sportlichen Niedergang der Hamburger in den vergangenen Jahren verdeutlichen und der in der 2:3-Pleite in Jena einen vorläufigen Höhepunkt fand. „Diese Niederlage hat uns echt getroffen und uns die Vorfreude auf das Spiel vermiest“, sagte Trainer Labbadia, der einen derartigen Tiefschlag nach der gelungenen sechwöchigen Vorbereitung nicht für möglich gehalten hatte.

Die Wende soll nun der Mann einleiten, dem das Kunststück eines HSV-Sieges gegen die Bayern letztmals gelang: Bruno Labbadia. Es war ein lauer Herbstabend am 26. September 2009, als die Hamburger nur drei Tage nach dem Pokalaus beim Drittligisten VfL Osnabrück im Volkspark auf die Münchner trafen. In einem packenden Spitzenspiel siegte der HSV dank der groß aufspielenden Jerome Boateng und Zé Roberto durch ein Tor von Mladen Petric mit 1:0 und war nach sieben Spieltagen Tabellenführer der Liga. „Labbadias meisterliche Taktik“ titelte das Abendblatt damals. Kapitän David Jarolim verriet: „Unser Rezept war es, keinen Platz für Robben und Ribéry zuzulassen – das ist aufgegangen.“ Meister, das wurden am Ende aber doch die Bayern. Labbadia musste nach dem 32. Spieltag gehen und der HSV mutierte in fünf Jahren vom Titelkandidaten zur Lachnummer der Liga.

Hoffnung auf bessere Zeiten versprüht nun eben jener Labbadia. Sich in das Schicksal der Aussichtslosigkeit zu begeben, das ist nicht die Sache des 49-Jährigen. „Ich kann mich nicht damit abfinden, irgendwo hinzufahren um nur gut auszusehen. Wir wollen unsere Chance nutzen“, sagte Labbadia vor der Reise nach München bemerkenswert selbstbewusst. Auch wenn ihm bewusst sei, dass die Bayern „in den vergangenen Jahren enteilt sind“, sagt Labbadia. „Sie haben ihren Kader immer besser gemacht. Ein 40-Millionen-Transfer ist normal. Man braucht einen Sahnetag, um sie zu schlagen.“

Als Labbadia 2009 mit seiner „meisterlichen Taktik“ die Bayern schlug, war der HSV noch so etwas wie der Angstgegner der Münchner. Sechs Ligaspiele in Folge hatte der Rekordmeister damals nicht gegen die Hamburger gewinnen können. Seitdem hat sich die Statistik komplett gedreht. Drei Unentschieden, acht Niederlagen, 5:39 Tore lautet die Bilanz der letzten elf Ligaspiele. Will der HSV in München tatsächlich mehr als nur gut mitspielen, muss eine neue Meistertaktik her. Labbadia verrät über seinen Plan nur so viel: „Wir müssen über eine hohe Laufbereitschaft kommen, aber auch einen Gegendruck erzeugen und die Situationen, die wir bekommen, konsequent durchsetzen.“

Es bedarf vermutlich noch etwas mehr, will der HSV gegen das Weltklasseensemble der Bayern eine Sensation schaffen. Labbadia hofft daher auch auf einen zusätzlichen Motivationsschub durch die weltweite TV-Aufmerksamkeit. Der Ligaauftakt wird in 200 Länder übertragen. „Wenn man weiß, wie viele Menschen vor dem Fernseher sitzen, ist das ein besonderer Reiz. Wir wollen ein leidenschaftliches Spiel abliefern“, sagt Labbadia.

Vermutlich wären die Hamburger Verantwortlichen aber schon froh, wenn sie am Ende ein ähnliches Ergebnis erzielen wie der FC Nöttingen. Der Fünftligist verlor im DFB-Pokal am vergangenen Sonntag gegen die Bayern nur mit 1:3. Auch auf dieses Ergebnis haben vor dem Spiel wohl nur wenige Experten gewettet.

Nach dem Spiel in München folgt wie gewohnt der HSV-Talk „Matz ab“ im Livestream auf abendblatt.de mit den Experten Dieter Matz und Marcus Scholz sowie ihren Gästen Vahid Hashemian und Andreas Fischer.