Hamburg. Ein Bericht über interne Unterlagen, die Peter Knäbel abhanden gekommen sind, setzt den HSV-Sportchef stark unter Druck.

Eines kann man Peter Knäbel nun wirklich nicht vorwerfen: dass der HSV-Sportchef in schwierigen Situationen auf Tauchstation ginge. Der Manager, der nicht einmal ein Jahr beim HSV im Amt ist, hat sich durch die Geschehnisse der vergangenen Saison sogar eine gewisse Krisenexpertise angeeignet. Doch für das, was da am vergangenen Wochenende folgte, fehlten sogar dem sonst aufgeschlossenen Sportchef am Montag die Worte. Zumindest zunächst. Es sei doch alles gesagt, ließ Knäbel am Morgen nach dem 2:3-Pokaldebakel gegen den Viertligisten Carl Zeiss Jena ausrichten – wobei nicht mal die bittere Pokalblamage gemeint war. Gemeint war vielmehr eine in dieser Form einmalige Panne, die in den sozialen Netzwerken unter dem Stichwort #Rucksackgate längst die Runde gemacht hatte – und die Knäbel am frühen Abend dann doch zu einem kurzen Statement gegenüber „Sport1“ bewegte. „Ich setzte den Stahlhelm auf und die Polizei soll ermitteln“, sagte der mitgenommene Sportdirektor. „Alles soll lückenlos aufgeklärt werden. Es ist ein laufendes Verfahren.“

Doch was war überhaupt passiert?

Auslöser des Ganzen war ein Artikel der Bild-Zeitung, die in ihrer Montagsausgabe bundesweit darüber berichtet hatte, dass „Dutzende interne Unterlagen des HSV“ wie Gehälter und Prämien von Spielern, Betreuern und vom Trainer auf einer Wiese im Hamburger Jenischpark gefunden worden waren. Eine Altenpflegerin hatte Knäbels Unterlagen angeblich entdeckt und nach eigenen Angaben vergeblich versucht, den Sportchef persönlich und auch den HSV auf den brisanten Fund aufmerksam zu machen. Als mehrere Versuche gescheitert waren, wandte sich die Finderin nach Angaben der Bild – natürlich an die Bild. „Der Rucksack mit den Sachen wurde mir geklaut. Ich habe den Diebstahl inzwischen zur Anzeige gebracht“, sagte Knäbel der Boulevardzeitung.

Knäbel bemerkte fehlenden Rucksack erst durch Bild-Hinweis

Doch was nach einer etwas peinlichen, aber eher harmlosen Folge aus der täglichen HSV-Serie „Pleiten, Pech und Pannen“ klingt, könnte sehr ernsthafte Konsequenzen nach sich ziehen. Das Problem: Knäbel konnte oder wollte bislang nicht plausibel erklären, warum er die internen Dokumente überhaupt bei sich hatte und – viel schlimmer – wie sie ihm abhanden gekommen waren. Denn den von ihm eingeräumten Diebstahl wollte Knäbel erst bemerkt haben, nachdem die Chefredaktion der Bild den Manager am Sonntagmorgen zur Rede gestellt hatte.

Was irgendwie immer noch lustig klingt, wird spätestens jetzt ernst. Denn Knäbels Begründung, er sei umgezogen und habe erst nach ein paar Tagen bemerkt, dass die Dokumente mit den extrem vertraulichen Daten fehlten, sorgte noch vor der Veröffentlichung des Artikels in der Nacht zum Montag für reichlich Wirbel. Eilig wurden interne Mails geschrieben, sämtliche Entscheidungsträger des Clubs informiert und eventuelle Konsequenzen besprochen. Besonders innerhalb des Aufsichtsrats des HSV, der ebenfalls noch in der Nacht per Mail über die Posse in Kenntnis gesetzt wurde, war das Unverständnis über die Sorglosigkeit des Sportchefs groß. Sogar arbeitsrechtliche Konsequenzen sollen in Erwägung gezogen worden sein.

Und tatsächlich gibt es nach Angaben des Hamburger Arbeitsrechtlers Markus Illmer von der Kanzlei Klemm & Partner durchaus gute Gründe für juristische Konsequenzen. „Eine Verletzung der arbeitsrechtlichen Sorgfaltspflicht ist in diesem Fall sehr wahrscheinlich“, sagte der Anwalt. „Ist dies tatsächlich der Fall, könnte man selbstverständlich als Vorstand über personaljuristische Maßnahmen wie eine Abmahnung nachdenken.“

Knäbel bleibt HSV-Sportchef

An dieser Stelle könnte es nun ungemütlich werden. Denn während mehrere Kontrolleure arbeitsrechtliche Konsequenzen für zwingend notwendig halten, lehnten Vorstandschef Dietmar Beiersdorfer und Aufsichtsratschef Karl Gernandt diese nach zahlreichen Gesprächen ab. „Peter Knäbel genießt das Vertrauen der HSV Fußball AG und wird seine Funktion als Direktor Profifußball weiter ausüben“, erklärten Beiersdorfer und Gernandt am Abend in einer gemeinsamen Stellungsnahme. Und weiter: „Der Vorstand der HSV Fußball AG wird eine unabhängige Aufklärung der Vorgänge beauftragen.“

Die Fortsetzung dürfte also schon bald folgen, auch wenn Trainer Bruno Labbadia, ebenfalls ein routinierter Scherbenaufkehrer, am Montag nicht nur um sportliche Schadensbegrenzung bemüht war. „Es ist, wie es ist“, kommentierte Labbadia das Rucksackgate. „Das werden wir zusammen durchstehen. Es ist ein Missgeschick passiert, aber mehr gibt es von unserer Seite da gar nicht zu sagen.“

Vielleicht nur noch eines. So twitterte der HSV ganz offiziell: „Faktenorientierte Geschichte: Rucksack gestohlen, Strafanzeige gestellt, Dokumente zurück, Dank an Finderin, besser Fußball spielen. #aufgeklärt“.

Eine interessante Sichtweise. Dabei dürften der vorletzte Punkt („besser Fußball spielen“) und vor allem der letzte Punkt („#aufgeklärt“) bei allen gutgemeinten Statements vorerst fromme Wünsche bleiben.