Hamburg. Vor dem Pokalspiel sprach das Abendblatt mit dem HSV-Trainer über Stand-up-Paddeling, Selfies, Liebesbriefe – und Partyabstürze

Den Treffpunkt hat Bruno Labbadia, 49, vorgeschlagen: das Café A.mora an der Außenalster. Die Location ist für den HSV-Coach, der nur wenige Fußminuten entfernt in St. Georg wohnt, ein echtes Heimspiel. Die Themen sind für den Trainer dagegen ein viel ungewöhnlicheres Auswärtsspiel als der Saisonauftakt am Sonntag bei Carl Zeiss Jena.

Hamburger Abendbla tt: Herr Labbadia, wir haben uns eine Herkulesaufgabe vorgenommen: ein Interview über alles – außer Fußball. Die Frage, die wir uns vorab gestellt haben: Kann man überhaupt mit jemandem, der sich 24 Stunden am Tag mit Fußball beschäftigt, ein fußballfreies Gespräch führen?

Bruno Labbadia: Das ist nicht einfach, aber wir können es versuchen.

Dann los. Herr Labbadia, macht es Spaß, Bruno Labbadia zu sein?

Labbadia : Es bringt vor allem Spaß, wenn wir Erfolg haben. (lacht) Aber im Ernst: Ich hätte es auch schlechter treffen können. Ich lebe in meiner Lieblingsstadt und trainiere den größten Fußballclub. Ja, das bringt Spaß.

Alster oder Elbe?

Labbadia : Das ist eine gemeine Frage. Ich liebe die Alster, aber die Elbe mag ich auch sehr. Der Elbstrand, der Hafen, die Landungsbrücken.

Sind Sie eine Wasserratte?

Labbadia : Es ist schon genial, in einer Stadt am Wasser zu leben. Ich bin gerne am, im und auf dem Wasser. Neulich habe ich mich zum Beispiel im Stand-up-Paddeling ausprobiert.

Sie also auch! Was reizt Sie daran?

Labbadia : Gerade in Hamburg mit all den Kanälen bringt das unglaublich Spaß. Man entdeckt die Stadt auf eine ganz andere Art und Weise. Man sieht Sachen, die man von der Straße aus einfach nicht sehen kann.

Sie werden auf der Straße oft erkannt. Grob geschätzt: Wie viele Selfies müssen Sie am Tag über sich ergehen lassen?

Labbadia : Viele. Irgendwann muss das gemeinsame Foto das altmodische Autogramm abgelöst haben. Auch in der Stadt, im Restaurant oder im HVV-Bus werde ich nett nach einem Foto gefragt.

Im HVV-Bus?

Labbadia : In der Stadt lasse ich den Wagen meist stehen. Ich laufe am liebsten, aber meine Frau ist bequemer. Meistens besteht sie darauf, den Bus zu nehmen. Das eine oder andere Foto stört uns aber überhaupt nicht.

Haben Sie jemals selbst ein Selfie mit einem anderen Promi gemacht?

Labbadia : Da bin ich jungfräulich. Dieser Trend ist an mir vorbeigegangen.

Das können wir kaum glauben.

Labbadia : Ich habe mal etwas erlebt, woran ich bei diesem Thema immer denken muss. Wir hatten einen Prominentenkick mit vielen ehemaligen Fußballern, Dirk Nowitzki und Michael Schumacher. Auf dem Platz wirkten die beiden total gelöst, haben um jeden Ball gekämpft. Als wir in der Kabine saßen, wollten ein paar von den Fußballern gemeinsame Fotos mit Schumacher machen. Der hat das zwar routiniert mitgemacht, aber von einen auf den anderen Moment war seine Gelöstheit weg. Da ist mir klar geworden, dass diese Selfie-Geschichten eigentlich Mist sind.

Dann Schluss jetzt mit Selfies. Bekommen Sie noch ganz altmodisch Fanpost?

Labbadia : Klar, handgeschriebene Briefe, bei denen sich die Fans wirklich Mühe gemacht haben. Nach dem Relegationsfinale habe ich viele Dankesbriefe bekommen, davor war auch mal ein Glücksschwein oder ein Talisman in meinem Briefkasten.

Wie sieht’s mit Liebesbriefen aus?

Labbadia : Das ist vorbei, dafür bin ich wohl zu alt. (lacht)

Wir werden indiskret: Wann haben Sie Ihrer Frau das letzte Mal einen Liebesbrief geschrieben?

Labbadia : Einen richtigen Brief habe ich ihr schon länger nicht geschrieben. Ich spreche das lieber persönlich aus. Oder sende mal eine liebe SMS.

Was für ein Typ sind Sie? SMS-Schreiber, WhatsApper oder Telefonierer?

Labbadia : Bei WhatsApp bin ich nicht, aber SMS schreibe ich viel. Die direkte Kommunikation wird ja immer weniger, was ich sehr schade finde. Manche Leute sind ja ständig online, auch beim gemeinsamen Abendessen am Tisch im Restaurant. Das empfinde ich schon als eine kritische Entwicklung.

Ist Ihr Handy nachts auf Empfang?

Labbadia : Jein. Mein Handy ist an, weil es gleichzeitig mein Wecker ist. Ich habe das Handy aber im Flugmodus.

Ihr Sohn ist 17 Jahre alt. Gibt es Handyverbotszonen zu Hause?

Labbadia : Das war nie notwendig. Er war auch nie so süchtig nach seinem Handy.

Kein Facebook, kein Twitter?

Labbadia : Ich gar nicht, er weniger.

Haben Sie Jogi Löws Handynummer in Ihrem Telefon eingespeichert?

Labbadia : Ja. Das ist jetzt aber fast eine Fußballfrage ...

Punkt für Sie. Wie ist Ihr Klingelton? Foo Fighters?

Labbadia : Ich habe gar keinen Klingelton. Mein Handy ist immer im Vibrationsmodus. Aber das Foo-Fighters-Konzert im Mai in der O2 World war schon ein echtes Highlight. Ich muss zu meiner Schande gestehen, dass ich die Gruppe vor dem Konzert gar nicht so richtig kannte. Meine Frau ist Fan – und sie hat mich überzeugt. Es war eines der besten Konzerte, das ich je erlebt habe.

Einen Tag später haben Sie dann das Kon­trastprogramm mit Helene Fischer erlebt.

Labbadia : Das stimmt, aber auch das Konzert fand ich richtig gut. Manche tun das ja als Mainstream ab. Ich fand die Show hochprofessionell.

Was hören Sie sonst noch?

Labbadia : Alles querbeet. Ich bin da nicht so festgelegt, wobei mir besonders Soul und Funk gut gefallen. Auch kleine Clubs mit eher unbekannten Künstlern finde ich super. Musiker sind schon beeindruckend. Die geben immer Gas. Egal, ob fünf oder 5000 Leute zuhören.

Spielen Sie ein Instrument?

Labbadia : Leider nicht.

Wie sieht’s mit der Oper aus? Interesse?

Labbadia : Interesse, ja. Ein Fan, nein. Ich bin eher ein Musical-Fan.

Dann sind Sie ja in Hamburg genau in der richtigen Stadt.

Labbadia : Stimmt. Vor ein paar Wochen sind wir mit der Barkasse auf die andere Elbseite gefahren, haben dort das Musical „Das Wunder von Bern“ gesehen. Einfach klasse!

Die Überfahrt oder das Musical?

Labbadia : Beides. Ich war gleich zweimal in „Das Wunder von Bern“. Da hatte ich noch Zeit. Vielen Dank dafür noch mal an den VfB Stuttgart. Auch „Rocky“ habe ich gesehen, und natürlich den „König der Löwen“. Ich war in London, New York und Wien im Musical. Das „Phantom der Oper“ habe ich gleich dreimal gesehen. Die Musik ist toll, und auch das Bühnenbild haut mich oft um. Das war vor allem bei „Das Wunder von Bern“ der Fall.

Was war so besonders?

Labbadia : Es war extrem beeindruckend, wie diese Fußballszenen auf der großen Bühne dargestellt wurden. Ich war mit zwei Freunden da, die sich noch selbst sehr gut an das echte Wunder von Bern erinnern konnten. Bei denen flossen sofort die Tränen. Und auch meine Augen waren zumindest feucht.

Sind Sie ein Sensibelchen? Weinen Sie auch mal beim Liebesfilm?

Labbadia : Kann, muss aber nicht passieren. Gefühlvolle Filme mag ich, auch Komödien und Fantasyfilme wie „Der Hobbit“.

Wie sieht’s mit Serien aus?

Labbadia : Da besteht bei mir ein gewisses Suchtpotenzial. An freien Abenden gucke ich gerade Shameless. Der absolute Wahnsinn! Die Serie ist anrüchig, lustig, unterhaltsam und intelligent.

Ein kurzer Seriencheck: Breaking Bad?

Labbadia : Wurde mir empfohlen, habe ich aber noch nicht gesehen.

House of Cards?

Labbadia : Natürlich gesehen. Super. Kevin Spacey ist überragend. Als Zuschauer kann man sich richtig hineinfühlen, wie es hinter den Kulissen der großen Politik abgeht.

Sind Sie ein politischer Mensch?

Labbadia : Ich interessiere mich für Politik, aber ich finde das ganze Drumherum auch wirklich grenzwertig. Oft vergisst man, was für ein Rattenschwanz hinter jeder politischen Entscheidung hängt. Das ist schon ein Höllenjob.

Haben Sie gewählt?

Labbadia : Natürlich.

Wen?

Labbadia : Wahlgeheimnis ...

Was würden Sie als Politiker ändern?

Labbadia : Die Steuergesetze modifizieren. Ich bin zum Beispiel der Meinung, dass Gutverdienende und Spitzenverdiener in Deutschland ruhig auch entsprechende Steuern zahlen können ...

... also sind Sie eher kein FDP-Wähler ...

Labbadia : ..., weil wir unseren Lebensstandard nur durch unsere Steuergelder aufrechterhalten können. Der Blick nach Griechenland reicht doch aus, um zu sehen, dass der Lebensstandard der meisten Menschen hier eben nicht selbstverständlich ist.

Grexit oder kein Grexit?

Labbadia : Ich bin Fußballtrainer und kein Finanzpolitikexperte. Normalerweise werde ich ins Sportstudio eingeladen und nicht zu „Hart aber Fair“. Ich kann nur meine Meinung kundtun.

Bitte schön.

Labbadia : Ich finde, dass man berücksichtigen sollte, dass wir uns für eine europäische Solidargemeinschaft entschieden haben. Aber natürlich kann ich auf der einen Seite auch alle verstehen, die keine Lust mehr haben, für ein vermeintliches Fass ohne Boden zu zahlen. Auf der anderen Seite sollte man auch sehen, wie es den Griechen wirklich geht. Dort wird an allen Ecken und Enden gespart. Am Ende trifft es hauptsächlich wieder den einfachen Mann und die ältere Bevölkerung.

Haben Sie Angst vorm Älterwerden?

Labbadia : Es gibt schon Momente, an denen ich darüber nachdenke. Als meine beiden Eltern starben, wurde mir sehr bewusst, wie schnell das alles gehen kann.

Haben Sie schon mal über Ihre eigene Beerdigung nachgedacht?

Labbadia : Noch nie.

Wirklich nicht?

Labbadia : Wirklich nicht. Als mein Vater gestorben ist, habe ich mich gefragt, wie mein Sohn reagiert, wenn ich irgendwann nicht mehr da bin. Das ist schon ein beklemmendes Gefühl. Da will man dann auch gar nicht allzu viel drüber nachdenken.

Dann wechseln wir mit 180 Grad das Thema: Ist Mode wichtig für Sie?

Labbadia : Klar interessiere ich mich dafür. Das habe ich früher auch, obwohl man das kaum glauben kann, wenn man die Fotos von damals sieht. Vokuhila, Schnauzer, da war alles dabei. Aber so war nun mal der Trend. Heute gibt es andere Trends, die wir in 20 Jahren wohl nicht verstehen werden. Nach Berlin kann man sich heutzutage ja kaum noch ohne Vollbart trauen.

Die letzte Party, auf der Sie abgestürzt sind?

Labbadia : Ziemlich gut ging es mir nach dem Relegationsrückspiel, als wir noch um 6 Uhr morgens mit unseren Frauen im Erika’s Eck gefeiert haben. Am Abend darauf ging es dann gleich weiter. Zwei Abende hintereinander gefeiert habe ich davor sehr lange nicht.

Bier, Wein oder Cocktail?

Labbadia : Wein.

Das letzte Mal, dass Sie mit Ihrer Tochter auf einer Party waren?

Labbadia : Wir gehen abends gerne mal zusammen aus. Noch habe ich das Gefühl, dass ich nicht zu alt dafür bin, obwohl dieses Gefühl wahrscheinlich alle Eltern haben. Aber ich hoffe mal, dass sich meine Tochter und mein Sohn noch nicht für mich schämen.

Gehen Sie auch mal tanzen?

Labbadia : Das ist nicht unbedingt die Regel, aber es kommt schon mal vor. Silvester waren wir auf Mallorca auf dem Marktplatz von Santanyi. Da haben wir es als Familie mal so richtig krachen lassen, keiner ging vor 7 Uhr ins Bett.

Worüber denken Sie im Bett nach?

Labbadia : Wenn ich ins Bett gehe, habe ich am Tag genug nachgedacht.

Anders gefragt: Ihre letzte Tat, bevor Sie die Nachttischlampe ausknipsen?

Labbadia : Ich guck noch mal bei meinem Sohn vorbei.

Kein Buch mehr? Kein Fernsehen?

Labbadia : Fernsehen am Bett gibt es nicht. Und beim Buch würde ich wahrscheinlich sofort einschlafen.

Langschläfer oder Frühaufsteher?

Labbadia : Frühaufsteher! Spätestens um 7 Uhr bin ich auf den Beinen.

Können Sie gut entspannen?

Labbadia : Nicht besonders. Meinen letzten längeren Urlaub habe ich nach meiner ersten Beurlaubung in Hamburg gemacht. Da habe ich erst so richtig mitbekommen, dass es noch etwas anderes als Fußball gibt.

Zum Glück, sonst hätten wir dieses Gespräch gar nicht machen können.

Labbadia : Man denkt ja immer, man sei unersetzlich. Dann wird man beurlaubt, und nach kurzer Zeit fragt keiner mehr nach dir. Das war die erste Erkenntnis ...

Und die zweite ...?

Labbadia : Wie schön das Leben auch ohne Fußball sein kann. Plötzlich kann man so ganz banale Sachen machen, wie eine Geburtstagsfeier planen oder ein gemeinsames Wochenende verbringen. Das alles ist toll, aber gleichzeitig merkt man auch, dass einem dann plötzlich wieder der Fußball fehlt. Das ist schon irgendwie eine Sucht. Dieses Adrenalin, vor 50.000 Zuschauern am Wochenende an der Seitenlinie zu stehen und seine Mannschaft zu begleiten.

Herr Labbadia, nun sind Sie es aber, der doch wieder von Fußball anfängt ...

Labbadia : Dann müssen wir wohl zum Ende gekommen sein ...

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