Harsewinkel. HSV-Neuzugang Gotoku Sakai spricht äußerst freimütig über asiatische Höflichkeit, Mario Götze und kulturelle Unterschiede.
Die Begrüßung fällt schon mal standesgemäß aus. „Moin“, sagt Gotoku Sakai, 24, erst seit zwei Wochen in Hamburg. Große Integrationsprobleme musste man bei dem in den USA geborenen Japaner ohnehin nicht befürchten.
Hamburger Abendblatt: Herr Sakai, die „Stuttgarter Zeitung“ hat Sie mal als den deutschesten Japaner aller Zeiten beschrieben. Was ist so deutsch an Ihnen?
Gotoku Sakai: Puh, keine einfache Frage. Man sagt ja immer, dass Japaner ruhig, höflich, zurückhaltend, nett sind. Zumindest auf dem Fußballplatz bin ich das alles nicht, eher aggressiv. Und Japanern sagt man auch nach, dass sie ungern ihre eigene Meinung vertreten. Auch da bin ich anders. Wenn ich was zu sagen habe, dann sage ich das auch.
Der HSV-Kader in der Saison 2015/16
Was ist typisch deutsch für Sie?
Sakai : Bier. Deutschland ist doch das Bierland Nummer eins, oder? Und auch da bin ich zumindest ein bisschen deutsch. Ich trinke gern mal ein Bier, am liebsten Weizenbier.
Ihre Mutter Angelika ist Deutsche, Ihr Vater ist Japaner. Wurden Sie deutsch oder japanisch erzogen?
Sakai : International. Meine Eltern haben sich ja in den USA kennengelernt. Ich bin in New York geboren, als ich zwei Jahre alt war, sind wir dann nach Japan gezogen. Weil meine Mutter aber nicht so gut Japanisch spricht, haben wir immer einen Mischmasch gesprochen. Ein bisschen Englisch und Deutsch, ein bisschen Japanisch. Aber eigentlich war die Sprache ganz egal. Sie ist meine Mutter, und natürlich habe ich immer verstanden, was sie wollte.
Ist die Sprache auch in einem so internationalen Team wie beim HSV egal?
Sakai : Ganz im Gegenteil. Ich finde, dass man in einer Fußballmannschaft unbedingt schnell die Heimatsprache lernen sollte. Als ich nach Stuttgart gewechselt bin, habe ich mir sofort einen Deutschlehrer gesucht. Ich hatte viermal in der Woche Unterricht. Fußballdeutsch kann ich perfekt – und alles andere lerne ich nach und nach. Darüber freut sich besonders meine Oma.
Ihre Oma?
Sakai : Ja. Sie wohnt in Nürnberg. Und natürlich kann sie kein Japanisch. Jetzt ist mein Deutsch immerhin schon so gut, dass ich mit meiner Omi ein bisschen reden kann.
Ihre Kinder sind drei und vier Jahre alt. Sprechen die beiden schon Deutsch?
Sakai : Noch nicht so gut. Bis wir eine Wohnung in Hamburg gefunden haben, bleibt meine Familie erst einmal in Japan. Aber wir haben schon einen japanischen Kindergarten gefunden. Was die Sprache betrifft: Kinder lernen ja meistens viel schneller als wir Erwachsenen. Wahrscheinlich sprechen die beiden bald besser Deutsch als ich.
Von Altintas bis Trares: Das sind die Neuen
Der erste HSV-Japaner Naohiro Takahara konnte kein einziges Wort Deutsch.
Sakai : Vielleicht lag das daran, dass Japaner oft sehr schüchtern sind. Aber ich bin da ein bisschen anders.
Zu Takaharas Zeiten waren fast täglich vier oder fünf japanische Journalisten beim HSV-Training vor Ort.
Sakai : Takahara war ein Superstar. Ich bin noch nicht eine so ganz große Nummer in Japan. Ich bin zwar Nationalspieler, aber als Außenverteidiger schieße ich ja auch nicht so viele Tore wie ein Stürmer wie Takahara.
Stimmt es eigentlich, dass Sie fast deutscher Nationalspieler wurden?
Sakai : Nein. Vor der EM 2012 hat
mich ein Stuttgarter Journalist gefragt, ob ich mir vorstellen könne, für Deutschland zu spielen. Und weil ich leider ein höflicher Japaner bin, habe ich gesagt, dass es mir natürlich eine Ehre wäre. Aber mich hat nie jemand vom DFB gefragt – und ich habe ja auch für alle Nachwuchsteams Japans gespielt.
Dabei hätten Sie rein theoretisch auch für die USA spielen können, oder?
Sakai : Theoretisch schon. Weil ich in New York geboren bin, hatte ich sogar einen amerikanischen Pass. Aber in Japan sind keine doppelten Staatsbürgerschaften erlaubt. Ich musste dann meinen US-Pass abgeben.
Haben Sie eine Erklärung dafür, dass Bundesligatrainer so gerne Japaner in der eigenen Mannschaft haben?
Sakai : Japanern sagt man nach, dass sie sehr diszipliniert sind. Und wahrscheinlich stimmt das auch. Ein Japaner macht, was der Trainer ihm sagt. Wenn ein Trainer während des Spiels sagt: Geh’ nach vorne, dann geht ein Japaner auch nach vorne. Und wenn der Trainer sagt: Geh’ zurück, dann geht man eben zurück. Was Japanern fehlt, auch mir, ist Mut. Oder besser: Selbstinitiative. So ist nun mal die Mentalität, aber als Spieler darf man ja nicht immer darauf warten, dass man Kommandos bekommt.
Kommandos bekommen Sie im Trainingslager hier jede Menge. Der Umfang der Einheiten ist ganz schön happig ...
Sakai : So ist Bruno. Aber ich kenne ihn ja aus Stuttgart. Und da haben wir sogar noch mehr trainiert.
Beim HSV ist es Tradition, dass die neuen Spieler im Trainingslager ein Lied singen müssen. Mussten Sie schon ran?
Sakai : Noch wurde ich verschont. Wenn ich wirklich performen muss, dann singe ich die japanische Nationalhymne.
War Mario Götzes angeblicher Sushi-Fauxpas eigentlich in Japan ein Thema?
Sakai : Ja, natürlich. Er soll ja gesagt haben, dass er chinesisches Essen mag – besonders Sushi. Da musste ich ein bisschen lachen. Aber seine Aussage wurde danach ja noch mal ein bisschen revidiert. Trotzdem war das witzig.
Sind Sie denn Sushi-Fan oder mögen Sie auch deutsche Hausmannskost?
Sakai : Klar mag ich Sushi. Aber ich liebe auch deutsches Essen. Meine Mutti hat immer deutsches Essen gekocht. Ihr habt ja wirklich lustige Gerichte.
Zum Beispiel?
Sakai : Ihre Spezialität war Frikadelle mit einem Spiegelei in der Mitte. Ein fränkisches Gericht, Vogelnest heißt das wohl. Auf so ein Essen muss man erst mal kommen. Schmeckt aber gut.