Hamburg. Seit 2010 ist Klaus-Michael Kühne wichtigster Geschäftspartner des HSV. Seitdem gibt es die Frage: Wie viel Macht hat er im Club?
Wer Klaus-Michael Kühne fragt, wie seine Liebe zum HSV begann, der muss ein wenig Zeit mitbringen. Der schwerreiche Unternehmer ist seit Kindertagen glühender Anhänger der Rothosen. Gerne erzählt der gebürtige Hamburger mit leuchtenden Augen, wie er schon als kleiner Buttje auf der Tribüne am Rothenbaum gestanden hat. Besonders Uwe Seeler habe er als Schüler verehrt. Es ist eine schöne, eine fast rührende Geschichte.
Doch zu der vollständigen Geschichte gehört auch, dass Kühne nicht nur ein großer HSV-Fan ist, sondern vor allem ein noch viel größerer Geschäftsmann. Und spätestens seit der Mitgliederversammlung, auf der Ex-HSV-Aufsichtsrat Otto Rieckhoff Kühne hart für dessen Geschäftstüchtigkeit im Hinblick auf den HSV attackierte (Abendblatt berichtete), steht die Frage im Raum: Wie viel Einfluss nimmt der HSV-Investor? Und fast noch wichtiger: Wie viel Einfluss will Klaus-Michael Kühne überhaupt haben?
Schon 2008 wollte Milliardär Kühne zwei Vertraute im Aufsichtsrat haben
Für eine differenzierte Antwort muss man ein wenig in die Vergangenheit zurückschauen. Es war am 12. April 2008, als Kühne auf Vermittlung des Bankers Hans-Walter Peters, Gesellschafter der Berenberg Bank, auf Ex-HSV-Chef Bernd Hoffmann trifft. Während des Heimspiels des HSV gegen den MSV Duisburg sprechen Hoffmann und Kühne erstmals über die Möglichkeit eines Investorendeals. Nach 90 desaströsen Minuten verliert der HSV 0:1 gegen Duisburg, gewinnt dafür aber einen der reichsten Männer Deutschlands als potenziellen Investor. Doch bevor sich Kühne und der HSV zwei Jahre später auch vertraglich auf eine Partnerschaft einigen, soll Kühne noch angeregt haben, Bernd Wrede, Verwaltungsrat bei Kühne und Nagel, und Banker Peters als seine Vertraute für den Aufsichtsrat des HSV in Betracht zu ziehen. Hoffmann lehnte ab – und Kühne unterzeichnet dennoch die erste Spieler-Investment-Vereinbarung mit dem HSV.
Dass Kühne allerdings nur ungern mit seiner Meinung hinter dem Berg hält, wurde den HSV-Verantwortlichen über die Jahre mehr als deutlich. Immer öfter – auch im Abendblatt – zürnte der Milliardär, wenn ihm etwas nicht passte. Auch intern griff Kühne gern mal zum Telefonhörer. So soll sich der solvente Anhänger im Sommer 2010 derart über den Kauf von Torhüter Jaroslav Drobny geärgert haben, dass er damit drohte, sämtliche Zuwendungen rückwirkend zu stornieren. Der kolportierte Grund: Drobny mache dem damaligen Stammtorwart Frank Rost den Platz streitig. Der soll aber der Lieblingsspieler von Kühnes Gattin Christine gewesen sein.
Ein anderer erklärter Liebling des Ehepaares Kühne war Rafael van der Vaart. Ende August 2010 schaltete sich Kühne erstmals im Fall van der Vaart ein und bot seine Hilfe bei einer Verpflichtung von Real Madrid an. Doch manchmal bekommt nicht mal ein Milliardär seinen Willen: Van der Vaart ist von Kühnes Interesse geschmeichelt, wechselt aber am letzten Tag der Transferfrist zu Tottenham.
Doch Kühne gibt nur ungern nach. Zwei Jahre später ergreift er erneut die Initiative, ruft per Pressemitteilung auf, dass der HSV Rafael van der Vaart verpflichten soll. Unter anderem fordert der Milliardär „die mehr als 60.000 Vereinsmitglieder zu bitten, sich ebenso wie er an der Finanzierung der Van-der-Vaart-Verpflichtung und seinen laufenden Kosten zu beteiligen.“
Der Plan mit den Fans scheitert, der Plan mit van der Vaart dagegen klappt nach einer weiteren Intervention Kühnes. Zu den Verhandlungen mit van der Vaarts Berater Robert Geerlings hat Kühne seinen Vertrauten Hans-Walter Peters nach London geschickt. Gegenüber dem Abendblatt gibt Kühne kurz nach dem 13,5-Millionen-Euro-Deal zu: „Im Grunde genommen habe ich die Strippen gezogen.“ Drei Jahre später weiß man, dass es Hamburgs teuerster Fehleinkauf der Geschichte war. Rieckhoff schreibt dazu in seinem Brandbrief vor der Mitgliederversammlung: „Der Vorgang vor drei Jahren, bei dem das vermeintliche ,Geschenk‘ van der Vaart einschließlich seiner Frau Sylvie auf Druck von Herrn Kühne gegen die damalige sportliche Leitung verpflichtet wurde und den HSV finanziell in die Knie getrieben hat, sollte doch Mahnung genug sein.“
Ein frommer Wunsch. Nachdem van der Vaart nicht wirklich zum erhofften Sturm auf Europa beiträgt, fängt Kühne ein Jahr später an, größer zu denken. Ein neuer Verantwortlicher soll es richten. Im August 2013 trifft sich Kühne mit Felix Magath auf Mallorca. Der 83er-Held stellte sein HSV-Konzept vor – und Kühne ist begeistert. Monate später, am 10. Februar 2014, schickte er eine E-Mail an alle Entscheidungsträger des HSV – und an das Abendblatt: „Lieber Herr Magath, geben Sie sich einen Ruck! (...) Ich stehe 100%ig hinter Ihnen und hoffe, dass Aufsichtsrat und Vorstand geschlossen handeln – sonst sind diese Leute ,Manager des kollektiven Untergangs‘!“
Magath kam nicht – doch der „kollektive Untergang“ rückte näher.
Im vergangenen Sommer, nach der erfolgreichen Ausgliederung und der breiten Akzeptanz für HSVPlus, schöpfte Kühne wieder neue Hoffnung: Diesmal war der Investor vom Antrittsbesuch des designierten HSV-Chefs Dietmar Beiersdorfer begeistert, der bereits auf seinen Stationen im Red-Bull-Imperium und in St. Petersburg Erfahrungen mit schwierigen Geldgebern sammeln durfte.
So war Beiersdorfer möglicherweise nicht mal verblüfft, dass Kühne auch Jens Lehmann auf Mallorca in Empfang nahm und mit diesem über ein mögliches Engagement als HSV-Sportdirektor sprach. Auch Kühnes Empfehlung, den Vertrag mit Ex-Nationalspieler Marcell Jansen zu verlängern, konnte kaum überraschen. Der HSV-Profi hatte Kühne ebenfalls im vergangenen Jahr auf Mallorca besucht.
Aufsichtsratschef Gernandt relativiert Tuchels teuren Besuch bei Kühne
Zur Mallorca-Reisegesellschaft gehört auch der vom HSV – und von Kühne – umworbene Thomas Tuchel. Das Treffen wäre aber nicht Kühnes, sondern Tuchels Wunsch gewesen, erklärt Aufsichtsratschef Karl Gernandt dem Abendblatt. Warum dann der HSV eine Chartermaschine von Frankfurt nach Mallorca für rund 20.000 Euro bezahlen musste, kann Gernandt allerdings nicht plausibel erklären. Da müsse man die Verantwortlichen fragen, sagt er.
Das Ende vom Lied ist bekannt. Tuchel kam nicht, dafür rettete Bruno Labbadia den HSV. Und Kühne? Der freute sich trotzdem – und lud Labbadia gemeinsam mit Beiersdorfer nach Mallorca ein. Eine Woche nach der überstandenen Relegation traf man sich in Port d’Andratx, lernte sich kennen und sprach über dies und das.
Nur über eine Sache sprach man nicht: Ob und wie viel Einfluss man als Investor eigentlich nehmen darf. Genau zu dieser Frage bat das Abendblatt auch Klaus-Michael Kühne um eine Antwort. Und die folgte am Dienstag, um 9.48 Uhr: „Herr Kühne wird keine über seine gestrige Erklärung hinausgehenden Statements abgeben.“