Hamburg. Am Sonntag leitet Jens Meier erstmals eine Mitgliederversammlung. Thema wird aber vor allem die Profifußball-AG sein.

Zucker. Jens Meier braucht Nervennahrung. Es ist zwar erst kurz nach 9 Uhr, aber der Chef der Hamburg Port Authority (HPA) hat den ersten Sitzungsmarathon bereits hinter sich. In der Elbsässer Café Lounge an den Magellan-Terrassen in der HafenCity bestellt Meier einen Latte macchiato und einen großen Keks. „Den hellen mit Schokostückchen, bitte!“

Gute Nerven wird der Präsident des HSV e. V. auch am Sonntag brauchen, wenn er erstmals von 11 Uhr morgens an in dieser Funktion die Mitgliederversammlung auf der Westtribüne im Volksparkstadion leiten soll. Dabei scheinen die Zeiten vorbei, in denen es hoch herging bei Mitgliederversammlungen. Das liegt weniger daran, dass es keinen Grund mehr für Kritik gibt, als vielmehr daran, dass es nach der Ausgliederung kein Interesse mehr an den sogenannten MV zu geben scheint. Ganz nach dem Motto: Stell dir vor, es gibt eine HSV-Mitgliederversammlung – und keiner geht hin.

„Schon bei der letzten Veranstaltung, als ich zum Präsidenten gewählt wurde, waren nur rund 800 Teilnehmer da. Das ist natürlich ausbaufähig“, klagt Meier, der am Sonntag sogar von noch weniger Mitgliedern ausgeht. Dabei gebe es aus seiner Sicht doch so viel zu bereden. „Wir sind in einer Phase der Neuausrichtung. Eine Phase der Revitalisierung des Vereins“, erklärt er.

Meier redet gern über den HSV e. V. Am Mittwoch war er bei einem Fototermin, bei dem der HSV-Handbikerin Dorothee Vieth ein neues Rad übergeben wurde. Und auch sonst lässt der Hafenchef kaum eine Möglichkeit aus, seinen e. V. ins rechte Licht zu rücken. „Wir wollen den e. V. finanziell nachhaltig solide aufstellen“, sagt er beispielsweise, oder auch: „Man muss sich jetzt genau überlegen, was der Universalsportverein, gerade auch im Hinblick auf die Olympiabewerbung der Stadt, in Zukunft fördert und was nicht. Im e. V. ist in den vergangenen Jahren nur wenig investiert worden. Da gibt es Nachholbedarf.“

Abstieg des HSV wäre für e. V. Desaster gewesen

Doch bei allen Themen zum e. V. weiß Meier natürlich auch, dass es am Ende die vor einem Jahr ausgegliederte HSV AG ist, die einen Großteil der Mitglieder ganz besonders interessiert. Und auch hier gilt: Es gibt Nachholbedarf, großen Nachholbedarf.

So wäre der Abstieg der HSV-Profis nicht nur für die AG, sondern auch für den e. V. ein Desaster gewesen. Meier rechnet vor: Im Falle des Abstiegs hätte der Verein, dem ein Gesamtbudget von knapp fünf Millionen Euro zur Verfügung steht, mit einer regelrechten Flucht von bis zu 15.000 Mitgliedern rechnen müssen. Den e. V. hätte eine derartige Entwicklung rund 750.000 Euro pro Jahr gekostet. „Der e. V. hätte durch den Abstieg der Profis natürlich massiv gelitten“, sagt der Anhänger des Universalsportvereins, selbst passionierter Tischtennisspieler.

Doch obwohl der frühere Aufsichtsratsvorsitzende des alten HSV als gewählter Präsident noch immer im Kontrollgremium des neuen HSV sitzt, wird er bei AG-Themen eher schmallippig. „Im Nachhinein ist man immer schlauer. Eine Aufarbeitung ist immer notwendig, aber mit dem klaren Fokus auf die Zukunft“, sagt er im besten Diplomaten-Deutsch. Dabei gäbe es doch auch gerade bei AG-Themen mehr als genug zu bereden: die verpatzte Saison mit dem glücklichen Gerade-noch-Klassenerhalt, die immer kritischer werdende Finanzsituation und die bislang eher unglücklich verlaufene Suche nach strategischen Partnern. Vor einem halben Jahr sagte Meier dem Abendblatt: „Ich hoffe auf weitere Investoren.“ Nun, nachdem neben Milliardär Klaus-Michael Kühne nur noch Agrarmillionär Helmut Bohnhorst als Finanzpartner überzeugt werden konnte, sagt er: „Allzu viel möchte ich zur Investorensache nicht sagen. Aber natürlich würde sich auch das Präsidium des e. V. darüber freuen, wenn es gelänge, strategische Partner an den HSV zu binden.“

Meier hat gelernt. Extern hält sich der Hafenchef mit Kritik zurück. Intern soll er dagegen kein Blatt vor den Mund nehmen. Insbesondere weil er durch seine frühere Funktion als Aufsichtsratsvorsitzender noch sämtliche Verträge der Vergangenheit kennt, übernimmt er im Hinblick auf eine bessere Zukunft im AG-Kontrollgremium nur all zu gerne die Rolle des Mahners.

Dass aber ausgerechnet er einer der Chefkritiker des Vorstandsvorsitzenden Dietmar Beiersdorfer sein soll, hat er bereits direkt nach der letzten Aufsichtsratssitzung energisch dementiert. Zur Erinnerung: Ein Vorschlag von Aufsichtsratschef Karl Gernandt, dass man noch vor dem letzten Saisonspiel gegen Schalke per Pressemitteilung auch im Falle des Abstiegs Beiersdorfer den Rücken stärkt, fand damals keine Mehrheit. Nun, drei Wochen später, sagt Meier: „Ich kann Didi immer nur ermuntern, entscheidungsstark zu sein. Wir brauchen einen starken Vorstandsvorsitzenden, der den Weg klar vorgibt. Meine volle Unterstützung hat er, und das weiß er auch.“

Bevor Meier seinen Latte macchiato auf der Terrasse der Café Lounge ausgetrunken hat, kommt aber auch er nicht darum herum, etwas Präsidiales zur offenbar hoch emotionalen Dino- und Stadionuhrdebatte hinzuzufügen. „Mein Sohn liebt den Dino, ich mag die Uhr. Aber es ist nicht meine Aufgabe, über die Zukunft dieser Symbole zu entscheiden“, sagt er bemüht diplomatisch, nachdem Marketingvorstand Joachim Hilke im Abendblatt am Mittwoch eine Diskussion über die beiden Aushängeschilder initiierte, die Vorstandschef Beiersdorfer am gleichen Nachmittag („Der Dino bleibt!“) schon wieder beendete. Meiers Schlusswort: „Die Uhr und der Dino? Das ist Sache unseres Vorstands.“

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