Hamburg . Rafael van der Vaart wird dem HSV gegen Schalke gelbgesperrt fehlen. Warum sich der Spielführer als Käpt’n Irrtum entpuppte.
Es lief bereits die Nachspielzeit in der Stuttgarter Arena, als Rafael van der Vaart an der Eckfahne seinen Gegenspieler schubste und dann auch noch meckerte. Die fällige Verwarnung quittierte der Holländer mit leerem Blick, die Hände in beide Hüften gestützt. In diesem Moment realisierte van der Vaart, dass dies seine letzte Aktion im HSV-Trikot gewesen sein könnte. Nach der zehnten Gelben Karte ist er für das Abstiegsendspiel gegen Schalke 04 am kommenden Sonnabend gesperrt, nur im Fall des Erreichens der Relegationsspiele würde er noch einmal für den HSV zum Einsatz kommen können. Dass sein Ende Juni auslaufender Vertrag nicht verlängert wird, hatte der Verein schon im März bekannt gegeben.
HSV verliert Abstiegskrimi gegen Stuttgart
In Stuttgart ging damit wohl nicht weniger als eine Ära zu Ende. Im Sommer 2012 hatte die Rückkehr von van der Vaart nach Hamburg alle HSV-Fans elektrisiert. Kein Transfer in den letzten Jahren sorgte für solche Schlagzeilen. HSV-Investor Klaus-Michael Kühne, erklärter Fan des Holländers, hatte den Druck auf den Vorstand immer weiter erhöht, sogar via Pressemitteilung die Fans gebeten, sich finanziell an einer Rückholaktion zu beteiligen: „Wäre jedes Vereinsmitglied mit Beiträgen zwischen 50 und 200 Euro dabei, könnten einige Millionen Euro zusammenkommen.“
Kühne setzte sich gegen Skeptiker durch
Am Ende war es aber Kühne selbst, der die Ablöse an Tottenham von rund 13 Millionen Euro maßgeblich mit einem Darlehen finanzierte. Im damaligen Aufsichtsrat regte sich dennoch Widerstand, Ian Karan, Otto Rieckhoff und Prof. Jörg Debatin votierten gegen den Transfer, da schon das Gehalt von rund 3,5 Millionen Euro im Jahr für den Verein wirtschaftlich kaum zu stemmen sei. Auch Vorstandschef Carl Jarchow äußerte Bedenken, beugte sich aber schließlich dem Kühne-Plan.
Rückblickend bleibt zu konstatieren: Die Skeptiker hatten recht, Spielführer van der Vaart entpuppte sich am Ende als Käpt’n Irrtum. Dabei hatte der einen Einstand in der Imtech-Arena, wie er besser kaum sein konnte. Ausgerechnet gegen den damaligen Meister und Pokalsieger Borussia Dortmund bereitete van der Vaart beim 3:2-Sieg zwei Treffer vor, schoss vier Tage später beim 2:2 in Mönchengladbach sein erstes Tor nach seiner Rückholaktion. Ein ganzer Verein feierte den blonden Engel.
Gesicht des HSV-Niedergangs
Wann genau und vor allem warum genau die Van-der-Vaart-Krise begann, kann heute keiner mehr seriös beantworten. Fakt ist, dass van der Vaart nie wieder konstant an die Form seiner Debüt-Monate anknüpften konnte. Schon in der Fast-Abstiegssaion 2013/14 war der Holländer das Gesicht des HSV-Niedergangs. In der aktuellen Spielzeit ist seine Bilanz niederschmetternd: nur vier Tore, davon drei Elfmeter. Eine einzige Torschussvorlage, ausgerechnet am Sonnabend in Stuttgart beim Tor zum 1:0 von Gojko Kacar.
+++ Leitartikel: Der verdiente Abstieg? +++
Interimstrainer Joe Zinnbauer setzte ihn auch im defensiven Mittelfeld ein, verbannte ihn zwischendurch gar auf die Bank. Seine Führungsrolle als Kapitän füllte er ohnehin nie aus, der Holländer zählt regelmäßig zu den ersten HSV-Profis, die sich nach dem Training wieder auf den Heimweg machten.
Kühne denkt an van der Vaart Privatkrise
Milliardär Kühne ist überzeugt, dass vor allem private Probleme van der Vaart bremsten; dessen Trennung von Sylvie van der Vaart hatte 2013 monatelang für Schlagzeilen gesorgt. Der Milliardär empfahl bereits im vergangenen Sommer, dass sich van der Vaart einen neuen Verein suchen solle: „Er hilft uns nicht weiter.“ Womöglich genügt van der Vaart, schon in seiner ersten HSV-Periode alles andere als ein Tempodribbler, mit jetzt 32 Jahren aber auch schlicht nicht mehr den Ansprüchen des immer athletischeren Fußballs. Vielleicht ist seine Zeit als Top-Profi einfach abgelaufen.
Van der Vaart sucht jetzt einen Neuanfang, ein Engagement in den USA bei Kansas City scheiterte an den Finanzen. Womöglich geht es zurück in seine alte Heimat Ajax Amsterdam, wo seine Karriere begann. Sicher ist nur: Ein zweites Comeback im Trikot mit der Raute wird es nicht mehr geben.