Mainz. Ausgerechnet der zum Saisonende ausgemusterte Gojko Kacar trifft in Mainz in der 87. Minute zum 2:1-Sieg des Hamburger SV.

Es ist ja nicht unbedingt so, dass Gojko Kacar als Temperamentsbolzen beim HSV bekannt ist. Aber selbst der 28-Jährige konnte bei diesen unfassbaren Ereignissen nicht mehr so ruhig und besonnen wie sonst bleiben: „Es ist Wahnsinn, wie glücklich man sein kann.“

Die 87. Minute in einem äußerst intensiven, hart umkämpften Bundesligaspiel lief, als der HSV beim Spielstand von 1:1 (erst hatte Baumgartlinger eine Westermann-Flanke zum 1:0 für Hamburg abgefälscht, dann hatte Malli ausgeglichen) noch einmal eine Ecke bekam. Kacar war zu diesem Zeitpunkt längst völlig am Ende mit seinen Kräften. Aber dennoch versuchte er sich, wie er nun erzählte, in fußballerischer Telepathie: „Obwohl wir alle platt waren, habe ich immer noch daran geglaubt, dass wir noch diese eine Chance bekommen.“ Nun war der Zeitpunkt gekommen. „Ich habe zu dem Ball gesagt: Komm jetzt, komm zu mir.“

Und er kam.

Im ersten Versuch traf Kacar den Ball noch nicht richtig, aber die Kugel fand noch einmal den Weg zurück, und aus 18 Metern schlenzte sie der Mittelfeldspieler ins rechte Eck. 2:1! Der erste Sieg in der Fremde nach fünf Auswärtsniederlagen in Folge war perfekt! Und was noch wichtiger war: Der HSV rückte dank der schwachen Punkteausbeute der Konkurrenten auf Rang 14 und hat den Klassenerhalt wieder selbst in der Hand. Dank Kacar.

Gewissermaßen war es ein Tor mit Ansage: „Vor dem Spiel kam Pierre-Michel Lasogga zu mir und flachste: Du hast doch früher so viele Tore erzielt, ich kann mich gar nicht mehr an das letzte von dir erinnern. Gegen Mainz will ich mal wieder eins sehen!“

Kacar ist der Held! HSV siegt in Mainz

Gojko Kacar ist der Held! Der HSV gewinnt 2:1 in Mainz
Gojko Kacar ist der Held! Der HSV gewinnt 2:1 in Mainz © REUTERS | KAI PFAFFENBACH
Kacar erzielte das entscheidende Tor kurz vor Schluss
Kacar erzielte das entscheidende Tor kurz vor Schluss © REUTERS | KAI PFAFFENBACH
Anschließend gab es kein Halten mehr
Anschließend gab es kein Halten mehr © REUTERS | KAI PFAFFENBACH
Pierre-Michel Lasogga gibt alles im Zweikampf mit Koo
Pierre-Michel Lasogga gibt alles im Zweikampf mit Koo © REUTERS | KAI PFAFFENBACH
Heiko Westermann verteidigt gegen Bengtsson
Heiko Westermann verteidigt gegen Bengtsson © Bongarts/Getty Images | Simon Hofmann
Gojko Kacar setzt sich gegen Ja-Cheol Koo durch
Gojko Kacar setzt sich gegen Ja-Cheol Koo durch © REUTERS | KAI PFAFFENBACH
Bruno Labbadia zeigte sich vor dem Spiel noch entspannt
Bruno Labbadia zeigte sich vor dem Spiel noch entspannt © WITTERS | ThorstenWagner
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Die Geschichte mit Kacar, dem sein erster Treffer seit dem 11. März 2012 (auf Schalke) gelang, ist schon kurios und zugleich symptomatisch: Ausgerechnet er und die anderen Spieler, deren Verträge nicht verlängert werden oder deren Zukunft offen ist, machen sich auf den Weg, die bisher so schreckliche Saison unverhofft doch noch zu einem positiven Ende zu führen. Wie bereits gegen Augsburg standen auch in Mainz sechs Akteure auf dem Rasen, deren Zukunft ab dem Juni ungewiss ist: Rafael van der Vaart, Marcell Jansen, Heiko Westermann, Slobodan Rajkovic, Ivo Ilicevic – und eben Kacar.

Und wie schon gegen Augsburg holten die Spieler alles aus sich heraus. Bezeichnend für die rassige Partie, dass der Gegner zwar 58 Prozent Ballbesitz hatte, die Hamburger aber 54 Prozent der Zweikämpfe für sich entscheiden konnten und auch als Mannschaft insgesamt vier Kilometer mehr liefen. So geht Abstiegskampf!

Kacar: „Der HSV hat mir viel gegeben“

Würde er sich als HSV-Präsident jetzt noch vom Spieler Kacar trennen, war die logische Frage nach seinem nicht nur wegen des Tores starken Auftritt. „Schwer zu beantworten“, lächelte Kacar zurück, „das kann nur der HSV-Präsident beantworten.“

Viel wichtiger war ihm die Botschaft, dass er sich bis zur letzten Minute für seinen Arbeitgeber einsetzen werde: „Ich bin jetzt im fünften Jahr hier. Der HSV hat mir viel gegeben. Ich will hier nicht weg und nur etwas vom HSV genommen haben. Ich möchte auch etwas zurückgeben.“ Ähnlich äußerte sich van der Vaart: „Wir wollen nicht mit dem HSV runtergehen. Auch wenn es nicht immer so aussah in der Vergangenheit: Der Einsatz ist immer da, aber wenn du die Spiele verlierst, siehst du natürlich schlecht aus.“

Spieler loben Labbadia indirekt

Auch wenn der zweite Sieg infolge nur eine weitere positive Etappe auf dem Weg zum Klassenerhalt war, so bestätigte sich der Eindruck vom Augsburg-Spiel, dass es Bruno Labbadia innerhalb kürzester Zeit gelungen ist, der Mannschaft Struktur und Stabilität zu geben und eine Aufbruchstimmung zu erzeugen. „Das Vertrauen ist zurück, der Teamgeist in der Mannschaft stimmt“, bestätigte René Adler. Und van der Vaart verwies darauf, dass man in Mainz gesehen habe, was zuvor im Training geübt worden ist. „Wir spielen besseren Fußball, mit mehr Ruhe am Ball, viel mehr nach vorne. Auch wenn wir noch lange nicht am Ziel sind, so kann es weitergehen.“ Ein Beleg: In Mainz kam der HSV immerhin auf 13 Torschüsse. „Gegen Augsburg kam der Glaube zurück, dieses Mal haben wir ihn gestärkt“, so Labbadia.

Zeit zum Durchatmen bliebt kaum. Schon am Freitag folgt das nächste Entscheidungsspiel gegen Freiburg. „Dieser Sieg in Mainz war nichts wert, wenn wir da nicht gewinnen, aber wenn wir diese Leistung wieder abrufen, habe ich keine Angst“, warnt Kacar, zu früh in den Entspannungsmodus zu wechseln. Bei ihm ist das allerdings kaum zu befürchten. Nach einem Schlag aufs Knie früh angeschlagen, biss sich Kacar in Mainz durch: „Ich dachte mir: Nein, ich gehe nicht raus. Egal, was passiert.“ Nein, so eine Geschichte kann man wirklich nicht erfinden. Zu kitschig.

Das Schema

Mainz: Karius - Brosinski, Bungert, Bell, Bengtsson - Geis, Baumgartlinger (82. Allagui) - Samperio, Soto (33. Malli), Koo (71. De Blasis) - Okazaki. - Trainer: Schmidt

HSV: Adler - Westermann, Djourou, Rajkovic, Ostrzolek - Kacar, van der Vaart - Nicolai Müller (39. Jansen), Ilicevic (77. Stieber), Olic (83. Rudnevs) - Lasogga. - Trainer: Labbadia

Schiedsrichter: Peter Sippel (München)

Tore: 0:1 Baumgartlinger (37., Eigentor), 1:1 Malli (76.), 1:2 Kacar (87.)

Zuschauer: 34.000 (ausverkauft)

Rote Karte: Brosinski nach einer Notbremse (89.)

Gelbe Karten: Bungert (4), Baumgartlinger (3), De Blasis, Allagui (4) - Olic (2), Kacar (3)

Torschüsse: 8:13