Hamburg. Beim 3:2 über Augsburg besserte nicht nur Matchwinner Pierre-Michel Lasogga seine Bilanz auf. Trainer Labbadia sah das ähnlich.
Wer diese Bilder live erleben durfte, wird sie wohl nie vergessen. Mit weit ausgebreiteten Armen und geballten Fäusten feierte Pierre-Michel Lasogga am 18. Mai 2014 das 1:0 im zweiten Relegationsspiel in Fürth. 1:1 hieß es am Ende, der HSV hatte es doch noch geschafft. Vor allem dank Lasogga, der mit 13 Toren maßgeblich am Klassenerhalt beteiligt war.
Wie hat der Club diesen Lasogga vermisst. Einen bulligen Torjäger, der sich verbissen in die Zweikämpfe wirft, der als Aggressivleader mit rudernden Armen die Massen anpeitscht, der mit seinem von Schweiß und Dreck durchtränkten Trikot eher aussieht, als ob er direkt aus dem Maschinenraum eines Containerschiffs emporgestiegen sei – und der vor allem Tore schießt.
Auf Momente wie die beim hart erkämpften 3:2-Erfolg gegen den FC Augsburg musste der 23-Jährige endlos lange 882 Minuten warten. Am achten Spieltag (1:1 gegen Hoffenheim am 19. Oktober) hatte Lasogga zuletzt getroffen. Nur zwei Treffer in 21 Einsätzen – eine grausame Quote für einen Hoffnungsgträger, dem der HSV 8,5 Millionen Euro Ablöse wert gewesen war. Aber auch die logische Konsequenz dessen, dass der sensible Stürmer während der jüngsten Vorbereitungsphasen immer mit Verletzungen zu kämpfen hatte. Ihm fehlten schlichtweg der Sprit und genauso die Unterstützung seiner Mitspieler.
Lasogga hatte auch einen Schlafmoment
Gerade noch rechtzeitig könnte der Retter der vergangenen Saison wieder seinen Dienst aufgenommen haben. „Einfach geil, wenn die Leute deinen Namen schreien. Es gibt nichts Schöneres auf der Welt“, sagte Lasogga nach seinen beiden Toren. „Die Stimmung war überragend. Es wurde langsam Zeit zu gewinnen, das tut richtig gut.“ Vergessen war da längst, dass Lasogga vor dem 2:1 durch den Augsburger Bobadilla wie seine Mitspieler gepennt hatte. Besonders in seinem Gewaltschuss zum entscheidenden 3:2 schien eine gewaltige Ladung Frustabbau zu stecken. Schien. „Frust ist der falsche Begriff“, sagte Lasogga beim ZDF, „in der Zone denkt ein Stürmer nicht mehr viel. Ich habe einfach draufgehauen.“ Nachsatz mit Grinsen: „Die Schusstechnik ist dann entscheidend ...“
HSV besiegt den FC Augsburg
Es passte zu diesem so emotional aufgeladenen Nachmittag im Volkspark, dass auch Ivica Olic das Zählen seiner Torlosminuten nach der Marke 1064 einstellen konnte. „Ein schönes Gefühl, nach so einem Spiel am Sonntag zum Training zu kommen“, lächelte der Kroate nach dem ersten HSV-Treffer seit seiner Rückkehr. Ob das Zustandekommen glücklich war (Olic fälschte einen Stieber-Schuss ab) oder nicht, interessierte niemanden.
Einige schlimme Serien abgehakt
Überhaupt konnte der HSV einige schlimme Serien abhaken: Nach zuvor neun sieglosen Spielen und zuletzt fünf Niederlagen in Folge bei 595 Minuten ohne Treffer gab es endlich wieder drei Punkte – und im 30. Ligaspiel auch das erste Kopfballtor der Saison. „Die Totgeglaubten haben gezeigt, dass sie noch leben“, jubelte Heiko Westermann.
Die Mannschaft habe von Sekunde eins an gefightet und sich den Sieg redlich verdient, so müsse man Abstiegskampf spielen, erkannte nicht nur Lasogga einen Mentalitätswandel innerhalb der Mannschaft. Dem neuen Trainer Bruno Labbadia war es zumindest an diesem Wochenende gelungen, mit seinen Sofortmaßnahmen die zuvor so verunsicherten Spieler zu stabilisieren. Wie ihm das gelungen ist, erklärte Olic: „Der Trainer war vom ersten Tag an ganz klar: Er will eine Mannschaft auf dem Platz sehen. Ihm war wichtig, dass wir kompakter stehen und aus einer Ordnung heraus nach vorne kommen.“
Nicht nur Lasogga unter den Gewinnern
Es wäre deshalb falsch, nur Lasogga als strahlenden Helden des 3:2 herauszustellen. Dieser Sieg, der alles andere als ein Befreiungsschlag ist, den Fans aber wieder den schon verlorenen Glauben und die Hoffnung auf eine Rettung brachte, gehörte allen Frustrierten (wie Ostrzolek, Kacar oder van der Vaart). Auf dem Platz standen inklusive des eingewechselten Marcell Jansen sechs Profis, deren Verträge am Saisonende auslaufen. Auch ihnen schenkte Labbadia sein Vertrauen und wurde nicht enttäuscht. So überraschte es nicht, dass der Trainer nach dem Abpfiff betonte: „Der Matchwinner ist die Mannschaft.“
Nicht nur für den HSV, auch für Labbadia war es genau das Spiel, das er gebraucht hatte: ein Signal für den Neustart, eine Initialzündung. Das 3:2 gibt ihm die nötige Ruhe zur Vorbereitung auf die kommende Aufgabe am Sonntag in Mainz und fördert seine Autorität. Den Spieltag rundeten die Ergebnisse der Konkurrenten perfekt ab: Stuttgart und Freiburg spielten Remis, Hannover verlor gegen Hoffenheim, und Paderborn konnte einen 2:0-Vorsprung nicht halten (2:2 gegen Bremen). „Vier wichtige Wochen stehen noch vor uns“, sagte Lasogga, die Lebensversicherung des HSV. „Wenn wir genauso spielen und alles reinhauen, bleiben wir drin.“
Restprogramm des HSV: Mainz 05 (A), SC Freiburg (H), VfB Stuttgart (A), Schalke 04 (H).