Hamburg. Interimstrainer Knäbel will sich erst kurzfristig entscheiden, wen er im Spiel am Sonnabend bei Bayer Leverkusen ins Tor stellt.

Dreckbeschmiert ging René Adler nach einer guten und intensiven Trainingseinheit von 100 Minuten am Mittwoch in die Kabine. Jaroslav Drobny legte eine Extraschicht drauf und ließ sich von Torwarttrainer Stefan Wächter auch nach 110 Minuten noch die Bälle um die Ohren schießen. Jeder kann sehen: Der Konkurrenzkampf im HSV-Tor ist voll entbrannt, nachdem Coach Peter Knäbel diesen zu seinem Amtsantritt ausgerufen hatte.

Drobny hatte die Diskussion um die Nummer eins mit seiner unnötigen Roten Karte aus dem Hoffenheim-Spiel erst ins Rollen gebracht. Adler nutzte seine Chance, vertrat den gesperrten Tschechen fehlerfrei. Das letzte öffentliche Lob von hoher Seite erhielt der ehemalige Leverkusener nach dem Testspiel in Osnabrück: „Er hat sehr gut gehalten, konnte Pluspunkte sammeln“, hatte Knäbel gesagt. Drobny konnte das nicht – das lag allerdings daran, dass der Tscheche in seiner Einsatzzeit nach dem Wechsel kaum einen Schuss auf sein Tor bekam. „Wer gegen Leverkusen aufläuft, ist weiter offen. Die Entscheidung treffe ich vermutlich erst am Karfreitag, in Absprache mit Torwarttrainer Stefan Wächter“, ließ Knäbel die Schlussleute auch am Mittwoch im Ungewissen.

Adler knüpft an alte Form an

Dass Adler wieder nah dran ist an der Stammformation, unterstreicht er im Training seit Monaten. Der frühere Nationaltorwart scheint an die Form anzuknüpfen, die er bei seiner Premierensaison 2012/13 beim HSV auf den Platz brachte. Damals landete der Bundesligadino auch seinetwegen auf dem siebten Tabellenrang. Adler wehrte die meisten Schüsse aller Bundesligakollegen ab, Gesamteindruck: überragend. Nun geht es ausgerechnet gegen Leverkusen, den Club, der vor seinem Wechsel zum HSV nicht mehr an ihn geglaubt hat. Mehr Motivation geht nicht.

Doch die vergangene Saison hängt noch nach. Das große Talent Adlers blitzte da nur selten auf, dafür leistete er sich viele folgenschweren Patzer. Acht Treffer musste der Torhüter in der Relegationssaison auf seine Kappe nehmen, fiel vor den beiden entscheidenden Begegnungen um den Klassenverbleib mit Rückenproblemen aus – und verlor seinen Stammplatz am dritten Spieltag dieser Saison endgültig an Drobny. Viel ist dem 35-Jährigen nicht vorzuwerfen: Im Großen und Ganzen machte Drobny in dieser Saison einen sicheren Eindruck, grobe Fehler erlaubte er sich kaum. Spiele, in denen er Punkte im Alleingang festhielt, so wie es seinem Konkurrenten in seinen Glanzzeiten des Öfteren gelang, waren allerdings auch selten. Nun hat Adler die Chance, auf die er seit Monaten wartet. „Ich will dem Trainer jeden Tag Argumente liefern, dass ich wieder ins Tor komme“, hatte der 30-Jährige in der Winterpause angekündigt. Jetzt, vor dem ersten von acht Endspielen am Sonnabend bei Bayer 04 (15.30 Uhr/Sky) will Adler zu seiner Situation keine Stellung nehmen. Auch auf seiner Facebook-Seite ist seit fast fünf Monaten Stillstand eingekehrt.

Drobny hat einen Vorteil

Einen Vorteil hat Drobny jedoch: Er hat im vergangenen Jahr bewiesen, dass seine Nerven auch im Abstiegskampf Stahlseilen gleichen. Zudem gilt der nach außen hin schweigsame Tscheche im Team als äußerst beliebt. „Drobny ist einer, der in der Kabine für gute Stimmung sorgt, seine Mannschaftskameraden auf diese Weise wieder aufbaut. Adler ist ein klassischer Führungsspieler, spricht Dinge, die schlecht laufen, intern deutlich an“, sagt der ehemalige Sportchef Frank Arnesen, der Adler im Sommer 2012 ablösefrei zum HSV gelotst hatte.

Der Däne, der derzeit als TV-Experte arbeitet, sprach schon damals von einem „Luxusproblem“ zwischen den Pfosten. Und auch heute ist Arnesen überzeugt, dass Knäbel bei seiner Entscheidung wenig falsch machen kann. „Er hat immer noch zwei hervorragende Torleute. Aber wenn beide in Topform sind, hat Adler die Nase ganz leicht vorne“, sagt der 58-Jährige, der den Wechsel des gebürtigen Leipzigers gegen große Vorbehalte im damaligen Aufsichtsrat durchsetzen musste. Zum einen wollte der Club vermeiden, wie schon in der Vorsaison mit Frank Rost und Drobny mit zwei potenziellen Stammtorhütern, die auch so bezahlt wurden, ins Rennen zu gehen. Zum anderen ließ eine Knieoperation, die eine achtmonatige Pause zur Folge hatte, einige Entscheider zweifeln. Doch als die Ärzte ihr Okay gaben, konnte Arnesen letzten Endes überzeugen.

Adler soll Fink-Rausschmiss forciert haben

Doch nicht nur die Knieprobleme kamen wieder, auch der Rücken machte Adler nach einem Bandscheibenvorfall derartig Probleme, dass sich Knäbel im Winter schon über Alternativen schlaugemacht hatte. Zudem gilt Adler mitunter als nicht ganz einfach im Umgang: Den Rauswurf von Ex-Trainer Thorsten Fink soll der Keeper nach Abendblatt-Informationen mit anderen Profis zusammen forciert haben. Auf der anderen Seite gilt Adler im Team unter normalen Umständen als der bessere Keeper, fußballerisch hat er ohnehin die Nase vorn.

Wer am Sonnabend auch immer im Tor stehen wird, dürfte die Saison als Stammtorwart auch beschließen. Und dann geht der Konkurrenzkampf unter neuem Trainer von vorne los: Beide stehen bis 2017 unter Vertrag. Die Kontrakte gelten sogar für die Zweite Liga – doch dann könnte der HSV sie nicht mehr bezahlen.