David Jarolim absolvierte zwischen 2003 und 2012 insgesamt 257 Partien für den Verein. Am Sonnabend bekommt er sein großes Abschiedsspiel.

Aufgeregt sei er nicht. Dafür im Stress. Einen Tag vor seinem Abschiedsspiel musste David Jarolim bereits um 7 Uhr morgens seinen ersten Termin wahrnehmen, bevor er zum Gespräch mit dem Hamburger Abendblatt im Radisson Blu Hotel erschien. Frühstück? Überbewertet. Eine Scheibe Schwarzbrot mit Käse und Salami zwischen Tür und Angel muss reichen.

Hamburger Abendblatt: Herr Jarolim, in der Imtech-Arena gab es in der letzten Zeit kaum einmal guten Fußball zu sehen. Wird sich das am Sonnabend ändern?

David Jarolim: Ich hoffe doch. Die eingeladenen Spieler sind normalerweise eine Garantie für ein Spektakel mit vielen Toren. Und dann wird hoffentlich auch die Atmosphäre endlich mal wieder kochen in der Arena.

Tore sind das Stichwort. Die fallen dem HSV momentan schwer. Sie müssen morgen ja mindestens eins schießen ...

Jarolim: Ja klar, ich mache es einfach wie früher: mit Vollspann aus 30 Metern in den Winkel! Nein, wir haben ja Spieler dabei wie meinen Landsmann Jan Koller. Der ist unfassbar heiß, hat sich jede Woche gemeldet und mich über das Spiel ausgefragt. Der ist geeigneter als ich, viele Tore zu schießen.

Über Sie hieß es immer: Der Jarolim kann fast alles, nur schießen nicht ...

Jarolim: Das war zu Beginn meiner Karriere noch anders. In der ersten Saison bei Bayerns Amateuren habe ich zwölf Tore gemacht, auch in Nürnberg durfte ich sogar die Freistöße schießen! Dann hatte ich meine erste Knieoperation mit 21, seitdem waren die Bewegungsabläufe ganz anders, und ich konnte nicht mehr so abziehen wie zuvor. Aber schon mein Vater hat früher oft gesagt „schieß, schieß“ – doch ich habe immer lieber abgespielt.

Sie haben sich für Ihr Abschiedsspiel das HSV-Stadion ausgesucht. Was verbindet Sie mit dieser Arena?

Jarolim: Die Stimmung und Akustik sind einmalig. Die Fans haben viel gelitten, sind aber immer voller Unterstützung. Früher, in unserer erfolgreichen Zeit, waren sie sogar kritischer. Wenn ich Spieler gefragt habe, wo sie am liebsten spielen, haben sie oft „Hamburg“ gesagt. Und das nicht, weil sie hier immer die Punkte mitnehmen konnten. Das war damals ja noch anders (lacht).

Haben Sie einen Moment in diesem Stadion als schönsten ihrer Karriere in Erinnerung?

Jarolim: Unsere Europa-League-Spiele, zum Beispiel gegen Manchester City, waren herausragend. Der Gänsehautmoment war aber bei der WM, als ich mit Tschechien gegen Italien in Hamburg gespielt habe. Ich bin reingekommen, und beim Warmmachen wurde ich schon angefeuert. Das war unglaublich.

Gänsehautmomente gab es beim HSV zuletzt nur wenige. Was läuft da schief?

Jarolim: Es ist schwer, mit den ganzen Trainerwechseln etwas zu entwickeln. Die Kontinuität fehlt.

Was haben Sie gedacht, als mit Joe Zinnbauer nach nur einem halben Jahr schon wieder der Trainer ausgetauscht wurde?

http://Jarolim_gibt_Abschiedsspiel_beim_HSV{esc#134551747}[video]Jarolim: Es wurde vorher ja schon viel spekuliert. Als ich mir das Ergebnis gegen Hertha angeschaut habe (0:1, d. Red.), war mir schon klar, dass es vorbei ist mit dem Trainer. Das war zu erwarten, obwohl selten der Trainer schuld ist, sondern eigentlich immer die Spieler, die viel mehr in die Pflicht genommen werden müssten. Für einen Coach ist es wichtig, dass er in jedem Team drei oder vier Profis hat, die seine verlängerte Hand auf dem Spielfeld sind. Ich weiß nicht, ob Zinnbauer diese Spieler hatte.

Warum spielen hier so viele Profis schlechter als bei ihren Vereinen zuvor?

Jarolim: Das ist Kopfsache. Ich war in Nürnberg auch unumstritten, und als ich nach Hamburg kam, waren hier viele Persönlichkeiten, gegen die ich mich durchsetzen musste. Die Spieler müssen bereit sein, sich wieder neu zu messen und dürfen sich nicht auf ihrem Status ausruhen.

Sie hatten in Ihrer Zeit beim HSV zwölf verschiedene Trainer. Gibt es einen, dem Sie besonders viel zu verdanken haben?

Jarolim: Nicht nur einen. Alle Trainer, die ich jetzt eingeladen habe, haben mir etwas gegeben. Ich kann mir für meine Trainerkarriere, die hoffentlich bevorsteht, von allen etwas mitnehmen.

Also war es eher positiv, dass Sie so viele Trainer hatten?

Jarolim: Nein. Das Beste wäre gewesen, wenn ich in meinen neun Jahren beim HSV nur einen Trainer gehabt hätte. Das hätte nämlich maximalen Erfolg bedeutet.

Hatten Sie denn Verständnis für die vielen Trainerwechsel während Ihrer HSV-Zeit?

Jarolim: Einige wie Huub Stevens oder Martin Jol sind ja nicht entlassen worden, sondern sind aus eigenen Stücken gegangen. Das sagt allerdings auch einiges aus. Und die Entlassung von Bruno Labbadia konnte ich nicht nachvollziehen. Wir hatten in Hoffenheim zwar eine Klatsche bekommen, standen aber vor dem Europa-League-Halbfinale in Fulham weiter hinter dem Trainer. Als der damalige HSV-Boss Bernd Hofmann in die Kabine kam, hab ich ihm gesagt: Wenn Labbadia gehen muss, spiele ich auch nicht mehr.

Sie haben in Fulham aber gespielt ...

Jarolim: Ja natürlich. Das habe ich aus der Emotion heraus gesagt. Ich hatte gehofft, damit Einfluss auf die Entscheidung nehmen zu können. Hat leider nicht geholfen. Aber es hieß damals, die Mannschaft habe gegen den Trainer gespielt, und das war totaler Quatsch.

Sie haben unter allen gängigen Trainertypen gespielt: der Kumpeltyp, die harte Hand, der Konzepttrainer. Welche Herangehensweise verspricht denn den größten Erfolg?

http://Erstes_Training_unter_Knäbel{esc#205218337}[gallery]Jarolim: Der Mix macht’s. Nehmen Sie meinen Vater, Trainer bei Mlada Boleslav, wo ich zurzeit als Sportdirektor arbeite. Er ist auch ein harter Trainer, der nicht viel sprechen muss, doch die Spieler verstehen trotzdem, was er will. Natürliche Autorität ist wichtig, der Respekt muss immer vorhanden sein. Trotzdem kann er auf die Spieler eingehen. Einige brauchen Zuckerbrot, andere eher die Peitsche.

Nun sucht der HSV ja im Sommer erneut einen Trainer. Können Sie Ihren Vater nicht empfehlen?

Jarolim: Den würde ich Diemtar Beiersdorfer sofort vorschlagen. Karel war ja in Hamburg schon mal kurz im Gespräch, als Huub Stevens den Verein verlassen hat. Er hat zwar keine Bundesligaerfahrung, aber spricht Deutsch und Französisch. Ich habe in Boleslav ja auch noch ein halbes Jahr unter ihm trainiert. Er ist einer der besten Coaches, die ich je hatte, und das sage ich nicht, weil er mein Vater ist. Ein absoluter Profi, obwohl ich es kaum für möglich halte, dass er jetzt zum HSV kommen könnte.

Auch Sie fangen demnächst mit Ihrer A-Trainerlizenz an. Wie sieht die langfristige Planung aus?

Jarolim: Ich will mich erst einmal in meiner jetzigen Funktion beweisen. Vor Sommer 2016 will ich nichts anderes machen. Dann könnte es sein, irgendwie beim HSV wieder einzusteigen.

Wenn Sie nach morgen noch mal in das Volksparkstadion einlaufen wollen, ginge das wohl nur als Trainer der Bundesligamannschaft ...

Jarolim: Das wäre mein großer Traum. Man muss sich Ziele setzen, auch wenn es eine Sensation wäre, sollte es wirklich mal so kommen.