Hamburg. Der HSV-Trainer bleibt vor dem Abstiegsfinale gegen Hertha entspannt. Dabei geht es gegen Berlin auch um seinen Job .
In Hamburg fällt es in diesen Tagen nicht schwer, bester Laune durch die Stadt zu flanieren. Der Frühlingsanfang, der nationale Olympia-Zuschlag, SPD und Grüne haben sich lieb, und sogar Sylvie Meis, ehemals van der Vaart, soll wieder Flugzeuge im Bauch haben. Nur der chronisch kriselnde HSV, der will bei der hanseatischen Hochstimmung nicht so recht mitspielen. „Als Bundesligatrainer des HSV hat man momentan leider eine andere Aufgabe, als sich über Olympia zu freuen“, sagt Joe Zinnbauer und lächelt ein wenig gequält.
Der Fußballlehrer sitzt am späten Mittwochmittag im ersten Stock des Volksparkstadions und muss Fragen beantworten, die man eben als Bundesligatrainer im Abstiegskampf und nach fünf sieglosen Spielen in Folge beantworten muss. Ja, er sei ganz ruhig. Und nein, die Partie gegen Hertha sei kein besonderes Spiel für ihn. „Ich stelle alles andere komplett nebenan und konzentriere mich nicht auf irgendwelche Gerüchte“, sagt Zinnbauer, der auch auf Nachfrage bekräftigt, dass er vor dem „Sechspunktespiel“ gegen Berlin am Freitag (20.30 Uhr/Sky und im Liveticker bei abendblatt.de) entspannt sei. „Es geht nicht um Zinnbauer, sondern es geht nur um den HSV, um die Mannschaft und um drei Punkte.“ Und dann sagt der 44 Jahre alte Coach noch diesen einen entscheidenden Satz: „In der Bundesliga zählen nur Siege.“
Genau das ist aber Zinnbauers Problem. Sechs Wochen ist der letzte Bundesligasieg nun schon her, 2:1 gewann der HSV seinerzeit in einem gruseligen Nordduell gegen Hannover 96. Was danach folgte, liest sich wie eine Kombination aus Achter- und Geisterbahnfahrt: 0:8-Blamage in München, ordentliches 1:1 gegen Gladbach. 1:2-Pleite in Frankfurt, kämpferisches 0:0 gegen Dortmund. Und am vergangenen Wochenende dann der chancenlose 0:3-Auftritt in Hoffenheim.
Diese Serie ist selbstverständlich auch den Verantwortlichen nicht verborgen geblieben – genauso wenig wie die fehlende Entwicklung in der gesamten Rückrunde. „Natürlich können wir mit der sportlichen Situation nicht zufrieden sein“, sagt HSV-Chef Dietmar Beiersdorfer, der lange genug dabei ist, um zu wissen, was ihm in so einer Situation droht: die Trainerfrage. „Jetzt zählt erst mal nur Berlin“, sagt der Vorstandsvorsitzende dem Abendblatt. Und was passiert im Falle einer weiteren Niederlage? Beiersdorfer weiß, dass er bei einer konkreten Antwort dieser Frage nur verlieren kann: Stellt er sich demonstrativ vor Zinnbauer, würde ihm dies im Falle einer späteren Beurlaubung um die Ohren fliegen. Formuliert er aber Zweifel an Zinnbauer, wäre der Trainer kaum noch zu retten. Seine Antwort also: keine Antwort. „Ich möchte diese Fragen derzeit nicht beantworten. Wir haben uns vorgenommen, alles intern zu regeln, das gilt natürlich vor allem auch jetzt.“
Krisengipfel am Dienstag
Also wurde intern gesprochen. Viel und intensiv. So soll es am Dienstag einen Krisengipfel gegeben haben, auf dem alle Eventualitäten durchgespielt wurden. Ergebnis Nummer eins: Die HSV-Verantwortlichen wollen auch weiterhin bis Saisonende an Zinnbauer festhalten. Besonders Sportchef Peter Knäbel und Sportdirektor Bernhard Peters sollen von den Nehmerqualitäten des angeknockten Trainers beeindruckt sein. „Es nötigte mir großen Respekt ab, wie Zinnbauer die schwierige Situation nach der Bayern-Niederlage gemeistert hat“, sagte Peters in der vergangenen Woche dem Abendblatt. „Joe geht sicher und stabil mit Rückschlägen um und hat auch seine Leistung rund um das Spiel in München selbstkritisch hinterfragt. Klasse!“
Ein Problem gibt es nur dann, wenn nach einem Rückschlag die Reaktion ausbleibt. Und auch darüber wurde gesprochen. Ergebnis Nummer zwei: Will man in dieser Saison doch noch einmal den Trainer wechseln, dann nur in der Länderspielpause – nach einer Heimpleite gegen Hertha.
Zinnbauer stürzt sich ins Getümmel
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„Statistisch gesehen brauchen wir uns zu Hause keine großen Gedanken machen“, sagt Zinnbauer, „die meisten Spiele konnten wir positiv gestalten.“ Dass diese Aussage bei vier Heimsiegen in zwölf Spielen nur bedingt der Wahrheit entspricht, gehört zur üblichen Folklore. Das eigene Team stark reden, das kann Zinnbauer. Vor dem vergangenen Heimspiel gegen den BVB hängte er ein Zeitungsbild von Dortmunds Aubameyang und Reus als Batman und Robin in die Kabine. Die Botschaft: So wollen wir die beiden im eigenen Stadion nicht sehen. Und der Trick funktionierte: Aubameyang und Reus hatten fast keine Torchance, der HSV erkämpfte sich ein beachtliches 0:0.
Ob aber auch diesmal ein Unentschieden reicht, bleibt fraglich. Gegen Hertha will Zinnbauer deswegen auf Angriff setzen. Im Training ließ er eine überraschende Elf ran: Rafael van der Vaart war wieder dabei – genauso wie die Stürmer Ivica Olic und Pierre-Michel Lasogga. Tore fielen beim Abschlussspiel trotzdem keine, wovon sich Beiersdorfer, Peters und Knäbel persönlich überzeugten. Ändert sich das nicht am Freitag, wird es eng für Zinnbauer, dessen Zukunft trotz laufenden Vertrags über die Saison hinaus ohnehin als äußerst fraglich gilt. Zwar schätzen die Chefs den engagierten Fußballlehrer. Jedoch: In der Bundesliga zählen nur Siege. Auch beim HSV.
Marcell Jansen fällt auch gegen Hertha wegen seines nicht geheilten Muskelfaserrisses aus.